Klimawandel: Steht die Wasserkraft vor dem Aus?

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Wasser ist die größte Quelle für erneuerbare Energie. Starke Dürreperioden sorgen aber immer wieder dafür, dass einigen Wasserkraftwerken das Wasser ausgeht. Welche Rolle spielt dabei der Klimawandel?

Seit Jahrtausenden nutzt der Mensch Wasser als Energiequelle, seit fast 150 Jahren erzeugt er damit Strom.

Rund 70 Prozent des weltweiten Stroms aus erneuerbaren Energien werden durch Wasser generiert, insgesamt sind das mehr als 15 Prozent der weltweiten Stromversorgung. Wasser ist billig und kann – im Gegensatz zu Sonne und Wind – Strom jederzeit nach Bedarf produzieren.

Aber auch die Wasserkraft hat Nachteile: der Bau von Staudämmen verändert Ökosysteme, überschwemmt Landschaften und zwingt Millionen von Menschen, ihre Häuser zu verlassen.

Nun steht die Wasserkraft vor einer zusätzlichen Herausforderung: In einigen Ländern führt der Klimawandel zu schweren Dürreperioden – die Wasserspeicher trocknen schlichtweg aus. 

Der Guri-Stausee in Venezuela ist einer der größten Stauseen der Welt

“Der Klimawandel hat einen bemerkenswerten Einfluss auf die Wasserkrafterzeugung, er stellt eine große Herausforderung für alle Wasserkraftwerke dar”, sagt Clemente Prieto vom spanischen Komitee für Staudämme.

Die Wasserkraftproduktion versagt

Insbesondere süd- und ostafrikanische Länder sind darüber ernsthaft besorgt.

Malawi bezieht 98 Prozent seiner Stromerzeugung aus Wasserkraft. Das Land leidet immer wieder unter langen Stromausfällen, von denen insbesondere wichtige öffentliche Stellen wie Krankenhäuser schwer betroffen sind. Insgesamt haben nach Angaben der Weltbank allerdings weniger als zehn Prozent der Malawier überhaupt Zugang zur Stromversorgung.

In Sambia macht Wasserkraft 95 Prozent der Energieversorgung aus – der größte Teil davon stammt aus dem Kariba-See, dem größten künstlichen Stausee der Welt. Wegen El Nino im Jahr 2016 sankt dort der Wasserstand auf 13 Prozent der üblichen Menge, sagt Daisy Mukarakate, Expertin für Klimawandelprogramme beim Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen für Afrika (UNDP).

Aber auch reichere Länder sind betroffen. Nach vier Jahren schwerer Dürre musste Kalifornien aufgrund von Wasserknappheit wieder mehr Gas zur Deckung des Strombedarfs einsetzen. Das kostete mehr als zwei Milliarden Dollar (1,6 Milliarden Euro) und führte nach Angaben des Pacific Institute for Studies in Development, Environment and Security zu einem Anstieg der CO2-Emissionen um zehn Prozent.

Mit anderen Worten, die Kalifornier mussten mehr bezahlen, erhielten dafür aber umweltschädlichere Energie.

In Spanien hat sich die Wasserkrafterzeugung von 2016 bis 2017 halbiert. Stattdessen wurden mehr fossile Brennstoffe verbrannt, wodurch die CO2-Emissionen um 40 Prozent anstiegen. In lateinamerikanischen Ländern wie Venezuela, Kolumbien und Brasilien ist es ähnlich.

Ist der Bau neuer Wasserkraftwerke sinnvoll?

Trotz der Ungewissheit darüber, wie sich das Klima in Zukunft verhält, werden weiter Stauseen auf der ganzen Welt gebaut.

Brasilien hat mit den geringen Niederschlagsmengen zu kämpfen

So plant etwa Brasilien den Bau mehrerer Staudämme, darunter über 40 im Becken des Tapajos-Flusses – einer der artenreichsten Orte der Erde. Das Projekt ist wegen seiner Auswirkungen auf die lokale Tierwelt und die einheimische Bevölkerung heftig kritisiert worden.

Greenpeace betont vor allem, dass das Tapajos-Projekt angesichts des Rückgangs der Wasserkraftproduktion in mehreren Ländern umso fragwürdiger sei. “Warum sollte ein Land, dessen Energiesicherheit bereits durch übermäßige Abhängigkeit von Wasserkraft gefährdet ist, diese Abhängigkeit noch weiter erhöhen?”, heißt es in einem Bericht.

Stattdessen schlägt Greenpeace eine Kombination aus Wind, Sonne und Biomasse vor, die auf lange Sicht billiger und effizienter sowie weitaus weniger zerstörerisch für die Umwelt wäre.

Ein ähnliches Problem sehen britische Forscher auch für die Pläne von Wasserkraftwerken im östlichen und südlichen Afrika. Sie warnen davor, dass sich das Risiko von Stromengpässen erhöhen könnte, da die meisten Länder auf die ohnehin schon knappen Niederschläge angewiesen seien und die Erzeugungsmöglichkeiten daher in mehreren Ländern gleichzeitig zurückgehen würden.


  • Afrikas leistungsstärkste Staudämme

    Der Grand Renaissance Dam in Äthiopien

    Im Südwesten Äthiopiens soll Afrikas leistungsstärkster Staudamm entstehen. Die Bauarbeiten am Grand Renaissance Dam begannen 2011, in diesem Jahr soll er fertiggestellt werden. Der Staudamm liegt nahe der sudanesischen Grenze am Blauen Nil und hat eine Leistung von 6000 Megawatt – unerreicht in Afrika. Der Stausee wird mit 63 Kubikkilometer Stauvermögen einer der größten des Kontinents sein.


  • Afrikas leistungsstärkste Staudämme

    Der Assuan-Staudamm, Ägypten

    Der Assuan-Staudamm, im Arabischen es-Sadd el-Ali, liegt nahe der gleichnamigen Stadt im südlichen Ägypten. Der See Nasser hinter dem Damm fasst bis zu 169 Kubikkilometer Wasser. Sein größter Zufluss ist der Nil. Die Turbinen haben eine Leistung von 2100 MW. Es dauerte elf Jahre, ihn zu bauen. Eröffnet wurde er 1971.


  • Afrikas leistungsstärkste Staudämme

    Der Cahora-Bassa-Staudamm in Mosambik

    Eine der größten Talsperren der Welt befindet sich in Mosambik. Die Cahora-Bassa-Talsperre hat eine Leistung von 2075 Megawatt und liegt damit knapp hinter dem Assuan-Staudamm. Der Großteil des erzeugten Stroms wird nach Südafrika exportiert. Allerdings verhinderten Sabotageakte während des Bürgerkriegs ab 1981 die Stromproduktion mehr als zehn Jahre lang.


  • Afrikas leistungsstärkste Staudämme

    Der Gibe-III-Staudamm in Äthiopien

    350 Kilometer südwestlich von Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba wurde vergangenes Jahr ein weiteres Mega-Projekt fertiggestellt. Der Gibe-III-Damm kann maximal 1870 Megawatt generieren und ist somit der drittgrößte Staudamm in Afrika. Der Bau dauerte fast neun Jahre und wurde zu 60 Prozent von der chinesischen Exim-Bank finanziert.


  • Afrikas leistungsstärkste Staudämme

    Der Roseires-Staudamm im Sudan

    Am Blauen Nil im Sudan gelegen, ist der Roseires-Staudamm ein weiterer großer Energieerzeuger Afrikas. Durch die Aufstockung der Krone des Damms um zehn Meter, die 2013 fertig gestellt wurde, wurde auch die Leistung des Staudammes auf 1800 Megawatt erhöht. Das war nötig, weil sich das Volumen des Stausees aufgrund von Sedimentation um fast ein Viertel verringert hatte.


  • Afrikas leistungsstärkste Staudämme

    Die Inga-Staudämme in der DR Kongo

    Die Inga-Staudämme bestehen aus zwei einzelnen Dämmen: Inga I kann 351 MW und Inga II 1424 MW produzieren. In Auftrag gegeben wurden sie 1972 und 1982 als Teil des industriellen Entwicklungsplans des Diktators Mobutu Sese Seko. Der Plan ging nicht auf: Da sich Kongos Elite lieber selbst bereicherte und Wartungen ausblieben, erbringen die Dämme momentan nur noch 50 Prozent ihrer möglichen Leistung.


  • Afrikas leistungsstärkste Staudämme

    Die Inga-Staudämme in der DR Kongo

    Die zwei Dämme liegen nahe der Mündung des Kongo-Flusses und sind mit einem der größten Wasserfälle der Welt verbunden, den Inga-Fällen. Die kongolesische Regierung plant bereits den Start des neuen Projekts, Inga III, das eine 13 Milliarden Euro teure, 4800 MW Wasserkraft-Anlage beinhaltet. Gemeinsam wären die drei Staudämme die leistungsstärkste Wasserkraftanlage Afrikas.


  • Afrikas leistungsstärkste Staudämme

    Der Kariba-Staudamm in Simbabwe/ Sambia

    Um den See 1961 hinter dem Kariba-Staudamm füllen zu können, mussten 6000 Tiere in der “Operation Noah” eingefangen und umgesiedelt werden, sowie die 57.000 Menschen, die dort am Sambesi lebten. Der Staudamm liegt an der Grenze zwischen Simbabwe und Sambia und versorgt die beiden Länder mit 1320 Megawatt. Der Kariba-Stausee war nach seiner Füllung 1961 immer wieder für Erdbeben verantwortlich.


  • Afrikas leistungsstärkste Staudämme

    Der Merowe-Staudamm im Sudan

    Ein weiterer Koloss unter den afrikanischen Staudämmen ist der Merowe-Staudamm, auch Hamdab High Dam genannt, der 2009 in Betrieb ging. Seine Leistung beträgt 1250 Megawatt. Er beliefert den Sudan aber nicht nur mit Strom – bald sollen auch 400 Kilometer lange Kanäle von ihm abgehen, die das Wasser zur landwirtschaftlichen Bewässerung nutzbar machen sollen.


  • Afrikas leistungsstärkste Staudämme

    Der Akosombo-Staudamm in Ghana

    Unter den Spitzenreitern findet sich auch der Akosombo-Staudamm. Er staut den Volta-See auf, der mit seiner Fläche von 8502 km² der größte Stausee der Erde ist. Die sechs Turbinen haben zusammen eine Leistung von 912 Megawatt, doch der Damm dient nicht nur zu Erzeugung von Strom, sondern auch als Hochwasserschutz. Der Volta-Stausee hat eine wichtige Bedeutung als Handels- und Verkehrsweg.


  • Afrikas leistungsstärkste Staudämme

    Der Kainji-Staudamm in Nigeria

    Am Fluss Niger liegt der Kainji-Staudamm. Er hat eine Leistung von insgesamt 760 Megawatt. Der Kainji-Damm ist 65 Meter hoch, 550 Meter lang und erzeugt elektrische Energie. Durch das kontrollierte Ablassen von Wasser wurde ein großer Teil des Flusses beschiffbar. Der Damm dient auch seitdem als Straße über den Niger.


  • Afrikas leistungsstärkste Staudämme

    Der Tekeze-Staudamm in Äthiopien

    Auch Afrikas elft größte Staudamm liegt in Äthiopien. Der Tekeze-Damm befindet sich zwischen den Regionen Amhara und Tigray. Mit einer Höhe von 188 Meters ist er der höchste Staudamm Afrikas. Trotzdem kann er nur 300 MW generieren und somit nur ein Zwanzigstel der Leistung, die sein großer Bruder, der Grand Renaissance Damm, bringen soll. Bis zu seiner Eröffnung 2009 vergingen sieben Jahre.


  • Afrikas leistungsstärkste Staudämme

    Der Bujagali-Staudamm in Uganda

    Der Bujagali-Damm in Uganda liegt in der Nähre des Viktoriasees und kann 250 MW Strom generieren. Seine Kraft bezieht er aus den Bujagali-Fällen. Der Staudamm ist seit 2012 in Betrieb und ist die größte Wasserkraft-Quelle Ugandas. Der Bau zweier neuer Kraftwerke, Karuma und Ayago, könnte dies ändern, würde aber auch die Umsiedlung Tausender Bauern und die Überflutung geschützter Gebiete bedeuten.

    Autorin/Autor: Silja Fröhlich


Experten wie Michael Taylor, Senior Analyst für erneuerbare Energien bei der International Renewable Energy Agency (IRENA), betonen, dass Afrika dennoch ein großes Wasserkraftpotential habe und aufgrund der hohen Nachfrage nach erneuerbaren Energien nicht ignoriert werden könne.

“Es gibt ein riesiges Energiedefizit in Afrika und wir können keine Optionen verwerfen, wenn wir die Unterentwicklung überwinden wollen”, sagt Mukarakate vom UNDP.

Dennoch sei es wichtig, bei der Planung immer auch die Wetterveränderungen im Blick zu haben und die bereits bestehenden Anlagen regelmäßig zu überprüfen.

Auch Eva Hernandez, Leiterin des Wasser- und Landwirtschaftsprogramms des WWF in Spanien, wo es aktuell mehr als 1000 Staudämme gibt, sagte der DW, dass der Schwerpunkt nicht darauf liegen sollte, mehr Anlagen zu bauen, sondern diejenigen zu verbessern, die da sind.

Wasserkraft: ein Puzzleteil

Viele Anlagen seien laut Hernandez schon mehrere Jahrzehnte alt und müssten dringend repariert werden. Eine sinnvolle Möglichkeit wäre für sie, konventionelle Staudämme zu Pumpspeicherkraftwerken auszubauen.

Pumpspeicher nutzen elektrische Energie, um Wasser aus einem niedrig gelegenen Stausee in einen höheren zu pumpen, um es dort zu speichern. Sobald dann wieder Energie benötigt wird, wird das gespeicherte Wasser turbiniert, also wieder in elektrische Energie zurückgewandelt. 

Das würde eines der größten Probleme der Wasserkraft – die Speicherung – lösen und deren Integration in das Stromnetz fördern, sagt Hernandez.

Im Gegensatz zu fossilen Energieträgern können Solar- und Windenergie nicht planmäßig und bedarfsgerecht produziert werden, sondern hängen vollständig vom Wetter ab. Die Pumpspeicherung sei eine Möglichkeit, überschüssige Energie in Form von Wasser bei Bedarf wieder in Strom umzuwandeln.

Forscher wie Taylor betonen jedoch, dass Wasserkraft nicht als Alternative zu anderen erneuerbaren Energien gesehen werden sollte, sondern vielmehr als deren Ergänzung. Auf diese Art sei das gesamte Energiesystem effizienter und die Stromversorgung sicherer.

Dass das zukünftige Energiesystem erneuerbar sein muss, darüber sind sich jedoch die meisten einig. „Aber wir müssen einen gesunden Mix verschiedener Energiequellen bewahren”, sagt Mukarakate. “Wenn wir nur von einer Quelle wie der Wasserkraft abhängig sind, sind wir zu anfällig”, sagt sie. “Wir müssen alle Optionen zusammenbringen – Biomasse, Wind, Sonne, Biokraftstoffe, etc.”

Gerade in den afrikanischen Ländern sei eine Fokussierung auf das Gesamtsystem der Schlüssel zu einer sichereren Versorgung – eben weil sie schon zu häufig von zu wenigen Niederschlägen betroffen seien. Taylor argumentiert, dass ein Land, das bereits mit seiner Energieversorgung zu kämpfen hat, in der Lage sein sollte, im Notfall auf die Reserven eines Nachbarlandes zurückzugreifen.

Letztendlich ist eine nachhaltigere Energieversorgung ein wichtiger Ansatz, um das Problem zu lösen – denn je früher wir aufhören, fossile Brennstoffe zu verbrennen, desto stabiler wird unser Klima vermutlich sein.

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Umgesiedelt für ein Wasserkraftwerk

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