Fototermin oder Jahrhundertgipfel?

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Die Erwartungen an das Treffen Kim – Trump gehen auseinander. Aber jüngste diplomatische Anzeichen deuten darauf hin, dass der erste nordkoreanisch-amerikanische Gipfel ein Erfolg wird – zumindest ein kurzfristiger.

Als Kim Jong Un am Sonntag um 14:45 am Flughafen Singapur seiner Air China-Maschine entspringt, wird er euphorisch von Außenminister Vivian Balakrishnan mit einem Handschlag begrüßt. Der 34-jährige Diktator trägt einen dunklen Mao-Anzug, braune Hornbrille und seine gewohnt markante Hipsterfrisur. Vor allem aber ist ihm ein breites Grinsen ins Gesicht geschrieben. Allein dass es schließlich zum Gipfel mit US-Präsident Donald Trump kommt, ist, bereits ein lang gehegter Traum für Kim. Schon sein Großvater, Nordkoreas Staatsgründer Kim Il Sung, zielte darauf ab, einst auf Augenhöhe mit Washington zu verhandeln.

Auch Trump landet gut gelaunt im südasiatischen Inselstaat: “Großartig in Singapur zu sein! Die Luft ist mit Spannung gefüllt”, twitterte er noch im Flughafengebäude. Auf die Reporter-Frage, wie er sich fühle, entgegnete er mit “sehr gut!”. Die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap vermeldete darauf: “Die Erwartungen auf erfolgreiche Resultate steigen.”

Kim wird von Singapurs Außenminister Vivian Balakrishnan begrüßt

Moon: Gipfel als “Jahrhunderttreffen”

Diese scheint auch Südkoreas Präsident zu hegen. Moon Jae In bezeichnete das Gipfel am Montag als “Jahrhunderttreffen”: “Ich erwarte, dass es ein historischer Meilenstein auf dem Weg Richtung Frieden wird”. Moon hoffe zudem, dass sowohl bei der Denuklearisierung als auch bei der offiziellen Beendigung des Koreakriegs eine “bedeutsame Einigung” erzielt werden kann. Die Abrüstung Nordkoreas sei jedoch ein “jahrelanger Prozess”, für das das Gipfeltreffen nur ein Auftakt darstellen könne.

Am Dienstagmorgen treffen die zwei Staatschefs im Capella-Hotel aufeinander. Vielleicht ist es kein Zufall, dass direkt neben dem Tagungsort ein Vergnügungspark mit einer atemberaubenden Achterbahn aufgebaut ist – eine passendere Metapher für den Zickzackkurs im Vorfeld des Gipfels gibt es wohl kaum. Auch Trumps G-7-Debakel in Kanada dürfte nicht unbedingt die Vertrauenswürdigkeit des US-Präsidenten erhöhen, schließlich hatte dieser nur wenige Wochen zuvor den Iran-Deal ohne jegliche Grundlage platzen lassen. Laut Washingtons führendem Wirtschaftsberater Larry Kudlow hat Trump seine Zustimmung zur G-7 Abschlusserklärung vor allem zurückgezogen, um im Vorfeld des Nordkorea-Gipfels keine Schwäche zu zeigen.

Mehr Entspannung geht nicht – aber hält sie auch nach dem Treffen Kim – Trump an?

Kim und Trump könn(t)en miteinander

Trotz aller Animositäten scheint es fast, als würde der US-Präsident zwar seine traditionellen Alliierten diplomatisch abkanzeln, mit Kim Jong Un jedoch auf einer Wellenlänge liegen. Der langjährige Seoul-Korrespondent Sebastian Faletti, der erst vor kurzem ein Buchporträt über Kim publiziert hat, sieht dies unter anderem in einer biografischen Parallele begründet: Beide waren Zweitgeborene, beide ursprünglich nicht für die Erbnachfolge vorgesehen. Beide mussten sich in einem harten Geschäft behaupten – Trump als Immobilienunternehmer in New York, Kim innerhalb der alten Parteiriege in Pjöngjang.

Dass ein historischer Deal mit dem Schurkenstaat Nordkorea auch sein überdimensionales Ego reizen würde, wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach deutlich. Auch Nordkoreas Kim hat ein starkes Interesse daran, dass beide Seiten ihr Gesicht wahren. Sollte es nämlich zum Eklat kommen, würde Washington ohne Zweifel wieder in die kriegerische Rhetorik vom letzten Jahr zurückfallen.

Dass Kim aus einem anderen Holz geschnitzt ist als seine Vorgänger, hat er bereits bewiesen. Gegenüber seiner Elite gilt er zwar als äußerst brutal, schließlich ließ er in der gründlichsten Säuberungswelle seit den 60er Jahren sowohl seinen Onkel Jang Seong Thaek sowie Halbbruder Kim Jong Nam hinrichten. Andererseits jedoch hat er das Land wirtschaftlich in Ansätzen geöffnet, die marktwirtschaftlichen Entwicklungen innerhalb des Volkes zunächst toleriert und schlussendlich gefördert. Unter seiner Ägide soll sich die Anzahl an politischen Häftlingen zudem auf rund 100.000 halbiert haben.

Wollte Trump sich mit seinem Eklat beim G7-Treffen für das Treffen mit Kim fit machen?

Mehr als Fototermin?

Vor allem in der Öffentlichkeit gibt sich der Despot handzahm: Beim ersten innerkoreanischen Gipfeltreffen mit Südkoreas Präsident Moon Jae In am 27. April hat er mit seiner humorvollen Art die Wahrnehmung über das Regime quasi im Handumdrehen geändert.

Dennoch ist klar, dass es bei einem der gefährlichsten Konflikte weltweit nicht auf symbolische PR-Gesten ankommt. Kritiker bezweifeln schon jetzt, dass das Gipfel in Singapur mehr als nur ein bloßer Fototermin sein wird: Kim Jong Uns Flugzeug soll laut der Nachrichtenagentur Reuters bereits fünf Stunden nach dem anberaumten Handschlag mit Trump wieder nach Pjöngjang abfliegen.