Vietnams leise Kaffee-Revolution

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Die indigenen K’Ho wollen den Ruf Vietnams als Kaffeeproduzent verbessern, indem sie hochwertigere Biobohnen anbauen. Der zweitgrößte Kaffeeproduzent der Welt kann mehr als löslichen Kaffee, sagen sie.

Rolan Co Lieng kommt aus einer langen Reihe von Kaffeebauern und sagt, sie möchte den Ruf des vietnamesischen Kaffees verbessern

Rolan Co Lieng schlendert durch ein Gewächshaus und kontrolliert die gelben und karamellbraunen Kaffeebohnen, die seit Monaten auf Netzen trocknen. Sie nimmt ein paar in die Hand und riecht daran. Sie werden bald geschält, geröstet und dann in Vietnam, Japan und Deutschland verkauft.

Lieng gehört zur indigenen Minderheit der K’Ho und stammt aus einer Familie von Kleinbauern, die seit Generationen Kaffee anbaut. Die K’Ho leben seit Jahrhunderten am Fuß des Lang Biang Bergs auf dem Da Lat Plateau in Südvietnam. Ihr Eltern bauten Kaffee an, ebenso wie ihre Großeltern. Die bekamen in den frühen 1920er Jahren von französischen Reisenden die Samen von Arabica Kaffeepflanzen.

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Liengs Leidenschaft für Kaffee begann schon in jungen Jahren.

“Als ich klein war, tranken meine Eltern jeden Morgen um 4 Uhr einen Nescafé bevor sie in die Kirche gingen”, sagte sie gegenüber DW. “Das Aroma zog mich magisch an, es war süß und cremig. Wenn sie aus dem Haus gingen, roch ich immer an den Tassen und versuchte den Kaffee mit meinen Fingern zu probieren.”

Das indigene Volk der K’Ho lebte einst als Nomaden, inzwischen sind sie größtenteils sesshaft geworden. Sie arbeiten und leben zusammen und ihre Kinder wachsen in einer großen Gemeinschaft auf

Heute hat sie aus ihrer Leidenschaft in ein Geschäft gemacht. Gemeinsam mit anderen Mitgliedern der K’Ho Gemeinde hat sie eine Kooperative gegründet. Sie will den Ruf von vietnamesischem Kaffee verbessern und gleichzeitig die Traditionen ihrer Gemeinde bewahren.

Die K’Ho sind die älteste Volksgruppe in südlichen zentralen Hochland Vietnams und berühmt für ihre Folklore und Musikinstrumente aus Bambus und Büffelhorn. Einst Nomaden, sind die meisten der 170.000 K’Ho heute sesshaft und bestreiten ihren Lebensunterhalt mit dem Anbau von Reis und Kaffee und dem Verkauf von Kunsthandwerk. 

Eine Geschichte von zwei Bohnen

Nach Brasilien ist Vietnam der zweitgrößte Kaffeeproduzent der Welt. Trotzdem rümpfen Kaffee-Connaisseure die Nase, wenn das Gespräch auf das Land kommt. Oder sie wissen nichts über seinen Kaffee.

Das liegt daran, dass 95 Prozent des Kaffees, der dort produziert wird Robusta-Bohnen sind. Diese Sorte ist genügsamer als Arabica, gilt aber als minderwertig, enthält mehr Koffein und schmeckt bitterer, sagt Denis Seudieu, Chefökonom bei der International Coffee Organisation, einer Behörde der Vereinten Nationen, die Kaffeeexporteure und -importeure vertritt.

Die fruchtbare Erde der Gegend und das Klima um Lang Biang sind ideal, um die gefragten Arabica-Bohnen anzubauen

“Der Markt und die Konsumenten bevorzugen den Geschmack und das Aroma der Arabica-Bohnen. Deshalb wird Robusta in erster Linie zu löslichem Kaffee verarbeitet”, sagte Seudieu gegenüber DW. “Was das Marketing betrifft, so gibt es kein gutes Bild ab, wenn sie sagen, wir produzieren Robusta. Deshalb wird Kaffee aus Vietnam kaum beworben.”

Bis in die 1990er Jahre gab es auch kaum finanzielle Anreize für Bauern, den genügsameren Robusta aufzugeben, weil Vietnams Regierung die gesamte Kaffeeernte zu einem festen Preis aufkaufte. Seit sich der Markt geöffnet hat, ist das anders.

Die K’Ho hatten eine Mischung aus Robusta und Arabica angebaut aber im Bemühen darum, die Welt auf die Bohnen aus Vietnam aufmerksam zu machen und die Einnahmen zu steigern, haben sie sich nun exklusiv der Arabica-Bohne verschrieben.

Mit Liebe gemacht

Das Lang Biang Plateau bietet fruchtbare Böden für Arabica-Bohnen, die in höheren Lagen gut gedeihen. Die K’Ho Bauern bauen hier auf 30 Hektar Land Kaffee an. Sie betreiben Biolandwirtschaft, oder wie sie sagen würden “natürliche” Landwirtschaft.

“Wir pflegen und verarbeiten unsere Pflanzen auf eine natürliche Weise. Wir verwenden keine Chemikalien und nur unseren eigenen Kompost, den wir aus Essensresten herstellen. Und wir setzen viele verschiedene Pflanzen zwischen die Kaffeepflanzen, um ihnen mehr Schatten und mehr Sauerstoff zu bieten”, sagt Lieng.

In der Erntezeit pflückt das ganze Dorf die reifen, roten Kaffeekirschen per Hand. Die Kirschen werden geschält und fermentiert um das Fleisch zu entfernen, bevor sie mehrere Wochen lang in der Sonne trocknen. Dann durchkämmen die K’Ho sie, um zerbrochene Kerne zu entfernen.

Ein Mitglied der Gemeinschaft windsichtet die Kaffeebohnen und nutzt dabei den Wind, um die aufgebrochenen Schalen von den Bohnen zu trennen

Die Ernte ist harte Arbeit und die Bohnen sind für die Gemeinschaft wertvoll. Eine K’Ho-Frau sammelt jede Bohne ein, die beim Windsichten auf den Boden fällt. Das Windsichten ist eine alte Methode mit der die Bohnen von ihren aufgebrochenen Schalen getrennt werden, indem man sie in die Luft wirft. Dabei weht der Wind die leichteren Schalen weg.

Die geschälten grünen Bohnen werden direkt an Käufer in Vietnam, Japan und Deutschland verkauft. Aber die K’Ho rösten auch selbst Kaffee. Das ist ungewöhnlich für vietnamesische Kaffeebauern, die für gewöhnlich die unverarbeiteten Bohnen an große Kaffeeproduzenten verkaufen.

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2012 gegründet unterstützt die Kooperative heute mehr als 60 Familien durch den Verkauf von Kaffee sowie Kunsthandwerk und Tourismus. Alle Gewinne werden wieder im Dorf investiert. Männer und Frauen, die in der Vergangenheit gezwungen gewesen wären, ihr Dorf zu verlassen und in der Stadt einen Job zu suchen, können jetzt in ihrer Gemeinde bleiben, sagt Lieng.

Von Da Lat nach Berlin

Mehr als 9000 Kilometer entfernt in Berlin hat eine Kaffeerösterei den reit des K’Ho-Kaffee für sich entdeckt.

Vor fast drei Jahren eröffnete Ngoc-Duc Nguyen seine Rösterei HAN Coffee Roasters in der deutschen Hauptstadt. Er ist Vietnamese und sagt, es fühlte sich für ihn falsch an, italienischen Kaffee zu verkaufen, obwohl sein Heimatland so ein großer Kaffeeproduzent ist. Er beschloss also, vietnamesischen Kaffee zu verkaufen. Aber das war anfangs gar nicht so einfach.

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“Ich konnte in Vietnam nirgendwo hochwertige Arabica-Bohnen finden und ich wollte schon fast aufgeben”, sagte Nguyen gegenüber DW. “Dann war ich in einem spezialisierten Café in Ho-Chi-Minh-Stadt und jemand erzählte mir vom K’Ho-Kaffee aus Da Lat.”

Die K’Ho verarbeiten und rösten ihre eigenen Kaffeebohnen — für vietnamesische Erzeuger ist das ungewöhnlich

Er probierte ihn und sagt, er sei beeindruckt gewesen von der Qualität und dem Gemeindeprojekt.

“Ein anderer Grund dafür, dass ich diesen Kaffee mag ist, dass die K’Ho eine Minderheit sind und ein Teil unseres kulturellen Erbes. Rolan [Co Lieng] schafft es, einen Einblick in das Leben von Minderheiten in Vietnam zu vermitteln”, sagt Nguyen.

Er glaubt, dass immer mehr Kaffeebauern in Vietnam zu Arabica wechseln werden, wenn ihnen klar wird, dass sie damit mehr Geld verdienen können.

Die K’Ho-Gemeinde in den Bergen Südvietnams ist da schon einen Schritt weiter.

 


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    “Ich würde niemals in die Stadt ziehen und auf all das hier verzichten”, sagt Imker Mirutse Habtemariam und zeigt auf den Wald, der sein Dorf umgibt. Hier wachse alles, was die Menschen brauchen. Der Bienenzüchter erntet zum Beispiel auch Kardamom, lange grüne Paprika-Schoten und Bananen.


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    Frisch zubereitet

    Natürlich hat in Bonga auch die uralte äthiopische Kaffee-Zeremonie überlebt: Rohe, grüne Bohnen werden über heißen Kohlen geröstet, dann mit einem hölzernen Mörser gemahlen und schließlich in einem Lehmtopf, genannt “Jebena”, aufgebrüht. So frisch zubereitet bekommt man den Kaffee nur selten. Die Äthiopier nennen ihn übrigens “Bunna”.


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    Made in Ethiopia

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    Autorin/Autor: James Jeffrey