Erdogans umstrittene Wahl-Show in Bosnien

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Vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am 24. Juni nutzt Erdogan jede Gelegenheit, um Wähler für sich zu gewinnen. Auch im Ausland: Am Sonntag spricht er in Sarajevo vor Tausenden Türken, die in Europa leben.

Es wird Erdogans einziger Wahlkampfauftritt in Europa sein: Bei der Generalversammlung der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo werden am Sonntag rund 20.000 Türken erwartet. Der Vorsitzende des Vereins, Zafer Sarıkaya, bezeichnet seine UETD als eine zivilgesellschaftliche Organisation, deren Mitglieder in über 17 Ländern leben. Dazu gehören neben Deutschland unter anderem Frankreich, Großbritannien und die Niederlande. Wegen ihrer Nähe zu Erdogans AKP wird die Organisation als verlängerter Arm der türkischen Regierungspartei in Europa angesehen.  

Mit dem Fernbus nach Sarajevo 

Zafer Sarıkaya rechnet mit einem regelrechten Ansturm der Türken am 20. Mai: “In Europa leben rund 5,5 Millionen Türken. Wenn Sie sich diese Zahl vor Augen halten, können Sie sich vorstellen, wie voll der Saal sein wird. Ich gehe davon aus, dass viele von ihnen draußen bleiben müssen, weil es keinen Platz im Saal geben wird.”

AKP-Anhänger in Istanbul: Erdogan bezeichnet die Wahlen am 24. Juni als “Zeitenwende”

Die “europäischen Türken”, wie Sarıkaya die in Europa lebenden Türken bezeichnet, werden mit ihren lokalen Vereinen nach Bosnien gefahren. Die Reise mit Fernbussen sei bereits organisiert. Wie viele Menschen aus welchen Ländern anreisen werden, will er nicht verraten. Auf die Frage der DW, ob Erdogans Rede vor den “europäischen Türken” ein Wahlkampfauftritt sei, antwortet er: “Das würde ich nicht so bezeichnen.” 

Türkische Wähler in Deutschland entscheidend 

Insbesondere die in Deutschland lebenden Türken sind Erdogan wichtig: rund 1,4 Millionen sind stimmberechtigt. Es ist eine beachtliche Zahl – vor allem, weil bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen jeder Einzelne einen gewaltigen Unterschied machen kann: Schon 50 Prozent der Stimmen plus eine einzige weitere Stimme könnten Erdogan eine weitere Amtszeit sichern.  

Von besonderer Bedeutung für den türkischen Präsidenten waren die Türken in Deutschland auch beim Verfassungsreferendum im April 2017. Damals stimmten 63 Prozent der wahlberechtigten Türken für die geplanten Verfassungsänderungen – also im Sinne von Erdogan. Insofern sei es völlig verständlich, um die Stimmen der vielen Türken in der Bundesrepublik zu werben, sagt Gökay Sofuoglu, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Nicht nur Erdogan habe das versucht, sondern auch die übrigen Parteien.

Auftrittsverbot für türkische Politiker in Deutschland vor den Wahlen      

Kurz vor dem Referendum im April 2017 erreichten die Spannungen zwischen der Türkei und anderen europäischen Ländern, allen voran Deutschland, einen neuen Höhepunkt. Auftritte türkischer Politiker wurden von den lokalen Behörden untersagt. Das verärgerte sowohl die türkischen Politiker als auch ihre Anhänger in Deutschland.   

Das Foto von Erdogan mit den Fußballspielern Özil und Gündogan sorgte für Aufregung

Die Debatte fand schließlich ein Ende, als die Bundesregierung generell allen ausländischen Politikern Wahlkampfauftritte in Deutschland drei Monate vor Wahlen verbot.

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Der Vorsitzende der UETD, Zafer Sarıkaya, kritisiert diese Entscheidung: Sie richte sich nur gegen türkische Politiker. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, ist anderer Meinung. Er kenne AKP-Abgeordnete, die an politischen Veranstaltungen in Deutschland teilnehmen würden. Das Verbot richte sich vermutlich gegen größere Veranstaltungen mit führenden Politikern.

Aufregung wegen des Treffens mit Özil  

Trotz des Verbots von Wahlkampfauftritten in Deutschland gelingt es Recep Tayyip Erdogan, von sich reden zu machen. Zuletzt schaffte er das mit einem einzigen Foto, auf dem er mit den deutschen Fußball-Nationalspielern Mesut Özil und Ilkay Gündogan zu sehen ist. Das Treffen dieser drei Männer in London während eines Staatsbesuchs des türkischen Präsidenten erhitzte die Gemüter in Deutschland – auch unter Politikern. 

Doch wie finden diejenigen das Foto, die es angeblich ansprechen soll? Innerhalb der deutsch-türkischen Gemeinde in Deutschland scheiden sich die Geister. Der Vorsitzende der UETD, Zafer Sarıkaya, kann die Aufregung nicht nachvollziehen. “Erdogan ist ein demokratisch legitimierter Präsident und das Foto wird in den Medien so einseitig dargestellt, als wäre es etwas Negatives”, kritisiert er. 

Gökay Sofuoglu sagt nüchtern: “Es wäre besser gewesen, wenn Fußballer mit einer gewissen Vorbildfunktion Erdogan so kurz vor den anstehenden Wahlen nicht getroffen hätten.” Die Medien sollten das aber auch nicht übertreiben. Denn Sofuoglu ist sich sicher, dass jede Kritik seitens deutscher Medien Wasser auf Erdogans Mühlen ist.

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