Kommentar: Grund zur Hoffnung in Kolumbien

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Die Parlamentswahlen in Kolumbien zeugen von einem hoffnungsvollen Wandel im Land: Die Wähler haben ihre Stimme verantwortungsvollen Politikern gegeben. Ja, die gibt es in Kolumbien, meint José Ospina-Valencia.

Kolumbianer lieben es, über ihr Parlament und die darin vertretenen Politiker herzuziehen. Die Schuld an allen Missständen im Land wird diesem “Rattennest” zugeschoben, das von den “immer selben Figuren” bevölkert wird. Dabei übersehen die Nörgler, dass sie es selber sind, die dieses Personal immer wieder neu ins Parlament wählen. 

Wahl um Wahl hat eine Mehrheit der 36 Millionen Wahlberechtigten in Kolumbien ihre Stimme entweder gar nicht abgegeben oder für den Preis eines Mittagessens verkauft, um sich dann wieder vier Jahre lang in Beleidigungen gegen “die da oben” zu ergehen.

Das Ergebnis der Parlamentswahlen vom 11. März 2018 jedoch ist ein Signal des Wandels, ein kleines vielleicht nur, aber ein entscheidendes. Trotz der peinlich hohen Anzahl von 80 Kandidaten, die unter Korruptionsverdacht stehen, scheinen die kolumbianischen Wähler erstmals die Politik und die Arbeit des Parlaments ernster zu nehmen.

Die Niederlage der Guerilla mit demokratischen Mitteln

Der wahre und größte Triumph dieses Wahltages war, dass die Zustimmung zur FARC zum ersten Mal innerhalb eines halben Jahrhunderts einer öffentlichen demokratischen Überprüfung unterzogen werden konnte. Viele Ex-Guerillas haben zum ersten Mal in ihrem Leben an einer Wahl teilgenommen. Und Wähler, die den bewaffneten Kampf immer abgelehnt hatten, konnten jetzt für die FARC stimmen – so sie es wollten.

Jose Ospina-Valencia, Redakteur DW-Spanisch

Das war Sinn und Zweck des Friedensabkommens. Die Integration der FARC in die demokratischen Spielregeln führte jedoch zur Bruchlandung in der Realität: Nur 52.532 von über 36 Millionen Wählern gaben der FARC ihre Stimme. Aus eigener Kraft onnten die Ex-Rebellen nicht einen einzigen Sitz mehr als die fünf garantierten Sitze im Repräsentantenhaus und im Senat gewinnen.

Dieses Wahlergebnis blamierte diejenigen, die vor der großen Gefahr des “Castrochavismus” der FARC fabulierten und meinten, die FARC würde mit ihrem immensen Drogengeld die Wahlen kapern und Kolumbien in ein zweites Venezuela verwandeln.

Santos verliert, der Frieden siegt

Die Unfähigkeit des Präsidenten Juan Manuel Santos, die Massen für sich zu gewinnen, und sein gescheiterter Versuch, es jedem recht machen zu wollen, führte zur Niederlage seiner Partei und zum Verlust der Kontrolle über die Friedensagenda. Jedoch wird der Friedensprozess im Parlament weiterhin von einer großen Mehrheit der Abgeordneten getragen. Sicher, die Siegerpartei ist die rechte Partei Centro Democrático des ehemaligen Präsidenten Álvaro Uribe. Und obwohl die Polarisierung während des Wahlkampfes sowohl von seiner Partei als auch von den Linken und ihrem Spitzenkandidaten Gustavo Petro gefördert wurde, haben die kolumbianischen Wähler ein Zeichen für den Sieg der politischen Mitte gesetzt. Sie haben Politiker jenseits der korrupten Machteliten und jenseits karibischer Heilsversprechen gewählt.

Dank tausender Jungwähler, die ihre Wahlstimme nicht wie ihre Eltern an einen lokalen Politiker verkauften, konnte die grüne Partei “Alianza Verde” ihren Stimmenanteil verdoppeln. Ihr Spitzenkandidat, der Ex-Bürgermeister von Bogotá Antanas Mockus, ist Paradebeispiel für eine neue Politikergeneration jenseits der Extreme.

Ja, es wird im kolumbianischen Parlament auch weiterhin zu viele Politiker unter Korruptionsverdacht geben. Doch die traditionellen Parteien bekommen jetzt Konkurrenz von politischen Bewegungen, die den Text der Verfassung ernst nehmen und ein Kolumbien des sozialen Ausgleichs schaffen wollen.

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