Interim-Manager: Gekommen, um zu gehen

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Nicht nur Waren und Dienstleistungen fließen rund um die Welt, auch Manager arbeiten immer häufiger zeitlich begrenzt für Unternehmen weltweit. Für ihr Know-how und ihre Erfahrung gibt es keine Grenzen.

Führungskraft für ein paar Monate – so war es beim 63-jährigen Maschinenbau-Manager Andreas von Bandemer aus Frankfurt (Oder). Vor zwei Jahren erhielt er vom französischen Konzern Imerys das Angebot, ein Produktionswerk für die Farbindustrie zu leiten. Der bisherige Geschäftsführer war von Bord gegangen, der Betriebsleiter krank geworden.

Andreas von Bandemer unterschrieb und begann innerhalb einer Woche mit der Arbeit. Er motivierte die 40-köpfige Belegschaft neu, hielt Produktion und Lieferung aufrecht, führte ein SAP-System ein und integrierte die Fertigungsstätte Stück für Stück in den Konzern. Die Produktionskapazität wurde um 15 Prozent gesteigert, die kurzfristigen Kosten um 150.000 Euro, die langfristigen um eine Million Euro gesenkt.

“Möchte nichts anderes mehr machen”

Für Andreas von Bandemer sind “Feuerwehr-Einsätze” normal – er verdient sein Geld als Interim-Manager. Vier, sechs oder neun Monate und länger kommt er als Führungskraft auf Zeit in ein Unternehmen, um personelle Vakanzen zu überbrücken oder seine Erfahrungen einzubringen. Ist die Arbeit getan, verlässt er den Betrieb – und heuert beim nächsten an. 14 Projekte ähnlich dem für Imerys hat von Bandemer seit 2007 realisiert. “Ich möchte nichts anderes mehr machen”, sagt er. Am liebsten arbeitet er über Landesgrenzen hinweg.

Andreas von Bandemer

Den Job für Imerys haben ihm ein französischer und ein deutscher Personaldienstleister vermittelt. Beide sind Mitglieder der WIL Group, die über einen Pool von 38.000 Interim-Manager weltweit verfügt. Imerys hatte den lokalen Personalvermittler X-PM France beauftragt, einen Übergangsmanager für ein Werk zu finden. Der fand dann im Pool seines deutschen Partners Andreas von Bandemer. Dann ging alles schnell. 

Globale Vernetzung der Wertschöpfungsketten

Dass Interim-Manager immer öfter in anderen Ländern tätig werden, liegt an der zunehmenden globalen Vernetzung der Wirtschaft. Deutschland wird 2018 laut dem Außenhandelsverband BGA Waren und Dienstleistungen im Wert von rund 1,3 Billionen Euro exportieren, so viel wie noch nie. Auch das Volumen der Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland dürfte in diesem Jahr eine neue Rekordhöhe erreichen, so der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK).

Auch deutsche Interim-Manager, die für einige Monate in einem Betrieb als Freiberufler mitarbeiten und dann wieder gehen, sind im Ausland gefragt. Diese Nomaden helfen sowohl deutschen Firmen auf unbekannten Feldern als auch – wie im Fall Imerys – ausländischen Unternehmen, die deutsche Management-Erfahrung schätzen.

Nicht nur deutsche Produkte werden exportiert – auch deutsche Manager

Das Geschäft der Interimer funktioniert in alle Richtungen. Ein finnischer Automobilzulieferer leiht sich einen dänischen Manager für ein Projekt zur Prozessoptimierung, ein brasilianischer Energiekonzern hofft, mit Unterstützung eines Schweizer Experten erfolgreicher bei der Personalrekrutierung zu werden.

1.100 Euro täglich

Durchschnittlich gut 1.100 Euro am Tag muss man für einen deutschen Top-Manager auf Zeit zahlen, wie der Arbeitskreis Interim-Management Provider errechnet hat. Dafür aber muss der Mann – oder die Frau – auch nicht eingearbeitet werden, ist sofort einsatzbereit und generiert keine Sozialkosten, weil die meisten Interim-Manager Freiberufler sind.

Als Vermittler zwischen Unternehmen und Interimer fungieren Provider wie Atreus, GroNova und Management Angels. Letzterer hat vor vier Jahren die WIL Group mitgegründet. “Das war überfällig”, sagt Stephan Martini, der seit einem Jahrzehnt als Zeitmanager für deutsche Mittelständler von Dänemark bis China im Einsatz ist. Durch den Zusammenschluss könnten sich Unternehmen nun aus einem viel größerem Pool von Managern bedienen.

Mal kurz ein Unternehmen in Asien leiten – Interim-Manager sind oft “Feuerwehrmann und Berater in Personalunion”

Während internationale Konzerne viel Manpower und Kapital einsetzen können, um ihre Auslandsaktivitäten vorzubereiten, stehe ein “eher hemdsärmeliger” Mittelständler im fremden Land oft hilflos vor sprachlichen und rechtlichen Hürden. Wer kein solides Wissen über den lokalen Markt, keine Ahnung vom nationalen Arbeitsrecht, von der Geschäfts- und Beschäftigungskultur habe, brauche eine Führungskraft, die über diese Expertise verfügt. Von der könne der Firmenchef dann auch lernen: “Für kleinere Unternehmen ist ein Interim-Manager gerade im Ausland Feuerwehrmann und Berater in Personalunion”, so Martini.

Die Nachfrage steigt in Osteuropa

Die drei Länder, aus denen die WIL Group-Mitglieder aktuell die meisten Anfragen bekommen, sind England, Frankreich und Deutschland. Stark steigt die Nachfrage aus Osteuropa: “In Ländern wie Polen und Tschechische Republik boomt die Wirtschaft, die Arbeitslosenquoten sind gering, es fehlen erfahrene Manager”, sagt Ricky Stewart, der beim Vermittler Management Angels die Kontakte zur WIL Group hält. In Osteuropa suche man derzeit vor allem Werksleiter.

Die meisten ausländischen Anfragen nach deutschen Interim-Managern kämen aus der Autoindustrie und dem Maschinenbau: “Deutsche Führungskräfte werden gerne geholt, weil man bei ihnen Tugenden wie Pünktlichkeit und Sorgfalt erwartet. Solche Manager sind wahre Exportschlager.”

Personalvermittler Ricky Stewart

Viele deutsche Interimer gehen gerne für ein paar Monate ins Ausland, “abgesehen von Krisengebieten”, wie Stewart betont. Selbst Spezialisten für Saudi-Arabien hat er im Angebot.

Und wie stehen deutsche Unternehmen Interim-Managern aus Asien oder Nordamerika gegenüber? “Generell offen”, sagt Stewart. “Es kommt sehr auf die Kompetenz und Kommunikationsfähigkeit an. Ich kenne Mittelständler, die gerne chinesische Führungskräfte für einige Zeit anheuern würden, um von ihnen beispielsweise im Bereich Künstliche Intelligenz oder Mobile Payment zu lernen.”

Die WIL Group hat auch schon einem französischen Automobilzulieferer einen Freiberufler aus Luxemburg mit Zustimmung des französischen Betriebsrats vermittelt. “In unserer Branche gibt es eigentlich keine Grenzen zwischen Ländern”, sagt Stewart.

Bezahlt werden die freiberuflichen Manager entsprechend den Konditionen im Heimatland. Derzeit relativ günstig zu haben sind britische Manager auf Zeit, deren Tagessätze zum Teil 20 Prozent unter denen ihrer Kollegen aus der Schweiz liegen, “weil in England das Angebot an Interim-Führungskräften groß ist”, wie Stewart sagt. Er ist aber sicher, dass sich dieses Gefälle im Laufe der Zeit angleichen wird, “Brexit hin, Brexit her”.