“Die Sonne scheint immer noch”

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Bundeskanzlerin Merkel hat die internationalen Finanzorganisationen zum jährlichen Treffen empfangen. Von US-Präsident Trumps Kampfansagen wollen sie sich nicht beirren lassen. Aus Berlin berichtet Sabine Kinkartz.

Es war ein Jubiläum, doch zum Feiern ist derzeit niemandem zumute. Zum zehnten Mal empfing Angela Merkel die Vorsitzenden der fünf großen internationalen Wirtschafts- und Finanzorganisationen im Kanzleramt. Ob OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Internationaler Währungsfonds (IWF) oder Welthandelsorganisation (WTO) – sie alle eint die Sorge vor den zunehmenden protektionistischen Tendenzen weltweit. Die Wolken am Horizont würden immer dunkler, sagte IWF-Chefin Christine Lagarde, “vor allem seit dem letzten Wochenende, wenn ich das so sagen darf”.

Gemeint ist der G7-Gipfel in Kanada, nach dessen Ende US-Präsident Donald Trump die einvernehmlich verabschiedete Abschlusserklärung per Tweet aus dem Flugzeug wieder aufgekündigt hatte. Er begründete dies damit, dass Kanada weiter Gegenzölle auf die von ihm verhängten Strafzölle auf Stahl und Aluminium plant.

Multilateralismus in der Krise

IWF-Chefin Lagarde und OECD-Chef Angel Gurria waren in Kanada mit dabei und durften einmal mehr erleben, wie wenig Trump von internationalen Gesprächs- und Verhandlungsrunden hält und wie unverhohlen er seine Missachtung zum Ausdruck bringt. “Der Multilateralismus ist in einer komplizierten, einer schwierigen Situation”, so Angela Merkel nach dem Gespräch im Kanzleramt. Das sei die übereinstimmende Analyse gewesen.

Kanzlerin Angela Merkel (m.) mit IWF-Chefin Christine Lagarde (l.) und OECD-Chef Angel Gurria

Entmutigen lassen will sich aber niemand. Auch wenn die Sorge davor wächst, was Trump und seine spaltende und protektionistische Politik bewirken wird. “Unser gemeinsamer Ansatz, die internationale wirtschaftspolitische Zusammenarbeit zu stärken, bleibt weiterhin notwendig, um globalen Herausforderungen zu begegnen, neue Standards zu setzen und die Aussichten für inklusives und nachhaltiges Wachstum zu verbessern”, lautet der erste Satz in der gemeinsamen Presseerklärung nach dem Treffen im Kanzleramt.

Sie rücken enger zusammen

Die Stimmung schwankte in Berlin zwischen Warnungen vor schwierigen Zeiten und einem trotzigen “Jetzt erst recht!”. Die Weltwirtschaft laufe gut, sagte IWF-Chefin Lagarde, die Prognose von 3,9 Prozent Wachstum für 2018/2019 könne noch gehalten werden. “Die Sonne scheint immer noch”, sagte sie. “Im Grunde ist die Welt auf einem recht guten Weg”, meinte auch Merkel. Dieser dürfe nun nicht “durch falsches Verhalten” unterbrochen werden.

Trump (r.) kam in Kanada zu spät zu Arbeitssitzungen und reiste vorzeitig ab

Eigentlich erwartet die Welthandelsorganisation für dieses Jahr einen Anstieg des Warenhandels um 4,4 Prozent. Die drohende Eskalation nach den verhängten Strafzöllen auf Stahl- und Aluminium könnte allerdings einen Strich durch die Rechnung machen. “Ständig werfen sich alle Knüppel zwischen die Beine”, schimpfte WTO-Chef Roberto Azevedo. “Das schadet allen.”

Wenn es eskaliert, wird es für alle riskant

Auch in der exportorientierten deutschen Wirtschaft stünden Arbeitsplätze auf dem Spiel, wenn nun noch Zölle auf Autos erhoben würden. “Die Eskalation muss beendet werden”, so Azevedo. Die Kernprinzipien der WTO, also der regelbasierte Handel, stellten einen Wert dar. “Wenn wir das aufs Spiel setzen, ist das für jeden einzelnen Bürger auf dieser Welt riskant.”

Karrikatur zum G7-Gipfel

Der WTO-Chef ist offen für Reformen. Die Mitglieder müssten zusammenarbeiten, um den Streitbeilegungsmechanismus zu bewahren und zu stärken, da er eine wesentliche Rolle dabei spiele, Gerechtigkeit in internationalen Handelsbeziehungen zu gewährleisten. Anstatt sich “proaktiv” und “konstruktiv” bei der WTO einzubringen, würden sich die USA aber auf bilaterale Abkommen konzentrieren. Das sei nichts, was den regelbasierten Handel unterstütze, so Azevedo.

Afrika mit am Tisch

Bei dem Treffen im Kanzleramt, das turnusmäßig einmal im Jahr stattfindet, war diesmal auch der Chef der Afrikanischen Entwicklungsbank, Akinwumi Adesina, dabei. Er nahm Stellung zur Initiative “Compact with Africa” zur Förderung privater Investitionen, die 2017 von der deutschen G20-Präsidentschaft initiiert wurde. Die Initiative basiert auf einer engen Zusammenarbeit zwischen afrikanischen Regierungen und allen interessierten Entwicklungspartnern.

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Konzerne als Retter?

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Konzerne als Retter?

“Uns eint das gemeinsame Ziel, afrikanischen Ländern dabei zu helfen, sich in das multilaterale Handelssystem zu integrieren und davon zu profitieren”, hieß es in der anschließenden gemeinsamen Erklärung. Afrikas Sicherheit, Stabilität und nachhaltige Entwicklung hätten nach wie vor hohe Priorität. Adesina berichtete in der Runde auch über das “Africa Investment Forum”, eine neue Investitionsplattform zur Bündelung von Ressourcen multilateraler Entwicklungsbanken und internationaler Finanzinstitutionen, die über Risikoverringerung zu mehr Investitionen von globalen Pensionsfonds, staatlichen Investitionsfonds, Versicherungsfonds und privaten Investitionsfonds in Afrika beitragen soll.