„Gott in allen Dingen suchen und finden“

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„Geister zu unterscheiden“, das lehren die Jesuiten mit ihren Exerzitien. In seiner Reihe zu spirituellen Wegen von Orden und Klöstern befasst sich Alfred Herrmann von der katholischen Kirche mit den geistlichen Übungen.

Kapelle des Exerzitienhauses HohenEichen bei Dresden: Der ignatianische Weg der Exerzitien bietet Orientierung fürs Leben.  Foto: Alfred Herrmann

Ausspannen im Kloster. In Ruhe und Abgeschiedenheit Antworten auf Lebensfragen suchen oder einen spirituellen Impuls empfangen. Wer sich auf einen Klosteraufenthalt einlassen möchte, hat die Auswahl zwischen verschiedensten Ordensgemeinschaften. Da gibt es Gästehäuser der benediktinischen Abteien oder Exerzitienzentren der Jesuiten, ein Haus der Stille der Karmeliten oder Orte aktiven Mitwirkens in franziskanischen Gemeinschaften. Kloster ist nicht gleich Kloster, Ordensweg ist nicht gleich Ordensweg. Es lohnt daher, diese unterschiedlichen spirituellen Wege des Christentums zu erkunden.

„Gott in allen Dingen suchen und finden“, so lautet der spirituelle Auftrag, den Ignatius von Loyola seinem Jesuitenorden mitgab. Man möge „die Gegenwart unseres Herrn in allen Dingen suchen, im Sprechen, im Gehen, Sehen, Schmecken, Hören, Denken und überhaupt in allem“, beschreibt er den geistlichen Weg der jesuitischen Gottsuche in einem Brief. Dies verlangt, die Welt vorurteilsfrei wahrzunehmen, in der Schöpfung Gottes, in der Arbeit, im Mitmenschen, in sich selbst Gott mit den eigenen Sinnen nachzuspüren.

Exerzitien führen den Einzelnen in sein Innerstes

Mit den Exerzitien entwickelte Ignatius von Loyola im 16. Jahrhundert einen Weg des achtsamen Inneren Betens. Seine geistlichen Übungen sollen den Einzelnen in sich hineinführen, um dort Jesus Christus zu begegnen und eine persönliche Beziehung zu ihm aufzubauen und zu vertiefen. Ignatius bezeichnete diesen Weg als „das Allerbeste, was ich in diesem Leben denken, verspüren und verstehen kann, sowohl dafür, dass sich der Mensch selber nützen kann, wie dafür, Frucht bringen und vielen anderen helfen und nützen zu können“. Auf diesem Weg richtet sich ein Mensch neu auf Gott aus und trifft Entscheidungen für sein Leben aus dem Glauben heraus.

Denn Jesuiten sind davon überzeugt, dass Gott für jeden Menschen eine persönliche Berufung hat und dass es diese auf dem Weg der Exerzitien zu erspüren gilt. Ein Mensch soll mittels geistlicher Übungen dem nachfühlen, was Gott von ihm und seinem Leben verlangt. Exerzitien dienen als Hilfsmittel, sich auf die Gegenwart Gottes auszurichten, die Berufung Gottes für das eigene Leben zu erkennen und Gelassenheit und Trost in der Beziehung zu Gott zu finden.

Ein Weg der Entscheidung

Auf dem Weg der Exerzitien zieht sich der Exerzitant in sein Innerstes zurück. Er deckt mit ihrer Hilfe den Weg auf, den Gott mit ihm gehen möchte, und räumt das aus dem Weg, was ihn in seinem Innersten daran hindert. Er muss dabei lernen, die „Geister zu unterscheiden“, wie es Ignatius in seinem Exerzitienbuch formuliert. Das geschieht zunächst ganz sachlich im Abwägen von Vor- und Nachteilen und dann im Hören auf die inneren Empfindungen.

Der Mensch trifft eine Wahl für sein Leben, indem er seine inneren Bewegungen klärt. Er lernt, den inneren Bewegungen zu trauen, die zu mehr Leben führen, und zugleich jene zu lassen, welche das Leben eher verhindern. Das Exerzitienbuch spricht von einem Gefühl des Trostes und einem Gefühl der Trostlosigkeit: „Wenn sich beim Gebet das Gefühl des inneren Trostes, des inneren Befriedetseins, der inneren Ruhe einstellt, dann vertraue darauf, dass sich dir darin vermutlich Gott zeigen will.“

Im Exerzitienhaus der Jesuiten HohenEichen bei Dresden kann dieser Weg von jedermann beschritten werden. Für acht, zehn oder gar 30 Tage ziehen sich dort Teilnehmer eines Exerzitienkurses ins Schweigen zurück. Sie meditieren zwei bis vier Stunden am Tag anhand des Jesus-Gebetes oder mittels biblischer Texte. Im täglichen, einstündigen Austausch mit einem Exerzitienbegleiter versuchen sie die Spuren Gottes in ihren Meditationserfahrungen auszumachen, um den Weg mit Gott für das eigene Leben zu erkunden.

 

Alfred Herrmann, 1972 in Würzburg geboren, arbeitet als freier Autor in Berlin. Vor kurzem erschien im Bonifatius-Verlag sein Buch „Sich Gott nähern – Frauenorden in Deutschland“.