Kanzlerin benennt Vertraute und Kritiker

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Als “tatkräftiges, auf die Zukunft ausgerichtetes” Team hat Angela Merkel ihr Personaltableau für die neue Regierung vorgestellt. Eins ist sicher: Der Altersdurchschnitt der CDU-Minister sinkt.

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Die GroKo-Minister der CDU

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Merkel stellt CDU-Ministerriege für GroKo-Kabinett vor

In Deutschland bestimmt der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin, mit wem er oder sie zusammen am Kabinettstisch sitzen möchte, wer also Minister oder Ministerin wird. Allerdings geschieht das in der Regel in Absprache mit den Vorsitzenden der mitregierenden Parteien. Da Angela Merkel nicht nur Kanzlerin, sondern auch Parteivorsitzende der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU) ist, liegt das Personaltableau der CDU ganz in ihren Händen. Dieses Mal war mit besonderer Spannung erwartet worden, für wen sich Merkel entscheidet. Denn die Kanzlerin steht unter Druck.

Das schlechte Abschneiden der CDU bei der Bundestagswahl, die bislang gescheiterte Regierungsbildung, der Aufwind der Rechtspopulisten der “Alternative für Deutschland” (AfD) haben ungewohnt deutliche Kritik laut werden lassen. Außerdem ist ein Streit darüber entfacht, wie konservativ die CDU eigentlich sein will. Darüber hinaus wird – wie in anderen europäischen Ländern – auch in Deutschland diskutiert, welche Zukunft die Volksparteien der Konservativen (CDU) und der Sozialdemokraten (SPD) noch haben. Es gebe einen “Mangel an Ideen und frischem Personal”, beschrieb zum Beispiel der Politikwissenschaftler Jens Hacke im Monatsmagazin “Cicero” die brenzlige Lage. Wie reagiert Merkel? Kann sie das Rumoren beruhigen? Verspricht Ihr neues Kabinett Aufwind oder geht es nur um ein “Weiter-So”? Am Sonntag nun hat Merkel ihr Personaltableau in Berlin erst den Parteigremien und dann der Presse vorgestellt.

Merkel-Kritiker wird eingebunden

Die überraschendste Personalie ist die von Jens Spahn. Der 37-Jährige gilt als Nachwuchstalent, der sich in den letzten Jahren geschickt zu einer Symbolfigur der etwas konservativeren CDU-Politiker positioniert hat. Er trat für eine harte Flüchtlingspolitik ein, forderte eine Leitkultur und das Verbot der Vollverschleierung. Spahn ist mit einem Mann, einem Yellow-Press-Journalisten in Berlin verheiratet – er hat also von der gesellschaftspolitischen Modernisierung der letzten Jahre profitieren können.

In der CDU gibt es noch weitaus strukturkonservativere Kreise, den “Konservativen Aufbruch” zum Beispiel. Doch ein solcher Vertreter aus der Partei sitzt nicht mit an Merkels Tisch.

Jens Spahn: Bald an Merkels Seite

Viele politische Beobachter waren davon ausgegangen, dass Merkel Spahn eher nicht an den Kabinettstisch holt. Denn Minister zu sein, gibt zusätzlichen Einfluss in der Partei. Er soll das Gesundheitsministerium führen. Andererseits kann Merkel Spahn nun in die Kabinettsdisziplin einbinden. Genau das deutete Merkel in der Pressekonferenz auch an: Spahn wisse, was es bedeute, in einem Kabinett zusammen zu arbeiten, so Merkel. Es müsse immer um die Sache gehen. Merkel versuchte zudem, Spahns Rebellen-Image einzufangen. Er sei nicht der einzige mit kritischen Anmerkungen und auch nicht der einzige, der über konservative Wurzeln spreche.

Kein Wechsel im Verteidigungsministerium

Die Koalitionsverhandlungen mit der SPD und den Christsozialen, der bayerischen Schwesterpartei der CDU, endeten mit dem Verlust des Innenministeriums und des Finanzministeriums für die CDU. Auch das war Teil der Kritik der letzten Tage. Dafür besetzt die CDU nun das Wirtschafts- und Energieministerium. Das soll von Peter Altmaier (59) geleitet werden, einem engen Vertrauten von Merkel, der als Kanzleramtsminister die Flüchtlingspolitik und später den Bundestagswahlkampf organisierte.

Das zweite große Ministerium für die CDU – das Verteidigungsministerium –  bleibt in der Hand von Ursula von der Leyen (59). Obwohl sie zuletzt harsche Kritik einstecken musste, dass die Bundeswehr in Teilen nicht einsatzfähig sei. Es hatte Gerüchte gegeben, dass von der Leyen nach Brüssel wechselt. Nun bleibt sie vorerst in Berlin. Von der Leyen habe viele Reformen angestoßen, die noch nicht beendet seien, begründete Merkel ihre Wahl.

Die Nachwuchsriege

Als wertkonservativ und dennoch Merkel-nah gilt Julia Klöckner (45). Sie war schon einmal Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium. Nun übernimmt sie es.

Vom Staatsminister im Kanzleramt zum Kanzleramtsminister – eine Stufe rauf auf der Karriereleiter ging es auch für Helge Braun (45). Auch er gehört schon länger zu Merkels Machtzirkel.

Die neue CDU-Riege: Ursula von der Leyen, Jens Spahn, Julia Klöckner, Peter Altmaier, Helge Braun, Anja Karliczek (v. l. im Uhrzeigersinn)

Ein wirklich neuer Name ist der der neuen Bundesministerin für Bildung und Wissenschaft: Anja Karliczek. Die 46-Jährige Betriebswirtschaftlerin trat auf dem Gebiet ihres neuen Ressorts bislang kaum in Erscheinung. Im Bundestag ist sie seit 2013 und hat dort als Parlamentarische Geschäftsführerin in der Bundestagsfraktion der Partei gearbeitet.   

Kein Minister aus dem Osten

Mindestens sozio-demografisch betrachtet geht von Merkels Liste ein Signal des Aufbruchs aus. Auf jeden Fall sind die CDU-Minister wesentlich jünger als zuletzt. Betrug das Durchschnittsalter im alten Kabinett zuletzt 63 Jahre, ist es jetzt auf 50 Jahre gefallen. Der Anteil an Frauen war sowieso schon hälftig hoch – nun überwiegen sie sogar.

Es fehlt allerdings ein Minister aus dem Osten Deutschlands. Zwar ist Merkel selbst in der ehemaligen DDR aufgewachsen. Aber sie gilt im Osten eher als eine Reizfigur, was auch mit der dort starken AfD mit Werten über 20 Prozent zu tun hat. Allerdings hatte sie sich schon vor der Flüchtlingskrise selten als Interessenvertreterin der Ostdeutschen profiliert. Im Vorfeld gab es Druck auch von Ost-Ministerpräsidenten, Merkel solle eine Stimme des Ostens an den Kabinettstisch holen. Dem ist sie nun nicht gefolgt. Sie begründete das in relativ scharfen Worten, dass sie bitte schön selbst als Ostdeutsche angesehen werden möchte. Ihr ostdeutscher Wahlkreis liege in einem Zentrum der Probleme. Sie möchte nicht aus dieser Heimat vertrieben werden.

Wie geht es weiter?

Sollte die CDU an diesem Montag auf dem Bundesparteitag dem Koalitionsvertrag zustimmen – womit gerechnet wird – und sollte das Ergebnis des SPD-Mitgliederentscheids am kommenden Sonntag positiv ausfallen, könnte das Kabinett im März seine Arbeit aufnehmen. Es sei ein “tatkräftiges und auf die Zukunft ausgerichtetes” Team, sagte Merkel.

Die offizielle Ernennung der Minister übernimmt dann, so will es das Grundgesetz, der Bundespräsident.


  • GroKo-Kabinett: Merkels lange Minister-Liste

    Sie gibt nach – und hält die Stellung

    “Wenigstens das Kanzleramt haben wir behalten”, frotzelten einige CDU-Politiker, nachdem sie erfahren hatten, dass Parteichefin Angela Merkel (63) in den Verhandlungen mit der SPD das Finanzministerium abgeben musste. Sonst wäre es wohl gar nicht zum Koalitionsvertrag gekommen. Wird Merkel ihr Amt vorzeitig für einen Nachfolger räumen? Das ist die Frage, die sie stets verneint.


  • GroKo-Kabinett: Merkels lange Minister-Liste

    Merkels Mann für alle Fälle

    Auf Peter Altmaier (59, CDU) als Kanzeramtsminister konnte und hat sich seine Chefin stets verlassen, auch in der umstrittenen Flüchtlingspolitik. Jetzt soll er das Ministerium für Wirtschaft und Energie übernehmen. Nach dem Verlust des Finanzministeriums an die SPD gilt es als besonders wichtiges Ressort für den starken Wirtschaftsflügel in der CDU.


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    Ganz nah bei der Kanzlerin

    Auch Helge Braun (45, CDU) ist ein Mann, dem Angela Merkel vertraut, heißt es in Berlin. Bisher war er Staatsminister bei der Bundeskanzlerin. Jetzt soll er Peter Altmaier als Kanzleramtschef folgen. Seine Chefin dürfte es zu schätzen wissen, dass er von hier aus an zentraler Stelle sein Spezialgebiet Digitalisierung koordinieren kann.


  • GroKo-Kabinett: Merkels lange Minister-Liste

    Bundeswehr weiter die Richtung weisen

    Ursula von der Leyen (59, CDU) stand zuletzt bei der Frage der Ausrüstung und Einsatzbereitschaft der Truppe gehörig unter Druck. Von der Leyen, die bereits als Familienministerin mit Merkel regierte, wird auch als nächste NATO-Generalsekretärin gehandelt. Doch in Brüssel steht der Amtswechsel erst in zwei Jahren an. Mindestens bis dahin soll sie Verteidigungsministerin bleiben.


  • GroKo-Kabinett: Merkels lange Minister-Liste

    Senkt den Altersschnitt, kennt ihr Ressort

    Julia Klöckner (45, CDU) kommt aus Rheinland-Pfalz im deutschen Südwesten, einem Bundesland mit viel Landwirtschaft und Weinbau. Die stellvertretende CDU-Vorsitzende ist schon lange in Berlin präsent und mit der Kanzlerin vertraut. In der nächsten Regierung soll sie das Landwirtschaftsministerium leiten, hier war sie schon einmal zwei Jahre lang als parlamentarische Staatssekretärin tätig.


  • GroKo-Kabinett: Merkels lange Minister-Liste

    Jung, kritisch, ehrgeizig

    Jens Spahn (37, CDU) soll nun doch Gesundheitsminister werden. Er kommt aus dem starken Landesverband Nordrhein-Westfalen und gilt als Merkel-Kritiker, der in ausländischen Medien schon als ihr möglicher Nachfolger gehandelt wurde.


  • GroKo-Kabinett: Merkels lange Minister-Liste

    Das Kaninchen aus dem Zylinder

    Mit Anja Karliczek (46, CDU) hat Merkel eine Chefin für das Bildungsministerium benannt, die wohl die wenigsten auf dem Schirm hatten. Die Diplom-Kauffrau hat im September zum zweiten Mal in Folge das Direktmandat im Wahlkreis Steinfurt III (NRW) geholt und ist seit Januar 2017 Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.


  • GroKo-Kabinett: Merkels lange Minister-Liste

    Die Frau für Kultur und Medien

    Um Kultur kümmert sich in der deutschen Regierung traditionell kein eigenes Ministerium, sondern eine Kulturstaatsministerin im Kanzleramt. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien ist Monika Grütters (56, CDU) und sie soll es auch bleiben. Union und SPD wollen Kultur in ganz Deutschland fördern. Grütters sieht Kultur als “Brückenbauerin in einer vielfältigen Gesellschaft”.


  • GroKo-Kabinett: Merkels lange Minister-Liste

    Neue Heimat für den CSU-Chef?

    Horst Seehofer (68, CSU), vor kurzem noch bayerischer Ministerpräsident, so war direkt nach dem Ende der Koalitionsverhandlungen zu hören, soll neuer Innenminister werden. Der hartnäckigste Verfechter der Obergrenze in der Flüchtlingsdebatte soll mehr Verantwortung bekommen als sein Vorgänger Thomas de Maizière: Seehofer hat sich für sein Ministerium auch die Themen Heimat und Bau gesichert.


  • GroKo-Kabinett: Merkels lange Minister-Liste

    Kein bisschen kamerascheu

    Dorothee Bär (39, CSU) hat sich immer wieder zu Wort gemeldet in den vergangenen Monaten der schwierigen Regierungsbildung, gerne auch in Talkshows. Sie hat auch für ihre Partei den Koalitionsvertrag für die neue GroKo mit verhandelt. Nun könnte sie ihren Parteikollegen Gerd Müller an der Spitze des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ablösen.


  • GroKo-Kabinett: Merkels lange Minister-Liste

    Rückkehr ins Verkehrsministerium?

    Andreas Scheuer (43, CSU) war als Generalsekretär ganz seiner Partei verpflichtet. Doch er hat auch schon Erfahrungen in der Bundespolitik aufzuweisen. Bis 2013 war er parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Jetzt könnte er selbst das Verkehrsministerium übernehmen, zu dem auch das Ressort Digitales gehört.


  • GroKo-Kabinett: Merkels lange Minister-Liste

    Der Neue mit dem Auftrag schwarze Null

    Olaf Scholz (59, SPD) ließ sich als Kandidat für das Finanzministerium nicht lange bitten, sich zum Credo seines Vorgängers Wolfgang Schäuble (CDU) zu bekennen. Auch der bisherige Erste Bürgermeister Hamburgs will die schwarze Null sichern und keine neuen Schulden machen. Das steht im Koalitionsvertrag, gefällt aber nicht allen in der SPD. Scholz ist im Gespräch als Vizekanzler.


  • GroKo-Kabinett: Merkels lange Minister-Liste

    Stabile Verhältnisse in Rechtsfragen?

    Da die Sozialdemokraten das Justizministerium behalten, gilt es als wahrscheinlich, dass Amtsinhaber Heiko Maas (51, SPD), selbst gelernter Jurist, auch in der nächsten Regierung Justizminister bleibt. Mit einem Gesetz gegen Hass im Netz löste er viele Debatten aus. Er twittert oft und bezieht Stellung in vielen Debatten, etwa zum Umgang mit der deutschen Geschichte.


  • GroKo-Kabinett: Merkels lange Minister-Liste

    Sie könnte Andrea Nahles beerben

    Eva Högl (49, SPD) ist eine Parteikollegin von Heiko Maas, der Beobachter neben juristischer Kompetenz auch die Fähigkeit zur Leitung des Arbeitsministeriums zusprechen. Bisher hieß da die Chefin Andrea Nahles, aber die will als Fraktionschefin und künftige Parteichefin runter von der Regierungsbank. Högl hat selbst schon Erfahrungen im Arbeitsministerium, allerdings noch nicht an der Spitze.


  • GroKo-Kabinett: Merkels lange Minister-Liste

    Umweltpolitik – eine Aufgabe zum Heulen

    Als man sich 2015 in Paris auf das Klimaabkommen einigte, kamen Barbara Hendricks (65, SPD) vor Rührung die Tränen, so hat sie sich gefreut. Und auch wenn manche die Rückschläge in der Umwelt- und Klimapolitik zum Heulen finden, zeigt sich die 65-Jährige kein bisschen amtsmüde. Sie will auch in einer neuen GroKo Umweltministerin bleiben.


  • GroKo-Kabinett: Merkels lange Minister-Liste

    “Universalwaffe” der SPD?

    Katarina Barley (49, SPD), ist amtierende Familienministerin und könnte das auch bleiben. Zu bescheiden ist sie nicht, das machte sie am politischen Aschermittwoch klar. Als “Universalwaffe” der Genossen traue sie sich auch zu, Außenministerin zu werden, verkündete sie. Auslandserfahrungen und Sprachkenntnisse bringt sie mit. Ihre Worte haben den bisherigen Chefdiplomaten sicher nicht gefreut.


  • GroKo-Kabinett: Merkels lange Minister-Liste

    Gekommen, um zu bleiben?

    Sigmar Gabriel (58, SPD), amtierender Außenminister, hat zuletzt viele Beobachter bei der Sicherheitskonferenz in München mit einer Grundsatzrede davon überzeugt, wie engagiert er auftreten kann. Falls er das Außenamt abgeben muss, sind die Ursachen wohl eher im Streit mit der SPD-Führung um die designierte neue Vorsitzende Andrea Nahles zu suchen. Kämpfen will er nicht um das Amt, sagt Gabriel.


  • GroKo-Kabinett: Merkels lange Minister-Liste

    Aufstieg ins Ministeramt?

    Falls Sigmar Gabriel als Außenminister aus dem Kabinett ausscheiden sollte, könnte er nachrücken: Niels Annen (44, SPD) ist seit 2014 außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Wie Kevin Kühnert heute war auch er einst rebellischer Juso-Vorsitzender und kämpfte gegen die Politik von Gerhard Schröder. Heute ist er GroKo-Befürworter, er gilt als gut vernetzt, auch international.

    Autorin/Autor: Andrea Grunau