Nigeria: Der Kampf ums eigene Geld

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Seit einiger Zeit bemüht sich Nigeria verstärkt um die Rückführung von veruntreutem Staatsvermögen aus dem Ausland. Jüngst konnte die Regierung einige Erfolge verzeichnen – doch sie führt einen Kampf gegen Windmühlen.

Er wolle der Korruption in seinem Land den Garaus machen, erklärte der nigerianische Präsident Muhammadu Buhari bei seinem Amtsantritt 2015. Experten bescheinigen seiner Regierung bisher allerdings eher gemischte Erfolge. Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International ist Nigeria seit 2015 sogar weiter abgerutscht, von Platz 136 auf Platz 148 von 180 untersuchten Ländern.

Doch auf einem Gebiet macht Buhari tatsächlich Dampf: bei der Rückholung veruntreuter und gestohlener Gelder aus dem In- und Ausland. Erst im April gelang der Regierung ein spektakulärer Coup, als der Empfang von 322,51 Millionen US-Dollar aus der Schweiz bekannt gegeben wurde.

Das Geld stammt aus dem sogenannten “Abacha-Raub”, benannt nach dem ehemaligen nigerianischen Militärdiktator Sani Abacha. Während seiner Regierungszeit in den 1990er Jahren hatten Abacha und Mitglieder seiner Familie bis zu zwei Milliarden US-Dollar aus der Staatskasse entwendet und auf Konten im Ausland geschafft. Jahrelange Verhandlungen, Gerichtsprozesse in beiden Ländern und die Vermittlungsarbeit der Weltbank waren nötig, bis die Schweiz die veruntreuten Gelder freigab.

Komplizierte Rückführung

Auch eine zweite internationale Rückholaktion soll kurz vor dem Durchbruch stehen. Anfang Mai besuchte Präsident Buhari seinen Amtskollegen Donald Trump in Washington D.C. Bei den Gesprächen einigten sich die beiden unter anderem auf einen Plan für die Rückführung von rund 500 Millionen US-Dollar an gestohlenem Staatsvermögen. Wann und wie das Geld nach Nigeria kommen soll, ist allerdings noch offen.

Militärdiktator Sani Abacha und seine Familie sollen Staatsvermögen in Milliardenhöhe veruntreut haben

Warum dauert die Rückführung veruntreuter Vermögenswerte aus dem Ausland so lange, im Falle der Abacha-Gelder aus der Schweiz sogar fast zwei Jahrzehnte? Einer, der es wissen muss, ist Jean-Pierre Brun. Der Finanz- und Rechtsexperte arbeitet für die Initiative zur Rückführung gestohlener Vermögenswerte (StAR), eine gemeinsame Organisation der Weltbank und der UN. Brun unterstützt Regierungen dabei, veruntreute Gelder aus dem Ausland zurück zu holen. Die meisten seiner Fälle seien schon per Definition sehr komplex, sagt er.

“Wenn jemand Vermögenswerte in meinem Land besitzt, kann ich als Regierung oder Justiz dieser Person nicht einfach auf Basis von Behauptungen dieses Vermögen wegnehmen.” Brun zufolge müssten mindestens drei Voraussetzungen erfüllt sein, damit veruntreutes oder gestohlenes Geld in die Staatskasse des geschädigten Lands zurückgeführt werden kann.

Große rechtliche Hürden

Erstens müssen die gestohlenen Vermögenswerte identifiziert und gefunden werden. Da sich Betrüger in der Regel alle Mühe gäben, ihre illegalen Einkünfte gut zu verstecken, könne allein das manchmal Monate oder Jahre dauern, sagt der Experte. Im zweiten Schritt müssen dann die Gerichte im geschädigten Land entscheiden, dass eine Straftat wie Bestechung oder Veruntreuung tatsächlich vorliegt und das Geld deshalb beschlagnahmt werden darf. Dabei seien langwierige Prozesse über mehrere Instanzen nicht ausgeschlossen, so Brun.

Die Weltbank – hier die Zentrale in Washington – unterstützt Staaten bei der Rückführung veruntreuter Vermögenswerte

Drittens muss der entsprechende Gerichtsbeschluss dann noch in dem Land durchgesetzt werden, wo sich das veruntreute Vermögen befindet. Unterschiede im Rechtssystem, Sprachbarrieren und fehlende rechtliche Expertise würden hier zu zusätzlichen Problemen führen. “So kann man dann in einem Verfahren landen, das acht, neun oder zehn Jahre lang Bemühungen erfordert”, sagt der Weltbank-Experte.

Dass die nigerianische Regierung trotzdem Erfolge verzeichnen kann, zeigt, wie wichtig Präsident Buhari die Rückholung veruntreuter Gelder offenbar ist. Eigenen Angaben zufolge hat die Regierung zwischen Mai 2015 und Oktober 2017 bereits veruntreutes Vermögen im Wert 2,9 Milliarden US-Dollar eingesammelt, den größten Teil davon allerdings im eigenen Land.

Experten beklagen mangelnde Transparenz

Die Auswirkungen dieser Bemühungen seien mittlerweile auch im nigerianischen Alltag sichtbar, sagt Vaclav Prusa. Der Anti-Korruptions-Experte arbeitet bei CISLAC, dem nigerianischen Ableger von Transparency International. “Wenn man durch Abuja oder andere nigerianische Städte geht, sieht man überall Gebäude, die als beschlagnahmt gekennzeichnet sind.” Doch es sei schwierig, von außen zu überprüfen, wie viel Vermögen die Regierung tatsächlich schon rückgeführt habe.

“Die Regierung weiß, dass die Öffentlichkeit die Rückgewinnung von veruntreuten Geldern fordert und prahlt deshalb mit ihren Erfolgen”, sagt Prusa im DW-Gespräch. Andererseits habe sie es aber bislang nicht geschafft, die Nigerianer davon zu überzeugen, dass die zurückgeholten Gelder auch den normalen Bürgern zugute kommen.

Nigerias Präsident Muhammadu Buhari versprach schon im Wahlkampf, die Korruption zu bekämpfen

Zwar betonen Regierungsmitglieder immer wieder, dass die Gelder für Infrastrukturprojekte und Entwicklungsprogramme verwendet würden. Die Richtigkeit dieser Angaben könne man jedoch nur sehr schwer überprüfen, sagt Abubakar Umar von der Universität Abuja. “Wir sind darauf angewiesen was die Regierung uns erzählt”, so der Politikwissenschaftler. “Und sie erzählt eine ganze Menge.”

Zunehmende internationale Abstimmung

Wie ein Ansatz für mehr Transparenz aussehen kann, zeigt der jüngste Rückführungsdeal mit der Schweiz. Statt in den nigerianischen Haushalt, fließen die 322,51 Millionen US-Dollar direkt in das sogenannte Conditional-Cash-Transfer-Programm. Das Programm, eine gemeinsame Initiative der Weltbank und der nigerianischen Regierung, soll die Armut in Nigeria bekämpfen.

Für viele afrikanische Regierungen ist die Rückholung von veruntreuten Geldern ein Kampf gegen Windmühlen. Nach Angaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gehen afrikanischen Ländern jedes Jahr mehr als 50 Milliarden US-Dollar durch illegale Finanzströme wie Veruntreuung, Korruption und Steuerflucht verloren – weit mehr, als deren Regierungen trotz großer Bemühungen jährlich zurückholen können. 

Dennoch haben Nigerias jüngste Anstrengungen zumindest dazu geführt, dass das Thema auf der internationalen Agenda nach oben gerückt ist. Diese Woche trafen sich die Chefs der afrikanischen Anti-Korruptions-Behörden in Abuja, um über eine bessere Abstimmung bei der Rückführung illegaler Vermögenswerte zu beraten. Und auch die Bundesregierung sieht Handlungsbedarf: Im März startete das BMZ einen afrikanisch-europäischen Dialog zur Rückführung veruntreuten Vermögens.