Margarethe von Trottas Ingmar-Bergman-Film in Cannes: “Bergman war mein Meister”

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Sie ist eine der wenigen Deutschen bei den Filmfestspielen 2018. Von Trotta präsentiert ihren ersten Dokumentarfilm, eine Hommage an den schwedischen Regisseur. Im Interview erzählt sie von den Ursprüngen des Projekts.

Man habe ihr das Thema angeboten, erinnert sich die Regisseurin im DW-Interview. Zum einen, weil sie immer und überall verkündet habe, dass Bergman ihr “Meister” sei, und zum anderen, weil sie erst wegen Ingmar Bergman den Wunsch verspürt habe, selbst Regie zu führen und Filme zu machen.

Margarethe von Trottas neuer Film “Auf der Suche nach Ingmar Bergman” läuft 2018 bei den 71. Filmfestspielen in Cannes in der Reihe “Cannes Classics”. Hier werden restaurierte Meisterwerke der Filmgeschichte gezeigt – und eben Dokumentationen über große Regisseure und Filmkünstler.

Trottas Film wird weltweit gezeigt

Vor 100 Jahren wurde Ingmar Bergman geboren, am 14. Juli 1918. In den kommenden Wochen dürfte überall an den berühmten schwedischen Regisseur erinnert werden. Von Trottas Film wird dabei eine zentrale Rolle spielen.

Regisseurin Margarethe von Trotta interviewte für ihren Film zahlreiche Wegbegleiter Bergmans und Regisseure nachfolgender Generationen

“Auf der Suche nach Ingmar Bergman” fügt Ausschnitte aus verschiedenen Filmen des Regisseurs mit Interviews von Familienangehörigen und künstlerischen Wegbegleitern des Schweden zusammen. Die deutsche Regisseurin ist für das Projekt viel herumgereist, hat Original-Schauplätze von Bergmans Filmen besucht, und sich tief in das cineastische Universum des Jahrhundert-Regisseurs begeben.

Und sie hat sich mit berühmten Bergman-Schauspielerinnen wie Liv Ullmann getroffen oder dem Drehbuchautor Jean-Claude Carrière. Sie hat Bergman-Experten interviewt, vor allem aber Regisseure aus verschiedenen Regie-Generationen, auch um herauszufinden, welchen Einfluss der legendäre schwedische Filmemacher heute noch ausübt. Den Franzosen Olivier Assayas hat sie befragt, den Spanier Carlos Saura, und Bergmans Landsmann Ruben Östlund, der im vergangenen Jahr für seine Kunstmarkt-Satire “The Square” in Cannes die Goldene Palme mit nach Hause nehmen durfte, und andere mehr.

Landsmann Ingmar Bergmans und Träger der Goldenen Palme 2017: Ruben Östlund in Margarethe von Trottas Bergman-Film

In Schottland begann die Freundschaft zwischen Bergman und von Trotta

Und warum hat gerade sie den Dokumentarfilm zum 100. Geburtstag Bergmans inszeniert? Bereits 1977 lernte die Margarethe von Trotta Bergman in München kennen, als der Schwede wegen Steuervorwürfen seine Heimat verließ und vorübergehend nach Deutschland gezogen war, um dort Filme zu drehen und am Theater zu arbeiten.

Der Kontakt wurde erst dreizehn Jahre später enger. 1990 saß die Regisseurin von Trotta mit Ingmar Bergman in der Jury des Europäischen Filmpreises. Der Schwede war dessen erster Präsident und hatte damit das Anrecht, die Jury für die besten europäischen Filme selbst zusammenzustellen: “Wir saßen im Herbst in Schottland in einem einsamen Golfhotel zusammen, wo wir ganz alleine waren.” Das habe Bergman so gewollt. “Weil er ja Angst vor vielen Menschen hatte”, erinnert sich von Trotta.

Bergman drehte seinen Film “Das Schlangenei” 1977 vornehmlich in München

Dabei gewesen seien unter anderem auch die Schauspielerin Deborah Kerr, Luchino Viscontis Drehbuchautorin Suso Cecchi D’Amico, der griechische Regisseur Theo Angelopoulos und die französische Schauspielerin Jeanne Moreau. “Er hat mir an einem Abend gesagt, dass er meinen Film ‘Die bleierne Zeit’ so toll fand und überhaupt, ich hätte ihm damals Mut gemacht.” Zu der Zeit – “Die bleierne Zeit” kam 1981 in die Kinos – sei er “sehr deprimiert gewesen.”

Als er ihren Film, der sich an das Leben der Terroristin Gudrun Ensslin und deren Schwester Christiane anlehnt, damals gesehen hat, habe er wieder neue Zuversicht gefasst “weiterzumachen”. Von Trotta heute: “Er hat mir ganz viele Komplimente gemacht. Und das hat mich natürlich sehr gefreut.” Sie habe ihm damals gestanden: “Nur wegen Ihnen bin ich überhaupt Regisseurin geworden.”

Von Trotta im DW-Gespräch: “Er hat mir ganz viele Komplimente gemacht.”

Von Trotta: Wenn ein Idol sie lobt, ist das ein tolles Kompliment.

Das Gespräch in Schottland “war ein ganz wichtiger Lebensmoment für mich”, sagt Margarethe von Trotta heute. “Das ist doch klar, wenn sie ein Idol haben, einen Meister. Und wenn der Ihnen dann sagt, was sie machen, ist großartig, ein tolleres Kompliment kann man ja gar nicht bekommen!” Ein gemeinsamer Freund, der Regisseur und Schriftsteller Jörn Donner, habe ihr wenig später gesagt: “Na ja, das musst du nicht so ernst nehmen, der ist ein Womanizer und der will nur, dass du dich wohlfühlst mit ihm.”

Doch Bergman hatte das damals offenbar durchaus ernst gemeint. Zwei Jahre später wurde der schwedische Regisseur vom “Göteborg Filmfestival” gebeten, eine Liste mit Filmen aufzustellen, die ihn beeindruckt und beeinflusst hätten. 11 Namen fanden sich auf der Liste wieder, Filme von Kinogrößen wie Akira Kurosawa, Federico Fellini, Charlie Chaplin und Carl Theodor Dreyer – und dann war da noch der Name einer Frau: Margarethe von Trotta und deren Film “Die bleierne Zeit”.

“Da waren wirklich die größten Namen der Welt drauf”, erinnert sich von Trotta nicht ohne Stolz, “und ganz zum Schluss war ich drauf, mit meinem Film ‘Die bleierne Zeit”, die einzige Frau, die einzige Deutsche und die Jüngste.”

In Cannes wurde Bergman mit der “Palm of Palms” ausgezeichnet

Alle auf der Liste seien dann irgendwann verstorben: “Ich bin die einzige, die von der Liste übrig geblieben ist”, sagt von Trotta im DW-Gespräch. Nicht zuletzt das sei ein Grund für die “The Ingmar Bergman Foundation” gewesen, sie als Deutsche aufzufordern, den Film über Bergman zu machen. Anfangs habe sie noch “große Angst” davor gehabt, schließlich konnte sie nicht wissen, ob sie ihrem großen Idol überhaupt gerecht werden würde. Außerdem hatte sie vorher noch nie einen Dokumentarfilm gedreht: “Das kann ein totales Desaster werden, aber ich konnte mich dem nicht entziehen.”

Margarethe von Trottas Dokumentation “Auf der Suche nach Ingmar Bergman” wurde nach Cannes eingeladen, feiert nun dort (am 15.5. 2018) Weltpremiere. Die Filmfestspiele in Cannes haben eine ganz besondere Beziehung zu dem schwedischen Meister-Regisseur. 1997 wurde Bergman mit dem einmalig verliehenen Ehrenpreis “Palm of Palms” ausgezeichnet – nach Meinung des Festivals, als “bester Regisseur aller Zeiten”. Von Trottas Film kann also nicht ganz so verkehrt ausgefallen sein.

Margarethe von Trotta hat den Film “Auf der Suche nach Ingmar Bergman” gemeinsam mit ihrem Sohn, dem Regisseur Felix Moeller, inszeniert, (englischer Titel: Searching for Ingmar Bergman”. Der Filmstart in Deutschland ist am 12. Juli vorgesehen, zwei Tage vor dem 100. Geburtstag des schwedischen Regisseurs.