Kolumbien: Wasserkraftwerk droht Dammbruch

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Das größte Wasserkraftwerk Kolumbiens könnte dem Land zu Verhängnis werden. Sechs Monate vor der Einweihung droht eine Überschwemmung. Und es wird klar: Umweltschonend ist dieses Projekt nicht.

Kurz vor der Fertigstellung des Wasserkraftwerks Hidroituango ist im Norden Kolumbiens die höchste Alarmstufe ausgerufen worden.

Der Stausees des noch im Bau befindlichen Kraftwerks wurde viel zu früh geflutet, weil starke Regenfälle mit Erdrutschen und Überschwemmungen die eigentlich für solche Fälle vorgesehenen Umleitungstunnel verstopft hatten.

Nun drücken die steigenden Wassermassen unaufhaltsam auf den Staudamm im Fluss Cauca.

Jorge Londono de la Cuesta, Geschäftsführer des staatlichen Unternehmens Empresas Públicas de Medellín (EPM), räumte vergangenen Woche nun auch die Möglichkeit eines Dammbruches ein. Von der sich anbahnenden Katastrophe wären 120.000 Menschen betroffen, über 25.000 Menschen wurden bis Dienstag früh evakuiert. 

25.000 Menschen mussten bereits ihre Häuser verlassen

Keine Naturkatastrophe

“Die Katastrophe am Staudamm Hidroituango ist  menschengemacht und auf Unverantwortlichkeiten von Seiten der kolumbianischen Regierung und des Unternehmens EPM zurückzuführen” kommentiert Susane Breuer die Lage. Sie ist Referentin für Lateinamerika und Energie des deutschen Hilfswerks Misereor.

Am 28. April war der wichtigste Umleitungstunnel des Flusses Cauca ausgefallen. Erdrutsche, herumtreibende Bäume, Äste und Geröll hatten ihn verstopft. Einen anderen hatten Arbeiter Anfang des Jahres mit Beton abgedichtet. Ohne Möglichkeit zu entkommen, stieg das Wasser des gestauten Flusses Cauca sieben Tage im Staubecken unkontrolliert an.

“Die Panne hatte mit einem geologischen Riss zu tun, der unkalkulierbar war ” begründete der Geschäftsführer von EPM  bei einer Pressekonferenz am 17. Mai die Abdichtung.

Nachdem alle Abflüsse ausgefallen waren, fluteten die Ingenieure den Raum, wo sich die Turbinen für die Energiegewinnung befinden. Doch seit zwei Tagen ist auch dieser Weg verstopft.

Diese Aktion allein verursachte einen Schaden von 120 Millionen Dollar für das staatliche Unternehmen, das seit zehn Jahren, 170 Kilometer von Medellín entfernt, an Kolumbiens größtem Wasserkraftwerk baut. Es hätte ab dem nächsten Jahr 17 Prozent des kolumbianischen Energiebedarfs decken sollen.

Ausgegrenzt

Für die Bevölkerung der Region hatte sich eine solche Situation längst abgezeichnet. “Das Movimiento Río Vivos Antioquia hat schon seit vielen Jahren auf die mit dem Staudammbau verbundenen Risiken – sowohl ökologischer als auch sozialer und menschenrechtlicher Art hingewiesen” schreibt Misereor in einer Erklärung. “Die aktuellen Ereignisse zeigen nun, dass die Bewegung Recht hatte und die negativen Folgen sogar noch die Befürchtungen übertreffen.”

Die Sozialbewegung Río Vivos Antioquia vertritt die Interessen der zwölf Gemeinden, die von dem Projekt direkt betroffen sind und der Menschen, die am Ufer des zweitgrößten Flusses Kolumbiens leben.

“EPM hat bei den technischen Studien gelogen und die Situation der Menschen nicht verstanden, die flussabwärts und -aufwärts vom Hidroituango leben” sagt Isabel Zuleta, Sprecherin der Bewegung, in einem Video, auf Twitter. 

“Mehrmals baten wir um klare Ansagen. Das Unternehmen entscheidet eigenmächtig und hat uns über die Lage nicht informiert” sagt Zuleta an dem Tag, als das Wasser über den Damm zu fließen begann.

Hinter ihr sind etwa 100 Menschen zu sehen, die vor den Überschwemmungen in der Ortschaft Sabanalarga geflohen sind. Im Hintergrund hört man die Wassermassen des Flusses rauschen, wie an einem rauen Tag am Meer.

Weggespülte Gewissheit

Nach einer Europa Reise von Zuleta, schrieben Mitte April mehrere Abgeordnete des Europaparlaments einen Brief an den kolumbianischen Präsidenten und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos mit der Bitte, die geplante Überflutung des Stausees im Juli aufzuschieben. Denn in dem Gebiet, wo der Stausee nun entstanden ist, wurden im Rahmen des kolumbianischen bewaffneten Konfliktes 73 Massaker verübt.

Schätzungen gehen von 650 bis 870 Menschen aus, die bis heute als verschollen gelten. Die Liste von Gräueltaten, welche die AUC, die Guerillas, aber auch die kolumbianischen Armee zu verantworten hat, ist in dieser bergigen Region im Norden Kolumbiens lang. Wegen der Massaker in El Aro, im Munizip Ituango, läuft zurzeit ein Prozess gegen Ex-Präsident Alvaro Uribe Velez, ehemaliger Gouverneur von Antioquia (1995-1997). Allein in Munizip Ituango rechnet man mit 287 Verschwundenen.

Leichen hat die Bevölkerung der Region im Gebiet des Stausees selbst begraben – oft auch nur einzelne gefundene Körperteile. Viele der verschwundenen Menschen liegen wahrscheinlich noch dort. Die kolumbianische Staatsanwaltschaft hat bis dato 157 Leichen ausgegraben, doch nun ist das Gebiet in vielen Teilen überflutet und die Suche nach Leichen nahezu unmöglich.

Aktivisten des Movimiento Rios Vivos und anderer Umweltschutzorganisationen werden immer wieder bedroht.

Willkürliche Gewalt

Bei dem Megaprojekt geht es jedoch nicht um die Aufklärung des bewaffneten Konflikts, der diese Region in den 2000er Jahren besonders hart und blutig traf. Zivilgesellschaftliche Organisationen, sowie auch Río Vivos, sind weiterhin Gewalt ausgesetzt.

Innerhalb einer Woche, am 3. und 8. Mai wurden Hugo Albeiro George Pérez (42) und Luis Alberto Torre Motoya (35), Mitglieder der sozialen Bewegung erschossen. Vermutlich von Auftragsmördern, denn es ist weder klar, wer es war, noch warum.

Eindeutig ist, dass die Arbeit von Menschenrechts-, und Umweltaktivisten in Lateinamerika wieder immer gefährlicher wird. Allein in diesem Jahr wurden 87 Mitglieder von sozialen Bewegungen in Kolumbien ermordet.

Aus Deutschland mitfinanziert

Kolumbiens Vorzeigeprojekt wird aus dem Ausland, unter anderem von der interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) und der deutschen KfW-IPEX Bank, finanziert. Mit 100 Millionen Dollar beteiligt sich letztere an einem Darlehen, das EPM zur Verfügung gestellt wurde.

“Auf Nachfrage verweist die KfW IPEX darauf, dass sie sich an alle Umwelt- und Sozialstandards bei der Prüfung des Projektes, sowie an die Äquator-Prinzipien [ein freiwilliges Regelwerk von Entwicklungsbanken], gehalten habe und im Austausch mit dem Hauptfinanzier IDB stünde”, meint Susane Breuer von Misereor. “Dies reicht aus unserer Sicht jedoch nicht aus, da die Mängel bei der Einhaltung von Umwelt-, Sozial- und menschenrechtlichen Standards jetzt zu dieser Katastrophe geführt haben”.

Diese Brücke über den Fluss Cauca wurde seit der Aufnahme weggespült.

Folgen für die Umwelt

Eine Gerölllawine durch den Bruch des Dammes wäre eine verheerende Katastrophe. Die Zahl der Opfer, sowie der Schaden, wären kaum zu überblicken. Schon in den letzten drei Wochen verloren viele ihre Existenzgrundlage.

In Kolumbien werden 60 Prozent der Energie durch Wasserkraft erzeugt. Das klingt fortschrittlich, doch kritisieren kolumbianische und deutsche Nicht-Regierungs-Organisationen die Wahrnehmung, dass Wasserkraftwerke umweltschonend seien.

Für den Bau des Wasserkraftwerks wurden über 3.000 Hektar tropischer Trockenwald abgeholzt, ein weltweit bedrohtes Habitat. “Wasserkraftwerke unterbinden den Transport von Sedimenten in den Flüssen, zudem reduzieren sie die Fließgeschwindigkeit des Wassers, was dazu führt, dass in ihnen mehr Faulgase wie Methan oder Lachgas entstehen”, sagt Thilo Papacek von der Umweltschutzorganisation GegenStrömung. “Diese sind Treibhausgase, die um ein vielfaches wirksamer sind, als Kohlendioxid.”

Dazu kommt, dass Megaprojekte wie Staudämme häufig massive Korruption mit sich bringen, meint er. Auch in diesem Fall ist es wohl so: Die kolumbianische Generalstaatsanwaltschaft ermittelt zum Beispiel wegen Korruptionsvorwürfen bei der Vertragsvergabe gegen das Unternehmen.


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    Lachse sind das bekannteste Beispiel: Viele Kilometer wandern sie die Flüsse hinauf, um dort zu laichen. Auch Aale begeben sich für ihre Fortpflanzung auf einen weite Reise. Aber diese Fische sind lange nicht die einzigen. Tatsächlich wandern sehr viele Arten die Flüsse entlang, bergauf, bergauf – und wenn es nur ist, um Nahrung zu finden.


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    Die Lösung: Fischtreppen. Sie bieten den Fischen einen alternativen Weg, vorbei an dem menschengemachten Hindernis. Oft sind das gar keine aufwändigen Bauten, sondern so kleine Bäche wie dieser hier. Dem Mensch fällt dieser unscheinbare Wasserweg möglicherweise nicht mal auf – für die Fische ist er die Rettung.


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    Eine solche Wendeltreppe für Fische steht an den Wasserkraftwerken in Schwentinental nahe Kiel. Drei Prozent Steigung, 200 Meter lang, 36 Becken. Mit vollen Namen heißt diese Bauart Helix-Turmfischpass.


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    Eine Extrawurst

    Aale haben spezielle Bedürfnisse an ihre Treppe. Für sie gibt es Aalleitern: Rinnen oder Röhren mit eingebauten Querleisten. Sie bremsen die Strömung ab, damit die Aale dagegen anschwimmen können. Denn Aale schwimmen nicht frei im Wasser, sondern schlingern sich über den Boden stromaufwärts.


  • Allez hopp! Aufstiegshilfen für Fische

    Noch höher hinaus

    Wenn es zehn Meter oder mehr Höhenunterschied zu überwinden gibt, hilft ein Fischlift. Die Fische schwimmen in einen Behälter, der sich in einem wassergefüllten Schacht mit Wasserkraft hoch und runter bewegt. Vor allem, wenn es an einem Hindernis nur wenig Platz gibt, sind Fischlifte eine Lösung. Im Bild ist der Fischlift rechts zu sehen.

    Autorin/Autor: Brigitte Osterath