EU-Blockade gegen US-Sanktionen – wie wirksam?

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Die von der EU geplanten Gegenmaßnahmen zum Schutz europäischer Unternehmen vor Iran-Sanktionen der USA haben nur beschränkte Wirkung, wie die Expertin für Außenhandelsrecht Anahita Thoms erläutert.

Deutsche Welle: Die EU will sich mit den einseitig von den USA verhängten Iran-Sanktionen, die auch europäische Unternehmen treffen können, nicht einfach abfinden. Als Gegenwehr wird unter anderem das Blockade-Statut der EU reaktiviert. Es sieht sowohl das Verbot vor, US-Sanktionen Folge zu leisten, als auch juristischen Schutz für betroffene Unternehmen. Was hat es damit auf sich?

Es handelt sich um eine EU-Verordnung, die unmittelbar in allen Mitgliedstaaten gilt. Es gibt dieses sogenannte Blockade-Statut schon seit 1996. Es dient zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung der im Anhang dieser Verordnung explizit aufgeführten US-Gesetze. Sie umfasste ursprünglich im Jahre 1996 die US-Sanktionen gegen Kuba, aber auch die gegen den Iran und Libyen. Vor allem die US-Gesetze in Bezug auf den Iran sind über die Jahre so immens verändert worden, dass sie eigentlich von dem jetzt gültigen Blockade-Statut nicht mehr erfasst werden. Diese im Anhang aufgeführten Gesetze müsste man jetzt anpassen, um sicherzustellen, dass dieses Blockade-Statut tatsächlich immer noch Anwendung findet, was aber kein Problem wäre.

Was ist die bisherige Erfahrung mit dem Blockade-Statut?

Es wird in den Mitgliedsstaaten kaum umgesetzt. Es ist zwar eine Verordnung, die in den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden muss, sie ist auch in Deutschland bußgeldbewehrt, aber de facto ist das kein prominentes Gesetz, und deswegen kennt es auch kaum jemand, weil es nicht durchgesetzt wird.

Expertin Anahita Thoms befürchtet Unsicherheit für Unternehmen durch die geplante EU-Maßnahme, sieht darin aber auch eine nötige Antwort der EU

Wie relevant ist es in der heutigen Lage im Vergleich zu 1996 und danach?

Heutzutage muss man sagen: Aufgrund der Komplexität der Finanzströme und dadurch, dass die Amerikaner überall involviert sind, ist es ein Instrument, das es in der Anwendung nicht unbedingt einfacher hat gegenüber früher, eher im Gegenteil. Trotzdem könnte es als eine Maßnahme neben anderen hilfreich sein, um sich gegen die US-Sanktionen zu schützen.

Da würde ich aber bei den Unternehmen, die ich berate, differenzieren. Für große Unternehmen mit bedeutender Geschäftstätigkeit in den USA, oder solche mit einer Tochtergesellschaft dort, ist das keine Lösung. Wenn man die Entscheidungen treffen muss: Halte ich mich an die US-Sanktionen oder verstoße ich gegen das Blockade-Statut, dann wird die im Zweifel immer dahingehend getroffen, dass man sich für das US-Geschäft entscheidet und gegen das Iran-Geschäft. Wenn Sie sich die Volumina anschauen, ist die Entscheidung relativ schnell gefällt.

Im Zusammenhang mit dem Blockade-Statut ist auch die Rede von Entschädigungen für betroffene EU-Unternehmen, die von US-Sanktionen in Mitleidenschaft gezogen werden. Wie realistisch ist das?

Man muss hier unterscheiden zwischen dem, was das Blockade-Statut überhaupt leisten kann, und den tatsächlichen Sorgen der Unternehmen. Das Blockade-Statut oder die “Blocking Regulation” verbietet Unternehmen aus der EU, sich an die US-Sanktionen gegen den Iran zu halten. Für den Fall, dass sie durch die Sanktionen Schaden erleiden, wird ihnen die Möglichkeit eingeräumt, Entschädigung von der verursachenden Person zu verlangen, wie es heißt. Ergänzend sieht das Statut vor, dass Urteile ausländischer Gerichte, die zur Durchsetzung der US-Sanktionen verhängt werden, in der EU nicht anerkannt werden. Das sind grundsätzlich zwei wichtige und gute Punkte.

Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass, wenn die US-Behörden sagen: “Liebes deutsches Unternehmen, du verstößt hier gegen US-Sanktionsrecht. Ich werde dich auf unsere Sanktionsliste nehmen oder ich schließe dich vom US-Markt aus”, dass dann die EU Blocking Regulation kein bisschen hilft. Und deswegen werden die Unternehmen, die weiterhin im USA-Geschäft bleiben wollen, sich aus dem Iran fernhalten.

Großkonzerne wie die französische Total werden im Zweifelsfall auf das Iran-Geschäft verzichten

Was ist mit kleineren Unternehmen, denen das US-Geschäft vielleicht egal ist, die aber im Iran gerne weiter tätig sein wollen?

Für die kann das eine Hilfe sein, vor allem in Kombination mit der Idee, dass die Europäische Investitionsbank im Iran tätig werden soll. Das soll gerade kleinere und mittlere Unternehmen zugute kommen. Dann kann das Ganze schon einen positiven Effekt haben. Trotzdem bleibt die Zwickmühle bestehen: Verstößt das Unternehmen gegen die von den USA verhängten Sanktionen, drohen Strafen seitens der Amerikaner. Entscheidet es sich aber, die Zelte abzubrechen, ohne sich rechtlich abgesichert zu haben, droht die Gefahr, dass es vom iranischen Vertragspartner verklagt wird. Und jetzt kommt das EU-Statut noch dazu und sagt, dass man sich nicht aus dem iranischen Markt zurückziehen darf. Und das ist dann wiederum bußgeldbewehrt. Also für viele Unternehmen bedeutet das schon eine große Unsicherheit.

Greift das EU-Statut in die unternehmerische Freiheit ein?

Es werden natürlich die Umstände berücksichtigt. Es ist etwas anderes, wenn ein Unternehmen sich aus Profitabilitätsgründen oder dergleichen entscheidet, nicht im Iran aktiv zu sein. Dagegen tun das EU-Blockade-Statut und das deutsche Pendant nichts. Aber in dem Augenblick, wo die Umstände glasklar darauf hinweisen, dass man aus einem Vertrag raus will, nachdem Trump seine Rede gehalten hat, und es Schriftverkehr dazu gibt, dann darf man sich als Unternehmer schon Sorgen machen.

Ist die Drohung mit dem Blockade-Statut in Richtung USA also doch nur Symbolpolitik?

Es ist primär natürlich Symbolpolitik, aber es nicht nur Symbolpolitik, das möchte ich ganz klar betonen. Die EU kann diese extraterritorialen Gesetzgebungen nicht einfach so hinnehmen. Man muss da irgendetwas tun. Und dass unsere Unternehmen sicher sein können, dass die Urteile ausländischer Gerichte zur Durchsetzung der US-Sanktionen nicht in der EU anerkannt sind, das ist eine wichtige Sache.

Anahita Thoms ist Partnerin bei der Kanzlei Baker McKenzie zu Außenwirtschaftsrecht