Japan und EU gehen bei Freihandel voran

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Mit der Unterzeichnung ihres Freihandelsvertrages wollen die Europäische Union und Japan ein Zeichen für die Globalisierung setzen. Die Kritik an dem Abkommen hält die EU-Kommission für unbegründet.

Die “Economic Partnership Agreement” (EPA) genannte Vereinbarung zwischen Japan und der Europäischen Union soll spätestens im Herbst 2019 in Kraft treten. Nach Angaben der EU-Kommission werden durch das Abkommen 99 Prozent aller Zölle beseitigt, die die Unternehmen aus den beiden Wirtschaftsräumen derzeit rund eine Milliarde Euro pro Jahr kosten. Der nach vierjährigen Verhandlungen Ende 2017 abgeschlossene Handelspakt wird der größte sein, den die EU jemals unterzeichnet hat.

Eigentlich sollte die feierliche Zeremonie bereits am vergangenen Mittwoch bei einem EU-Japan-Gipfel in Brüssel (Titelfoto vom Gipfel in Brüssel 2017) stattfinden. Doch der japanische Regierungschef Shinzo Abe sagte das Treffen wegen der verheerenden Überschwemmungen im Westen und im Zentrum von Japan mit zahlreichen Toten und Vermissten kurzfristig ab. Nun wird der Gipfel am morgigen Dienstag mit Ratspräsident Donald Tusk als Vertreter der Europäischen Union in der japanischen Hauptstadt nachgeholt.

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“Ehrgeiziger und umfassender Vertrag”

Die EU-Kommission nennt den Vertrag “hoch ehrgeizig und umfassend” und erwartet durch die Abschaffung von Zöllen und regulatorischen Hürden eine Intensivierung des Handels mit Japan. Derzeit ist die Inselnation im Fernen Osten mit einem Volumen von jährlich 86 Milliarden Euro der zweitgrößte Exportmarkt der EU in Asien. Auf europäischer Seite hängen daran 600.000 Jobs. Mit der Unterschrift unter den Freihandelsvertrag öffnet Japan seine Märkte für Dienstleistungen und verbessert den Zugang von Unternehmen aus der EU zu öffentlichen Ausschreibungen, etwa bei Eisenbahnen und anderen Infrastrukturprojekten.

Die zusätzlichen Freiräume sollen die EU-Ausfuhren nach Japan allein im Chemiebereich um bis zu 22 Prozent und im Maschinenbau um bis zu 16 Prozent steigern. Einen besonderen Schub dürften die landwirtschaftlichen EU-Exporteure erleben. So fallen japanische Zölle unter anderem auf Käse, Wein und Schweinefleisch weg. Das bundeseigene Johann Heinrich von Thünen-Institut in Braunschweig rechnet mit einem deutlichen Exportanstieg bei Geflügel- und Schweinefleisch. Insgesamt könnten die Exporte von verarbeiteten Lebensmitteln nach Japan laut EU-Kommission um bis zu 180 Prozent zunehmen. Auf japanischer Seite konzentrieren sich die Vorteile auf die Computer- und Elektronikindustrie sowie auf den Fahrzeugbereich. Der EU-Importzoll für japanische Autos von derzeit zehn Prozent wird schrittweise auf null gesenkt.

Bahn frei für putzige Hunde-Roboter made in Japan

Deutsche Unternehmen “deutlich interessiert”

“Der Freihandelsvertrag verleiht den Geschäftsbeziehungen in beide Richtungen neue Dynamik”, kommentierte der Geschäftsführer der deutschen Industrie- und Handelskammer in Japan, Marcus Schürmann. Die Kammer spüre bereits seit dem vergangenen Jahr auf deutscher Seite ein deutlich gewachsenes Interesse, über Partner oder eine eigene Gesellschaft in den japanischen Markt einzutreten. Das gelte für bisher weniger erschlossene Geschäftsfelder, aber auch für die Branchen Maschinenbau, Automobil, Pharma und Chemie, in denen deutsche Unternehmen ohnehin in Japan besonders aktiv sind. Derzeit sind nach Einschätzung der AHK Japan rund 12.000 deutsche Unternehmen im Japan-Geschäft tätig. “Diese Zahl könnte in den nächsten Jahren um einen zweistelligen Prozentbereich wachsen”, sagte Schürmann vorher.

Japan und EU wollen auch ein Signal gegen Protektionismus à la Trump setzen

Flagge für den Freihandel

Die EU und Japan verstehen die heutige Unterzeichnung auch als ein Signal gegen die protektionistische Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump. Regierungschef Abe sieht den Freihandel als Wachstumstreiber für die japanische Volkswirtschaft. “Japan schaltet den Turbo bei der Globalisierung ein”, sagte Schürmann. Auf protektionistische Entwicklungen antworte die Inselnation mit mehr statt weniger Kooperation. Tatsächlich war Japan der Motor hinter dem Abschluss der “Trans-Pazifischen Partnerschaft” (TPP) ohne die USA in diesem Frühjahr, nachdem Trump im Januar 2017 aus dem von seinem Vorgänger Barack Obama geschlossenen Freihandelsabkommen der Pazifikanrainerstaaten ausgestiegen war. Danach hatten auch die EU und Japan ihre Verhandlungen beschleunigt.

Vor der Unterzeichnung hat die EU-Kommission Warnungen von Verbraucherschützern vor höheren Trinkwasserpreisen und der Zwangsprivatisierung öffentlicher Dienstleistungen zurückgewiesen. Die nationalen und kommunalen Behörden behielten ihr Vorrecht, öffentliche Dienstleistungen in der öffentlichen Hand zu behalten, betonte die Kommission. Daher führe das Abkommen nicht zu einer Deregulierung und Privatisierung der Wasser- und Abwasserversorgung. Vielmehr wollten Japan und die EU die höchsten Standards bei Arbeit, Sicherheit, Umwelt- und Verbraucherschutz einhalten, teilte die Kommission mit. Das verstärkte Wirtschaftswachstum wiederum würde auch die Nachfrage nach Produkten aus Entwicklungsländern erhöhen.