Deutsche Defensive: Ein Wackeln auf Zeit

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Nach einer schwachen Anfangsphase fängt sich die deutsche Viererkette wieder und zeigt ihre gewohnte Souveränität und Qualität. Doch so einen Durchhänger darf sich das deutsche Team bei der WM in Russland nicht leisten.

Am Ende klatschten sich die deutschen Spieler ab und konnten insgesamt zufrieden sein mit ihrer Leistung. Das 1:1 (1:1) gegen Spanien war leistungsgerecht und ging auch so in Ordnung. Doch die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw leistete sich neben einigen Höhen auch ein sportliches Tief in dieser Partie. In der Anfangsphase hatte die deutsche Defensive große Probleme, sich den Iberern wirksam entgegen zu stellen. Der freundliche Applaus des Düsseldorfer Publikums nach Abpfiff war Ausdruck einer ordentlichen Leistung des DFB-Teams.

Es war ein Moment, der stellvertretend für die anfängliche Leistung der deutschen Abwehr stand. Mats Hummels hatte sich wieder einmal einen Fehlpass im Spielaufbau geleistet. Seine von so vielen Gegnern gefürchteten Zuspiele in die Spitze, die ihn in den vergangenen Jahren in seinen Bundesligaklubs und auch in der Nationalmannschaft zu einem besonders wertvollen Spieler gemacht hatten, landet allesamt dort, wo die Spanier bereits warteten. “Wir wollten von Anfang an voll drauf gehen, aber die Spanier haben uns voll ausgekontert. Es war ein hervorragendes Fußballspiel, aber wir hatten am Anfang große Probleme”, räumte Hummels nach dem Abpfiff ein.

Hummels schimpfte mit sich selbst

Hummels lief seinen wechselnden Gegenspielern meist nur hinterher, schoss seine eigentlich so präzisen Diagonalbälle direkt ins Seitenaus. Dass er Angreifer Rodrigo Moreno in seinem Rücken entwischen lassen und der Spanier dann auch noch die frühe Führung für die Iberer erzielte, war der negative Höhepunkt einer völlig verkorksten Anfangsphase des deutschen Defensivriegels. Der deutsche Innenverteidiger konnte scheinbar selbst nicht fassen, welch hohe Fehlerquote er an diesem Freitagabend in der Düsseldorfer Arena an den Tag legte. Hummels ruderte  deshalb wild mit seinen Armen und schimpfte nach seinem x-ten Fehlpass lautstark mit sich selbst.

Oft ein Schritt zu spät: Hier ist David Silva vor Joshua Kimmich an den Ball. Torwart Marc-André ter Stegen passt auf.

Ähnlich fehlerhaft wie Hummels agierten anfänglich seine Nebenleute in der Vierer-Abwehrkette. Jonas Hector etwa, der linke Verteidiger, sprang unter einem Diagonalball von Iniesta hindurch, der gefühlt mehrere Minuten in der Luft war. Aber vor allem Joshua Kimmich hatte mit den pfeilschnellen Außenbahnspieler Jordi Alba sowie den außergewöhnlich spielstarken Isco und Andres Iniesta unübersehbare Probleme.

Spaniern fehlte die Zielstrebigkeit

Dass der deutsche rechte Verteidiger sich dann auch noch gemeinsam im Passspiel mit Jerome Boateng in Bedrängnis brachte und die Spanier geradezu dazu einlud, gefährliche Angriffe aufzubauen, war die Folge einer unerklärlichen Nervosität, die die deutsche Abwehrkette mit dem Anpfiff befallen hatte.

Die deutsche Mannschaft hatte Glück, dass die Spanier sich viel zu oft zu verspielt zeigten und die nötige Zielstrebigkeit vor dem deutschen Tor hatten vermissen lassen. Die guten Ansätze der deutschen Mannschaft in der Offensive rückten durch die gehäuften Schwächen in der Defensive beinahe in den Hintergrund.

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Diese intensive Schwächephase der Löw-Elf dauerte rund 25 Minuten an, ehe sie die gewohnte Grundstabilität erreichte. Es war den deutschen Defensivspielern sicher nicht vorzuwerfen, dass auch in der Folge noch hier und da noch gegen spielerisch starke Spanier in Bedrängnis kamen. Aber die Verteidiger hatten mittlerweile ihre Fahrigkeit abgelegt, was dem deutschen Spiel zunehmend gut tat.

Hummels steigert sich deutlich

Dass Mats Hummels sich Mitte der zweiten Hälfte dann auch noch mit in den Angriff einschaltete und einen Freistoß von Toni Kroos auf die Querlatte des spanischen Tores köpfte, war Ausdruck zurückgewonnener Qualität und Souveränität. 

Es war vor allem der deutschen Defensive anzumerken, dass es sich un das erste Spiel in diesem Jahr handelte. Bei der WM in Russland, beim Auftakt gegen Mexiko, darf sich die deutsche Mannschaft eine derart ausführliche Eingewöhnungszeit allerdings nicht leisten. Ansonsten könnten irreparable (Ergebnis-) Schäden entstehen.

“Wir sind auf gutem Niveau, aber wir können uns noch verbessern”, sagte Mittelfeldspieler Toni Kroos. Und das war die gute Nachricht. Löws Team hat noch Steigerungspotenzial. Und auch Hummels hatte an einem langen Abend am Rhein noch eine realistische Einschätzung mit Blick auf die WM parat. “Wir werden nie müde zu betonen, wie hoch die Qualität der besten Mannschaften der Welt ist und Spanien gehört dazu”, sagt der Verteidiger. Den Titel zu verteidigen wird ein hartes Stück Arbeit.