Auf dem Weg zur virtuellen Meisterschaft

0
197

Volle Konzentration und Hitze wie in der Sauna. Bei den Play-Offs zum wichtigsten deutschen FIFA-Turnier, der Virtuellen Bundesliga, stehen sich Spieler und Fans fast auf den Füßen. DFB-Präsident Grindel sorgt für Ärger.

“Marko bitte zu Konsole 9” schallt es durch die Lautsprecher in der Halle. Was auf den ersten Blick an einen unorganisierten Supermarkt erinnert, rettet den ein oder anderen Spieler vor einer Niederlage wegen Nichtantretens – die Organisatoren haben alle Hände voll zu tun bei den Play-Offs zur Virtuellen Bundesliga in Düsseldorf. Als einer der Topfavoriten bereits in der Gruppenphase auszuscheiden droht, bildet sich eine große Zuschauertraube um seinen Bildschirm. Unter den Beobachtern ist auch der amtierende FIFA-Weltmeister Kai “Deto” Wollin, der mit seinem Wechsel zum englischen Premier League Vertreter Manchester City vor rund einer Woche für großes Aufsehen sorgte. Er beobachtet die Entwicklung im E-Sport mit großer Freude: “Es hat sich wirklich unglaublich viel verändert seit ich mit dem E-Sport begonnen habe. Die Zuschauerzahlen nehmen stetig zu, das Preisgeld steigt und professionelle Fußballvereine mischen zunehmend mit. Ich bin wirklich sehr neugierig, was die Zukunft noch alles mit sich bringen wird.“

Starke Anspannung und Wettkampfatmosphäre

Als Timo das entscheidende Tor auf dem Weg ins Finale schießt, sitzt er fast regungslos auf seinem Stuhl. Das Einzige, was er in diesem Moment bewegt, ist sein rechter Daumen. Timo Siep, in der E-Sport-Szene bekannt unter dem Namen TimoX, gehört zu den besten FIFA-Spielern in Deutschland. Er ist einer von insgesamt 132 Spielern, die an diesem Wochenende in der Seifenfabrik Dr. Thompson in Düsseldorf um den Einzug in das Finale der Virtuellen Bundesliga kämpfen. Die Virtuelle Bundesliga ist ein offizielles Turnier der DFL, das in diesem Jahr bereits zum sechsten Mal ausgetragen wird. Mit dabei prominente Mannschaften aus der 1. und 2. Bundesliga, darunter der FC Schalke 04, VfL Wolfsburg und der im realen Fußball stark abstiegsbedrohte Hamburger SV.

Ein Spieler des HSV-Teams beobachtet die Konkurrenz

 

An insgesamt vier Säulen mit jeweils acht Bildschirmen sitzen die Spieler verteilt und liefern sich packende Duelle auf der Playstation 4 und der Xbox One. Offiziell geht ein Spiel zwölf Minuten, mit Auswechslungen und taktischen Anpassungen, die von den Spielern ausgiebig vorgenommen werden, dauert eine Partie aber auch gerne mal mehr als 20 Minuten. Schon beim Betreten der Halle, die vor 100 Jahren mal eine Seifenfabrik war, merkt man, dass es hier um Etwas geht. Sobald der virtuelle Schiedsrichter die Partie anpfeift, herrscht absolute Konzentration. Die Anspannung unter den Teilnehmern sorgt für saunaähnliche Temperaturen, die die Spieler ganz schön zum Schwitzen bringen. Vereinzelt hört man Spieler laut ihre Treffer bejubeln, während man daneben in tief betrübte Gesichter blickt.

Zuschauerandrang sorgt für besondere Bedingungen

Der Zuschauerandrang in der Halle ist immens, Fans und Spieler stehen sich fast auf den Füßen. Das ist nicht immer einfach für die Akteure, wie uns der amtierende Meister der Virtuellen Bundesliga, Cihan Yasarlar, verrät: “Es ist halt leider ein bisschen zu voll hier und die Arena ist ein bisschen klein. Für den ein oder anderen ist das natürlich ein bisschen unangenehm, aber die Jungs müssen da einfach durch.” Einer der Unterstützer kann die letzten Minuten des Spiels seines Schützlings kaum ertragen. Kurz vor dem ersehnten Abpfiff rauft er sich die Haare, schaut angestrengt und wirft vor Nervosität sogar sein Getränk um. Als der Gegentreffer dann doch noch fällt, dreht er sich genervt zur Seite. Würde der Mann nicht seit Minuten auf einen Fernsehbildschirm starren, könnte man meinen, er stünde auf der Südtribüne in Dortmund – nur halt mit Rauchverbot und ohne Konfettiregen.

Hoher Zuschauerandrang bei der Virtuellen Bundesliga

Grindel-Aussagen sorgen für Irritationen

Die Aussagen von DFB-Präsident Reinhard Grindel, der sich in der vergangenen Woche dahingehend äußerte, E-Sport sei seiner Meinung nach kein Sport, werden in der Szene mit Unverständnis aufgenommen: “Bei uns ist es sehr viel psychische Arbeit, ich kann sogar sagen, dass wir mehr als die Profis trainieren”, äußert sich der bei der E-Sport Abteilung von RB Leipzig unter Vertrag stehende Cihan Yasarlar auf die Frage, was er von der Aussage des DFB-Präsidenten hält. Ein Blick in die fokussierten Gesichter der Spieler untermauert seine These. Was neben der professionellen Herangehensweise auffällt, ist die friedliche Stimmung zwischen den Teilnehmern. Während man in der Fußball-Bundesliga regelmäßiges Lamentieren und unsportliche Gesten beobachten kann, geht hier alles sehr freundlich und respektvoll zu.

16 Spieler auf dem Weg ins Finale

Insgesamt 16 Spieler haben sich am Ende der Play-Offs für das Finale am 1. April in Dortmund qualifiziert. Darunter auch TimoX, der schon mal einen Ausblick auf das Finale vornimmt: “Ich werde mit derselben Mannschaft wie bei dem heutigen Turnier spielen und das gleiche Vertrauen in meine eigene Leistung haben.“ Die restlichen Spieler verlassen enttäuscht die in ein Gaming-Paradies umfunktionierte Halle. Sie haben jetzt rund ein Jahr lang Zeit, um sich auf das nächste Turnier der Virtuellen Bundesliga vorzubereiten.