Kommentar: VW – House of Cars Vol. 3

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Nächstes Kapitel der großen Volkswagen-Saga: Mit Herbert Diess kommt ein harter Sanierer an die Spitze des weltgrößten Autobauers. Doch auch er muss sich den Besonderheiten dieses Konzerns stellen, meint Henrik Böhme.

Das Stammwerk von Volkswagen in Wolfsburg

Sie kennen das, wenn Sie gerne Serien schauen.

Was bisher geschah:

“Ich bin auf Distanz zu Winterkorn.” Dieser Satz, mittlerweile ein Klassiker der deutschen Wirtschaftsgeschichte, läutete vor drei Jahren das Ende ein. Nein, nicht das Ende des damaligen VW-Chefs Martin Winterkorn, sondern des Patriarchen Ferdinand Piëch. Der hatte handfeste Probleme im Konzern ausgemacht (War es schon die Sache mit dem Dieselbetrug?) und wollte den aus seiner Sicht Verantwortlichen in die Wüste schicken. Doch jener (Winterkorn) gab Kontra, hatte mehr Verbündete und ging als Sieger vom Feld. (Vol.1)

Dann, ein halbes Jahr später, brach das Diesel-Armageddon über den Konzern herein. Winterkorn musste schließlich trotzdem gehen, Porsche-Chef Matthias Müller übernahm in Wolfsburg. Der Alte aus Salzburg (Piëch) hatte sein Ziel doch noch erreicht. Müller machte sich an die Arbeit, der Patriarch zog sich zurück. Stänkerte vor seinem endgültigen Abgang nochmal rum, und belastete Winterkorn in Sachen Dieselgate schwer. (Vol.2). Aber alles in allem: Der große Konzern kam trotz milliardenschwerer Belastungen nie wirklich in Bedrängnis. Verkaufsrekorde, Rekordgewinne, die Nummer Eins in der Welt. Das konnte der Herr Müller noch vor wenigen Wochen bei der Bilanzvorlage verkünden.

Henrik Böhme, DW-Wirtschaftsredaktion

Und nun beginnt die nächste Staffel

Offenbar hatten die Eigentümerfamilien (die Familien Porsche und Piëch) den Eindruck, der Mohr (Müller) habe seine Schuldigkeit getan. Müller hat einen Super-Job gemacht, den Großkonzern mit zwölf Marken, 640.000 Mitarbeitern, über 100 Werken auf der ganzen Welt gut durch die schwere Dieselkrise gebracht. Aber er hat die Herrschaften in Salzburg auch immer wieder mit verbalen Alleingängen verärgert, wo man im Hause VW doch lieber alles in Hinterzimmern bespricht.

Wie man das macht, haben die Familienclans dem Herrn Müller jetzt vorgeführt. Der wusste bis zum Wochenanfang nicht, was ihm blüht. Er hatte ja noch einen Vertrag bis 2020. Am Montag dann wurde ihm mitgeteilt, dass seine Zeit auf dem Chefsessel ablaufen sei. Am Dienstag, weil etwas durchzusickern drohte, dann eine dürre Pflichtmitteilung für die Finanzmärkte. Da musste er lesen: “Herr Matthias Müller hat seine grundsätzliche Bereitschaft signalisiert, an den Veränderungen mitzuwirken.”

Dringend notwendiger Umbau

In aller Stille, und zwar über Wochen, wenn nicht Monate, haben die Porsches und Piëchs einen Plan ausgeheckt, den Konzern umzubauen, einschließlich des Spitzenpersonals.

Dieser Umbau kommt nun nicht wirklich überraschend, schon länger gab es Spekulationen über die Aufteilung der vielen Marken in verschiedene Geschäftsfelder. Das alles ist auch dringend nötig und geboten, denn auch nach drei Jahren Müller war der Konzern zwar in der Erfolgsspur, aber die Strukturen stammten eben noch immer aus der Ära Winterkorn. Aber ein Konzern dieser Größenordnung – ist der auch flexibel und beweglich genug für die dramatischen Herausforderungen, vor denen die gesamte Autobranche steht? Mit der neuen Struktur soll das gelingen.

Und der Laden wird ja auch ein wenig kleiner mit der geplanten Abspaltung der Truck- und Bussparte. Sollte diese Einheit demnächst an die Börse gehen – es wäre der wohl größte Börsengang der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Das Geld, welches der Konzern damit einnehmen könnte, wird dringend gebraucht für die großen Investitionen, die in Zukunft notwendig sind.

Hallo! Ich bin der Neue! Herbert Diess (links) im Showcar I.D. Buzz (Automesse Detroit, 2017)

Kann Diess auch Konzern?

Richten soll es Herbert Diess und damit erstmals einer, der nicht in der VW-Familie großgezogen wurde. Er kam, nachdem er es vor drei Jahren nicht auf den Chefsessel bei BMW geschafft hatte, nach Wolfsburg. Und natürlich war auch die Berufung von Herbert Diess wieder ein klassisches Kapitel à la House of Cars. Denn Diess, dem der Ruf des knallharten Sanierers und Kostensenkers vorauseilt, war geholt worden, um die Kernmarke VW wieder fit zu machen. Er kämpfte mit harten Bandagen gegen die große Hausmacht in Wolfsburg – die Gewerkschaft. Diess hatte Erfolg, aber dass ohne die Gewerkschaft nichts geht im Hause VW, das macht eine andere Personalentscheidung deutlich: Mit Gunnar Kilian rückt ein langjähriger, enger Mitstreiter des allmächtigen Betriebsratschefs Bernd Osterloh in den Vorstand auf. Als Aufpasser für Diess? 

Ist Herbert Diess nun also richtige Chef, um den VW-Konzern in die automobile Zukunft mit alternativen Antrieben und autonomen Fahren zu führen? Mit reichlich Machtfülle haben sie ihn jedenfalls ausgestattet. Braucht er auch für den größten Umbau in der 80-jährigen Konzerngeschichte. Eine Erfolgsgarantie allerdings gibt es nicht. Denn dieser Umbau wird eine Menge Kraft und Zeit kosten. Und auch das wird Herbert Diess wissen: Die Fäden, an denen er hängt, die werden von Salzburg aus gezogen. Von den Familien derer von Porsche und Piëch. Es bleibt ein House of Cars.         

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