Weltreiterspiele der Pannen in Tryon

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Vollkommenes Chaos beim Distanzreiten lässt die Weltreiterspiele in den USA auf sehr unrühmliche Weise beginnen. Allerdings ist der Rennabbruch auf der Langstrecke bei weitem nicht die einzige Panne.

Gute Laune war bei den Distanzreitern nach dem ersten, äußert chaotischen und unbefriedigendem Tag nun wirklich nicht mehr vorhanden: “Das ist ein Schlag in die Fresse für den gesamten Sport”, motzte der deutsche Distanzreiter Bernhard Dornsiepen – und man konnte seinen Ärger nachvollziehen. Anders als “katastrophal” kann man die Organisation des Distanzwettbewerbs bei den Weltreiterspielen in Tryon wohl nicht bezeichnen. Zunächst völlige Planlosigkeit, dann ein heftig umstrittener Neustart und zum Schluss dann doch der Abbruch – alles was schief gehen konnte, ging auch schief.

Hochmotiviert und voller Freude auf den für Pferd und Reiter anstrengenden Wettbewerb hatten sich um 6.30 Uhr morgens 131 Teilnehmer zum Massenstart eingefunden. Allerdings wusste niemand so genau, wo dieser Start überhaupt ist – auch die Organisatoren hatten keine Ahnung. Daher startete das Rennen schließlich an zwei verschiedenen Orten.

Tumultartige Proteste gegen Organisatoren

Das Chaos setzte sich nahtlos fort, weil keiner richtig mitbekommen hatte, wer in welche Richtung geritten war, weil “es ja auch noch dunkel war”, erklärte die deutsche Equipechefin Annette Kaiser die Verwirrung. Ihr Schützling Dornsiepen meinte: “Für mich hätten sie es da schon abbrechen müssen.” Stattdessen wurden alle Teilnehmer nach einigen Stunden zurückgepfiffen, ein Neustart und die Reduzierung der Strecke von 160 auf 120 Kilometer war die Lösung der überforderten Organisatoren, die allerdings auf wenig Gegenliebe bei Athleten, Trainern und Pflegern stieß.

“Tumultartige Proteste” soll es unter den Equipeleitern da schon gegeben haben, erzählte Kaiser. Auch Dornsiepen hielt mit seiner Verärgerung nicht hinterm Berg. “Wir Athleten bereiten uns das ganze Jahr auf eine Weltmeisterschaft, auf diesen Höhepunkt vor. Das ist so ein Scheiß!”, sagte er: “Das ist respektlos uns Reitern, uns Athleten und vor allen Dingen unseren Pferden gegenüber.”

Nach schweren Regenfällen bei heißer Luft war die Luftfeuchtigkeit so hoch, dass das Distanzreiten abgebrochen wurde

Als das unwürdige Distanz-Schauspiel am Abend schließlich witterungsbedingt abgebrochen wurde, war der erfahrene Dornsiepen “schon mehr als den Tränen nah”, wie er gestand. Dabei war die vorzeitige Beendigung noch die logischste Aktion des gesamten Wettbewerbs, zog der Weltverband FEI doch aufgrund der “potenziell hochgefährlichen Kombination aus Hitze und Feuchtigkeit” den Schlussstrich. Auf die Palme brachte den Sauerländer alles, was zuvor geschehen war.

Umstrittene Disziplin

Der Distanzritt ist eine hohe Belastung, vor allem für die Pferde, die die Strecke in einzelnen Abschnitten absolvieren und dabei eine bestimmte Durchschnittsgeschwindigkeit nicht überschreiten dürfen. Immer wieder gibt es Pausen, in denen die Tiere medizinisch untersucht werden. Nie schafft es das gesamte Feld bis ins Ziel. Häufig kommt es zu Verletzungen bei den Pferden, nicht selten zu Todesfällen. Beispielsweise erreichten bei den vergangenen Weltreiterspielen im französischen Caen nur 38 der 165 Starter die Ziellinie, ein Pferd starb an den Folgen eines schweren Sturzes.

Diesmal, in Tryon, durften die Reiter vorher noch nicht einmal die Strecke besichtigen, denn das Gelände des Kurses gehört 70 Privatleuten. “Von Anfang an war klar, dass die Strecke nur für diesen einen Tag aufgemacht wird”, sagte Kaiser. Ein Unding, wie auch Dornsiepen fand: “Wenn das nicht möglich ist in dieser Gegend, dann kann man sowas hier nicht stattfinden lassen.”

Überall Baustellen, aber keine Hotels

Das Turniergelände in Tryon ist eine Baustelle

Aber nicht nur beim Distanzritt zeigten sich die Veranstalter in Tryon bislang überfordert. Allerorts wird noch gebohrt und gebaggert, schwere Baumaschinen arbeiten auch nach dem WM-Start noch auf dem Gelände. Die Toiletten sind nur in bestimmten Gebäuden nutzbar. Und auch die Zuschauer bleiben aus. So herrschte am ersten Wettkampftag auf den Rängen im Dressurstadion gähnende Leere, nur leicht besser sah es in der Reining-Halle beim Westernreiten aus.

Dazu kommt ein Problem mit den Unterkünften: Eigentlich sollten drei große Hotels auf dem Gelände entstehen, gereicht hat es allerdings nur für die Fundamente. Viele Pfleger wohnen daher in Zelten, winzigen Holzhütten oder eilig herbeigeschafften Wohnwagen. Organisations-Chef Mark Bellisimo sah sich bereits zu einer Entschuldigung gezwungen.

Zwar muss man den Veranstaltern zugutehalten, dass Tryon erst 2016 kurzfristig für das kanadische Bromont als Austragungsort eingesprungen war. Doch es ist nicht das erste Mal, dass ein Ausrichter mit den Weltreiterspielen, bestehend aus allen acht FEI-Disziplinen, überfordert ist.

asz (sid)