Ein Pechvogel und ein Dreierpack

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Pose, Schuss, Tor. Cristiano Ronaldo kann offensichtlich doch bei großen Turnieren erfolgreich einen Freistoß schießen. Und im Iran tanzen die Menschen auf der Straße, weil ein St. Paulianer ins falsche Tor trifft.

Die große Enttäuschung war Pechvogel Aziz Bouhaddouz vom FC St. Pauli auch eine Stunde nach Marokkos unglücklicher Niederlage zum WM-Auftakt deutlich anzusehen. Mit seiner Einwechslung in der Schlussphase sei für ihn “ein Traum wahr geworden”, sagte Bouhaddouz am Freitag nach dem 0:1 (0:0) gegen den Iran der Deutschen Presse-Agentur, “und auch ein Albtraum”. Beim Stand von 0:0 hatte der eingewechselte Stürmer des Fußball-Zweitligisten aus Hamburg den Ball in der fünften Minute der Nachspielzeit ins eigene Tor geköpft. “Letztlich war ich der Pechvogel des Tages – für ganz Marokko anscheinend”, haderte Bouhaddouz mit seinem Blackout, “damit muss ich klar kommen”.

Hingegen jubelte der Iran über den zweiten Sieg seiner WM-Historie wie über einen Titel. Spieler und Betreuer fielen sich um den Hals. “Es war ein großartiges Fußballspiel”, sagte Irans Nationaltrainer Carlos Queiroz. “Natürlich brauchst du manchmal auch ein bisschen Glück. Aber ich glaube, sie haben nicht mit so einem starken Gegner gerechnet. Es war ein schöner Sieg für uns”, sagte der Portugiese. Den ersten Sieg hatte die Auswahl 1998 in Frankreich gegen die USA gefeiert. Der zweite führte in der Hauptstadt Teheran zu spontanen Straßenfesten. In mehreren Stadtteilen Teherans feierten Fans mit Autokorsos, Hupkonzerten und Sprechchören ihre Mannschaft. Auf einigen Straßen sollen junge Männer und Frauen getanzt haben, obwohl das im islamischen Iran streng verboten ist.

Jubel in Teheran

“Cristiano ist der beste Spieler der Welt”

Auch in Portugal wurde getanzt und gefeiert. Zwar gab es keinen Sieg, aber gegen die favorisierten Spanier gelang dem kleinen Nachbarland immerhin ein 3:3 (2:1)-Unentschieden. Alle drei Tore erzielte Weltfußballer Cristiano Ronaldo. Das schönste gelang ihm in der 88. Minute. Bis dahin hatte die Selección eine imposante Reaktion gezeigt. Angreifer Diego Costa (24./55.) und ein herrlicher Distanzschuss von Verteidiger Nacho (58.) sorgten nach zweimaligem Rückstand durch Ronaldos frühen Doppelschlag (4./Foulelfmeter/44.) für Spaniens Führung bis in die Schlussphase. Dann gelang dem exzentrischen portugiesischen Kapitän mit seinem Geniestreich der späte Ausgleich. “Cristiano ist der beste Spieler der Welt, das hat er heute wieder bewiesen. Er gibt uns unglaubliche Sicherheit”, sagte der Portugiese Cédric Soares in der ARD.

Erst am Mittwoch hatte sich Spaniens Verband überraschend von Trainer Julen Lopetegui getrennt, weil dieser nach der WM Coach von Real Madrid wird. Dass dieser Wechsel kurz vor dem Turnier vom Club öffentlich gemacht wurde, passte Verbandspräsident Luis Rubiales überhaupt nicht. Das Amt übernahm der bisherige Sportdirektor Fernando Hierro. Die brisante Personalie sorgte im Umfeld für viel Wirbel – und der nächste Schock in Sotschi folgte schon nach vier Minuten.

Ronaldo: Nachzahlung und Bewährung

Exzentriker. Poser. Und genialer Fußballer: Cristiano Ronaldo

Verteidiger Nacho brachte Ronaldo im Strafraum zu Fall, den fälligen Elfmeter verwandelte der Superstar sicher. Als erst vierter Spieler nach Pelé, Uwe Seeler und Miroslav Klose erzielte Ronaldo auch bei seiner vierten WM-Teilnahme ein Tor. Dabei war erst wenige Stunden vor dem Anpfiff bekannt geworden, dass der 33-Jährige seine Steuerprobleme mit der spanischen Justiz geklärt hat. Demnach ist Ronaldo bereit, insgesamt 18,8 Millionen Euro an Nachzahlungen, Geldstrafe und Zinsen an den Fiskus zu leisten und eine Bewährungs-Haftstrafe von zwei Jahren zu akzeptieren.

Die Spanier, die vor vier Jahren in Brasilien bereits in der WM-Vorrunde ausgeschieden waren, ließen sich von dem frühen Gegentor jedoch nicht schocken. Diego Costa setzte seinen massigen Körper ein und traf nach einem umstrittenen Zweikampf zum Ausgleich für La Roja. Und trotzdem jubelte noch vor der Pause erneut Ronaldo von Real Madrid. Ein eigentlich haltbarer Schuss rutschte Spaniens Keeper David de Gea durch die Hände ins Tor. Doch die Spanier wollten sich weiter nicht geschlagen geben. Eine schöne Freistoßvariante vollendete wieder Costa im bislang besten Spiel in Russland kurz nach der Pause zum erneuten Ausgleich, ehe Nacho nur drei Minuten später mit einem traumhaften Distanzschuss aus 18 Metern im Olympiastadion zur erstmaligen Führung traf. In der Folge beschränkten sich die Spanier darauf, das Ergebnis zu verwalten, ohne dabei zu viel Kraft zu verschwenden. Das bestrafte Ronaldo mit seinem Freistoß.

Außenseiter Ägypten hat ohne Superstar Mohamed Salah vom FC Liverpool sein WM-Auftaktspiel gegen den zweimaligen Weltmeister Uruguay mit 0:1 (0:0) verloren. Das einzige Tor erzielte Jose Gimenez in der 89. Minute. Kurz zuvor hatte Uruguays Stürmerstar Edinson Cavani mit einem Freistoß den Pfosten getroffen.

sw/ml (dpa, SID, ARD)