Rasende Teenies in Thailand

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Auf Thailands Straßen fährt der Tod mit. Die Behörden sind alarmiert, nehmen vermehrt junge Roller-Rowdys ins Visier, denn bei drei Vierteln aller tödlichen Unfälle sind Roller involviert. Julian Küng aus Bangkok.

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Gefährliches Straßenrennen in Thailand

Jakkapon Pongraksa ist seine Vergangenheit als illegaler Roller-Raser anzusehen. Neben abgebrochenen Zähnen und etlichen Narben hat der raue Asphalt in der thailändischen Hauptstadt bei einem Crash nahezu das ganze Ohr des 29-Jährigen abgefetzt. “Ich habe Glück! Ich bin noch am Leben”, sagt der schmächtige Bursche aus Lat Krabang, einer Vorstadt von Bangkok, und zeigt ein wenig stolz sein etwas laienhaft angenähtes Hörorgan.

In der Szene ist Jakkapon ein Star. Er ist ein “Dek Waen”. So werden in Thailand junge Motorradfahrer genannt, die mit ihren aufgemotzten Kleinmotorrädern über Thailands Straßen brettern. Man kennt ihn unter dem Namen “Nok Yoklor”. “Nok” steht für Vogel und “Yoklor” heißt auf thailändisch Wheelie, ein Fahrmanöver, bei dem das Vorderrad angehoben wird.

Ex-Raser Jakkapon Pongraksa

Und der Name ist Programm. Über 172.000 Fans verfolgen seine waghalsigen Wheeliestunts über Facebook. “Wenn man bei Vollgas mit dem hochgezüchteten Roller die Straße runterdonnert, kann einem der kleinste Fehler das Leben kosten”, sagt “Nok” im Interview mit der Deutschen Welle. “Viele meiner Freunde sind während den illegalen Rennen in den Tod gefahren. Das nimmt man in Kauf.”

Viele Verkehrstote unter Jugendlichen

Motorradunfälle sind für die Teenager in Thailand Todesursache Nummer 1. Jedes Jahr sterben bei Rollerunfällen ca. 2000 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren. Wie dem aktuellen Bericht des Straßenverkehrsamtes zu entnehmen ist, stieg die Todesquote im Juni 2018 wieder um vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Die Behörden gehen hart gegen die “Dek Waen” vor, mit groß angelegten Massenverhaftungen. Mitte Juli werden in der zentralthailändischen Küstenregion Pattaya 203 Rollerraser festgenommen, ihre Mopeds beschlagnahmt. Zwei Wochen zuvor klickten in der anderen Provinz Phatum Thani bei 152 “Dek Waen” die Handschellen. 42 Rollergaragen werden ausgehebelt.

Stolz präsentiert der stellvertretende Leiter der Touristenpolizei TPB, Generalmajor Surachet Hakpan, der besser unter seinem Spitznamen “Big Joke” bekannt ist, die Beute der Großrazzia: 150 frisierte Roller und 227 illegal modifizierte Schalldämpfer werden fein säuberlich nummeriert den Medien präsentiert. Daneben sitzen 152 festgenommene Rollerfahrer.

152 festgenommene Rollerfahrer mussten der Präsentation der Beute nach Großrazzia beiwohnen

App zur Anzeigeerstattung

Die thailändischen Behörden haben auch eine Antiraser-App entwickelt. Das digitale Handytool soll geplagten Anwohnern die Möglichkeit geben, Fotos der Raser direkt an Spezialeinheiten der Polizei zu schicken.

Anuwat Tueklad ist unzufrieden mit der Praxis. Er war früher fast jede Nacht als “Dek Waen” unterwegs. Man solle den Teenagern möglich machen, legales Motorradrennen zu machen.

Eine neue Geschäftsidee für Anuwat. Er bietet seit einiger Zeit den Rollerkids zwei Fahrstunden nördlich von Bangkok einen halben Kilometer Asphalt, wo sie ungestört ihrem Motorsport-Hobby frönen können.

Rennstrecke für Tennies

Die Rennpiste ist sehr beliebt bei den Jugendlichen. Mehrere Hundert “Dek Waen”, kaum einer älter als 20 Jahre, drängeln sich Auspuff an Auspuff am Pisteneingang, lassen ihre frisierten Motoren aufheulen und düsen mit Vollgas über die glatte Asphaltierung.

Die Helmpflicht und das beschilderte Sandalenverbot am Eingang scheint hier mehr Empfehlung als Vorschrift. “Dafür sei ein Notarzt ständig vor Ort, wenn es mal kracht”, verteidigt sich Betreiber Anuwat. “Wir wollen die Kids vom Untergrund in die Legalität holen. Ich rate ihnen immer wieder, nicht illegal zu rasen, sondern stattdessen hier Gas zu geben.”

Anuwat Tueklad (l.) und sein Geschäftspartner

Die Behörden unterstützen sein Vorhaben auf unkonventionelle Weise. So werden an Renntagen rund um Anuwat’s Rennpiste von der Polizei beide Augen zugedrückt. “Unsere Teilnehmer werden bei der Anfahrt mit ihren illegalen Bikes nicht von der Polizei kontrolliert. Auch bei der Heimfahrt lassen sie uns in Ruhe.”

Auch Wheelie-Spezialist “Nok Yoklor” ist unter den Fahrern anzutreffen. Er lässt den Asphalt nur noch auf legale Weise brennen. Inzwischen verdient er sogar seinen Lebensunterhalt mit seinem fahrerischen Können. Veranstalter buchen ihn als Stuntfahrer. “Das ist sicherer. Und man hat keine Probleme mehr mit der Polizei” sagt “Nok Yoklor” und braust auf dem Hinterrad Richtung Pisteneingang.