Die “Eiserne Lady” fordert Erdogan heraus

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Die Wahlen in der Türkei wurden auf den 24. Juni vorgezogen. Beim Rennen um das Amt des Staatspräsidenten ist die nationalistische Politikerin Meral Akşener stärkste Konkurrentin von Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Meral Aksener lässt oft auf ihren Händen die türkische Fahne mit Henna malen

“Die ‘Gute Partei’ erfüllt alle Anforderungen, um an den Wahlen teilnehmen zu können. Wenn Ihr versucht, von heute auf morgen die Regeln zu ändern, werde ich euch den Himmel über den Kopf ziehen. Bei meiner Ehre!”

Diese Worte richtete die Gründerin und Vorsitzende der “Guten Partei” (İYİ Parti), die nationalistische Politikerin Meral Akşener an den Staatspräsidenten Erdoğan, kurz nachdem dieser erklärt hatte, die für November 2019 angesetzten Wahlen auf den 24. Juni 2018 vorzuziehen.

Meral Akşener, 62 Jahre alt, tritt mit großem Selbstbewusstsein auf. Doch bislang ist noch nicht geklärt, ob ihre junge, am 25. Oktober 2017 gegründete Partei die Anforderungen des türkischen Wahlgesetzes erfüllt. Derzeit wartet man noch auf die diesbezügliche Entscheidung des Hohen Wahlgerichts. Für Akşener gibt es noch eine Möglichkeit, an den Wahlen teilzunehmen. Wenn sie es schafft, hunderttausend Unterschriften zu sammeln, kann sie auch als unabhängige Kandidatin gegen Erdogan antreten. Sie ist überzeugt davon, dass ihr das gelingt und sie an den Wahlen teilnehmen wird.

Wer ist Meral Akşener?

Wer ist diese Frau, die sich häufig die türkische Fahne mit Henna auf ihren Handinnenflächen malen lässt, ab und an mit Kopftuch auftritt, bereits vor einiger Zeit mit ihrer Wahlkampagne begonnen hat und sich darauf vorbereitet, als starke Konkurrentin gegen Erdoğan anzutreten? Seit 1995 ist die Frau, die schon früh durch ihre nationalistische Gesinnung und ihre dominante Persönlichkeit auffielt, politisch aktiv.

Prof. Yusuf Halaçoğlu, Mitglied der “Guten Partei”, fiel der hartnäckige Charakter von Akşener bereits während ihres Studiums auf: “Meral Akşener war meine Studentin. Sie gab niemals auf. Sie tat immer, was sie sich in den Kopf gesetzt hatte. Niemand konnte sie stoppen.”

In der Türkei ist Meral Aksener trotz umstrittener Aussagen beliebt

Halaçoğlu kennt Akşener, die Geschichte studiert hat, gut. Ihre Durchsetzungskraft sei in der Politik von Nutzen, glaubt er. “Schon während ihres Studiums war sie immer in Streitereien verwickelt”, berichtet er. “Sie geht vor wie eine wahre Historikerin. Ihre Vorhersagen treffen häufig zu. Sie hat gesagt, dass es zu vorgezogenen Wahlen kommen würde, und hat unsere Partei darauf vorbereitet. Sie ist eine wahre Patriotin”, sagt er.

Akşeners umstrittene politische Karriere

Akşeners politische Karriere beginnt 1995. Damals gehört sie der “Partei des rechten Weges” (DYP) an. Sie ist eine enge Vertraute der ersten Ministerpräsidentin Tansu Çiller. Während der Koalition der wirtschaftsliberal denkenden Çiller mit dem islamistisch-konservativen Necmettin Erbakan wird sie 1996 Innenministerin.

Während ihrer Amtszeit erregt sie Aufmerksamkeit, als sie Abdullah Öcalan, den Chef der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei, PKK, als “armenische Brut” bezeichnet. Später entschuldigt sie sich für ihre Aussage und versucht, die Sache zu bereinigen, indem sie erklärt, sie habe nicht die in der Türkei lebenden Armenier gemeint, sondern allgemein von der armenischen Rasse gesprochen. Mit dieser Äußerung zog Akşener den Zorn vieler Menschen auf sich. Doch durch ihre politische Erfahrung gelang es ihr, sich aus der schwierigen Situation zu befreien.

2001 hat die Politikerin am Aufbau der islamisch-konservativen AKP mitgewirkt. Allerdings war sie bald von Erdogan enttäuscht, woraufhin sie nach vier Monaten zur ultranationalistischen Partei MHP wechselte. Dort war sie Beraterin von Parteichef Devlet Bahçeli. Später führte sie den oppositionellen Block innerhalb der MHP an und gründete am 25. Oktober 2017 die “Gute Partei”.

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Akşener, die in den internationalen Medien häufig als “Eiserne Lady” bezeichnet und mit Margaret Thatcher verglichen wird, steht derzeit unter großem Druck von Staatspräsident Erdogan und der Regierung, glaubt Şükrü Küçükşahin, einer der erfahrensten politischen Reporter in Ankara. Derzeit versucht Erdoğan, seine einzige Konkurrentin zu ignorieren. “Er ist ihr gegenüber zurückhaltend”, erklärt er.

Meral Akşener werde von den Medien zensiert und man verweigere ihr TV-Auftritte, sagt der Politikwissenschaftler Baskın Oran. Trotz dieser Zensur sei sie eine große Sympathieträgerin.

Kurdische Wähler ausschlaggebend bei der Wahlen im Juni

“Diejenigen, die in der Türkei kein diktatorisches Regime wollen, werden den Kandidaten unterstützen, der sich am stärksten Erdoğan entgegenstellt. Und es scheint, dass das Akşener ist”, bewertet Politikwissenschaftler Oran Akşeners Chancen. Die Politikerin polarisiere die Bevölkerung nicht, sondern vereinige sie, erklärt er und ist sich sicher, dass sie von den Wählern aller Parteien, auch der AKP, Stimmen bekommen wird.

Nach einer Umfrage vom März mögen 30 Prozent der Wähler in der Türkei Meral Akşener. Diese Sympathie habe sich noch nicht auf die Stimmen der İYİ Parti niedergeschlagen, so der Leiter des Meinungsforschungsinstituts Metropoll, Özer Sencer. Wie die Chancen von Akşener stehen, hänge auch von den anderen Kandidaten ab.

Ausschlaggebend bei den Wahlen am 24. Juni werden nicht zuletzt die Stimmen der kurdischen Wähler sein. Von den 55 Millionen Wähler sind 18 Prozent Kurden. “Alle Kandidaten, die gegen Erdoğan antreten, sollten das berücksichtigen”, so Sencar. “Auch Akşener sollte sich fragen, ob sie die kurdischen Stimmen bekommen kann, und ihre Strategie diesbezüglich verbessern.”

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