Kommentar: 1998 reloaded

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Im Finale zwischen Frankreich und Kroatien triumphiert das Team, das den Pokal mehr will. Architekt des WM-Titels ist einer, der das eigene Erfolgsrezept von 1998 einfach kopiert, kommentiert DW-Reporter Joscha Weber.

Nein, das sollte Ihnen nicht noch einmal passieren. EM-Finale 2016 in Paris: Frankreich geht als Favorit ins Endspiel und verlässt die Arena als geschlagene Nation. Die kollektive Erfahrung dieser unerwarteten Niederlage im eigenen Wohnzimmer gegen Portugal hat “Les Bleus” reifen lassen, wurde Nationaltrainer Didier Deschamps dieser Tage nicht müde zu betonen. Und jeder seiner Spieler sagte vor dem WM-Finale von Moskau Sätze wie Paul Pogba: “2016 sahen wir uns vor dem Finale schon als Europameister. Diesen Fehler machen wir nicht noch einmal. Noch sind wir nicht am Ziel.” Nun sind sie es. Und das hat viel dem zu tun, den sie in Frankreich nur “DD” nennen.

DW-Reporter Joscha Weber

Didier Deschamps, der Weltmeister, der Motivator, der Architekt. Ihm gebührt ein gutes Stück des WM-Pokals, den Frankreichs Kapitän Hugo Lloris in den Moskauer Abendhimmel stemmte. Erst wurde er kritisiert, und das recht deutlich. Frankreichs mäßige Auftritte vor der WM, die uninspirierte Spielweise in der Gruppenphase, die Fantasielosigkeit der doch eigentlich begnadeten Mannschaft. All das traf durchaus zu.

Und dennoch war die Kritik an Deschamps falsch. Denn er folgte strikt seinem Plan. Ästhetik war darin nicht zwingend vorgesehen, wohl aber taktische Disziplin, konsequentes Verteidigen und Effizienz. Das mochte zunächst nicht jedem gefallen, es war jedoch die richtige Herangehensweise für ein langes, kräftezehrendes Turnier, das so manchem Mitfavoriten, der seiner Defensive weniger Aufmerksamkeit schenkte als Deschamps es tat, ein frühes Aus brachte.

Es zählt der Wille zum Erfolg

Die viel gelobte Abwehrkette Pavard-Varane-Umtiti-Hernandez war auch gegen Kroatien letztlich der Schlüssel zum Erfolg: Mit viel Einsatz, ein paar Weltklasse-Reflexen von Keeper Lloris (sein Bock zum 4:2 – geschenkt) und durchaus auch etwas Glück widerstanden die Verteidiger in Blau den wütenden Angriffen der Kroaten, die sich mit dem frühen Rückstand nicht abfinden wollten. Dass die junge französische Mannschaft mit Ausnahme einer Standardsituation, die zum Ausgleich durch Perisic führte, das Spiel in ihre Richtung lenken konnte, zeugt tatsächlich von Reife. Und von einem echten Teamgeist.

Die in der Vergangenheit allzu oft uneinige, bisweilen zerstrittene französische Nationalelf war bei diesem Turnier tatsächlich eine Einheit. Eingeschworen auf ein gemeinsames Ziel, im Bewusstsein, dies nur als Kollektiv erreichen zu können und mit Hingabe, es mit jeder Körperfaser zu wollen. Das erinnert stark an jene große französische Mannschaft von 1998, die mit einer sehr starken Defensive, taktischer Disziplin und bereitwillig zurückgestellten Egos bei der Heim-WM triumphierte.

Ihr An- und Wortführer damals: Didier Deschamps. Und wer ihn bei der WM 2018 erlebt hat, weiß: Er ist es wieder. Dass ihm das Kunststück des WM-Titels nun 20 Jahre später als Trainer erneut gelingt ist bemerkenswert. Dass es ihm aber mit dem gleichen Erfolgsrezept gelingt, ist umso erstaunlicher. Der Fußball mag sich weiterentwickelt haben – Videostudium, Datenanalyse oder Verwissenschaftlichung von Training, Ernährung und Taktik – schön und gut. Was aber letztlich immer noch zählt, ist der Wille zum Erfolg. 

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