Staab: “Page History” ein sinnvoller Schritt Richtung Transparenz

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Facebook will künftig Daten über Seiten-Betreiber veröffentlichen. Die können zwar ebenso gefälscht sein wie die Profile selbst, sagt Informatiker Steffen Staab im DW-Interview. Betrüger hätten es dennoch schwerer.

Eigentlich soll die “Page History” erst “in den kommenden Wochen” verfügbar sein. In Kanada und Irland konnten User die neue Transparenzfunktion aber bereits Mitte Mai bestaunen. Autoren des Nachrichtenportals Buzzfeed taten dies und stellten fest: Eine ganze Reihe polarisierender US-Facebook-Seiten werden teilweise oder ganz aus dem Ausland gemanagt.

Die “Page History” ist Teil einer Transparenzinitiative des Internet-Giganten, der zuletzt massiv in der Kritik stand – unter anderem weil Facebook weit besser über die Stimmungsmache russischer Trolle im US-Präsidentschaftswahlkampf Bescheid gewusst haben soll, als zunächst eingeräumt. Vor allem über viel beachtete Seiten, auf denen sich beispielsweise politische Gruppen präsentieren, sollen spätestens im Vorfeld der “midterm elections” – bei denen die USA ihr Repräsentantenhaus, ein Drittel des Senats und zahlreiche Gouverneure wählen – mehr Informationen verfügbar sein.

Deutsche Welle: Wenn es bei den Merkmalen bleibt, die bei der “irrtümlichen” Liveschaltung der Funktion zu sehen waren, wird es möglich sein, sich anzeigen zu lassen, wann eine Facebook-Seite eingerichtet wurde, unter welchen Namen sie betrieben wurde, wie viele Administratoren sie verwalten und von wo aus sie das tun. Herr Staab, wie sinnvoll ist es, diese Angaben zu veröffentlichen?

Steffen Staab: “Es ist schwieriger zu betrügen, als die Wahrheit zu sagen.”

Steffen Staab: Ich finde das extrem sinnvoll. Natürlich können auch solche Informationen gefälscht werden. Aber zunächst einmal hilft jedes Bisschen an Information, besser zu verstehen, wer der Urheber einer Seite ist: Wer etwas wann gesagt hat, ist ein ganz wichtiger Hinweis darauf, welcher Art und Natur eine Seite und ihre Follower sind. Insofern ist es begrüßenswert, wenn man das nachvollziehen kann.

Aber sie sagen selbst, dass auch solche Informationen gefälscht sein können. Wie schwierig ist es, eine Facebook-Seite aus Europa oder Asien zu verwalten und es aussehen zu lassen, als täte man das aus den USA?

Die technischen Hürden sind nicht groß. Aber je mehr Notwendigkeit es gibt, an einer Stelle zu lügen, umso aufwendiger wird es, diese Lüge aufrechtzuerhalten und umso leichter unterlaufen dabei Fehler.

Besteht nicht auch die Gefahr, dass Seiten diffamiert werden, weil beispielsweise ein Administrator vorübergehend aus dem Ausland gearbeitet und gepostet hat?

Man hätte sicherlich in vielen Bereichen gerne so etwas wie das deutsche Impressum, in dem man angeben muss, wer verantwortlich ist im Sinne des Pressegesetzes. Diese Funktion erfüllt die Angabe solcher Merkmale natürlich nicht. Ich sehe allerdings auch keine Gefahr darin, wenn man diese Dinge transparent macht.

Selbst wenn die Angaben eigentlich gar nicht stimmen?

Es gibt sehr verschiedene Gründe, warum Leute im Netz anonym bleiben wollen. So etwas wie Tor (ein Internet-Browser, der die IP-Adresse des Nutzers verschleiert, d. Red.) wurde vielleicht eher gebaut, um die Identität und den Aufenthaltsort von Dissidenten aus verschiedenen Ländern zu schützen. Aber auch ein Dissident kann mal gefunden werden, weil er einen Fehler macht. Und genauso kann ein Fälscher entdeckt werden, weil auf einmal Muster deutlich von dem abweichen, was man erwarten würde. Es ist eben sehr viel schwieriger zu betrügen, als die Wahrheit zu sagen.

Apropos “die Wahrheit sagen”: Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass Facebook das neue Tool tatsächlich “mistakenly”, also aus Versehen, veröffentlicht hat, wie es aus dem Unternehmen heißt?

Die Wahrscheinlichkeit ist durchaus hoch. Die Komplexität solcher Software ist ungeheuer. Wobei “mistakenly” ja nicht unbedingt heißt, dass es ein technischer Fehler war. Vielleicht hat auch jemand etwas missverstanden und ein Stück der neuen Software zu früh eingespielt.

Also kein PR-Gag?

Das erscheint mir nicht plausibel. Facebook darf dieses Feature ja gar nicht einspielen, ohne die entsprechenden Benutzer informiert zu haben, welche seiner Informationen enthüllt werden. Und es sind verschiedene Szenarien denkbar, in denen das Enthüllen einer Nutzerinformation zu Schäden führen kann. Denken wir einfach wieder an den Dissidenten, der sich versteckt hält.

 

Steffen Staab ist Professor für Informatik und Gründer des Institute for Web Science and Technologies (WeST) an der Universität Koblenz. Seit März 2015 hat er außerdem einen Lehrstuhl für Web and Computer Science an der University of Southampton in Großbritannien.