Venezuela: Ein Pastor fordert Maduro heraus

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Evangelikale Pfingstgemeinden gewinnen in Venezuela an Präsenz und Gefolgschaft. Kann ein evangelikaler Pastor als Gegenkandidat von Nicolás Maduro daraus Nutzen ziehen, wenn die Venezolaner am 22. April zur Wahl gehen?

Ausgerechnet ein evangelikaler Pastor will dem amtierenden Präsidenten Nicolás Maduro die Präsidentschaft Venezuelas streitig machen. Sein Name ist Javier Bertucci, er ist 48 Jahre alt und Chef der Maranatha-Kirche sowie der Bürgervereinigung “El Evangelio Cambia” (Das Evangelium verändert). An diesem Mittwoch will er seine Kandidatur offiziell machen. Der Pastor ist in Venezuela kein Unbekannter: Er ist wegen Schmuggels vorbestraft und wird in den “Panama Papers” erwähnt. Aber die Pfingstgemeinden in Venezuela verzeichnen starken Zulauf – genug für ein ein gutes Wahlergebnis im Rennen um die Präsidentschaft?

“Obwohl der Einfluss der Evangelikalen in ganz Lateinamerika zugenommen hat, ist dieser Boom in Venezuela noch recht moderat”, erklärt Daniel León vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Leipzig: “Ein Präsidentschaftskandidat in Costa Rica, der sein evangelikales Bekenntnis zum wichtigsten Teil seiner politischen Identität gemacht hat, könnte bald an die Spitze der Regierung aufsteigen. Bei Bertucci ist dies aber nicht der Fall.” Léons Ansicht nach vermindert der Pastor vielmehr die Chancen der Opposition, sollte diese sich doch noch dazu entschließen, ihren Boykott aufzugeben und an den Wahlen teilzunehmen. Das Anti-Maduro-Lager könne sich keine Zersplitterung der Stimmen leisten, sagt Léon.

Brasilianische Pfingstkirchler während einer Messe.

Die Stunde der Evangelikalen?

Auch Antonio Sáez Arance, Dozent am Institut für Iberische und Lateinamerikanische Geschichte der Universität Köln, beobachtet die Expansion der evangelikalen Kirchen in Lateinamerika. “Die Bedeutung dieser Gemeinden in der Politik nimmt weiter zu. In den zentralamerikanischen Ländern sind sie um Jahrzehnte voraus, auch weil sie dort ihrem Ursprung viel näher sind: den USA”, sagt Sáez Arance: “Das in Venezuela ein Javier Bertucci, ein Pastor ohne jegliche politische Erfahrung, in unruhigen Zeiten sein Glück versucht und seinen Hut in den Ring wirft, sagt viel über den prekären Zustand der Opposition in Venezuela aus. Sie ist in einem so desolaten Zustand, dass sie sich nicht mal entscheiden kann, ob sie an der Präsidentschaftswahl teilnehmen will oder sie lieber boykottiert.”

Bertuccis Rede, mit der er am Sonntag seine Kandidatur ankündigte, war aus Sicht des Kölner Dozenten von beeindruckender Einfachheit und Banalität. Schwerpunktthemen waren die Sicherheit, die allgemeine Ordnung und die Moral, nach der sich viele Venezolaner sehnen würden. Die wirtschaftlichen Probleme des Landes seien leichter zu lösen als die Krise des Werteverfalls – Worte, die von hunderten von Anhängern am vergangenen Sonntag mit starkem Beifall begrüßt wurden. “Niemand kann ausschließen, dass dieser Mann 25 oder 30 Prozent der Stimmen bekommt”, meint Sáez Arance.

Unzuverlässige Umfragen

“In Venezuela stellen die Evangelikalen etwa 25 Prozent der Bevölkerung. Es ist aber unmöglich, genauere Zahlen zu bekommen, da wir keinen Zugang zu zuverlässigen demoskopischen Studien haben. Die Chancen von Javier Bertucci kann man deshalb kaum einschätzen”, warnt der Kölner Experte. Auf der anderen Seite würde das Ergebnis der Wahl aufgrund der Intransparenz des Regimes international ohnehin nicht anerkannt werden.

Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass der amtierende Präsident Nicolás Maduro die Wahlen am 22. April gewinnen wird, in einer mehr oder weniger manipulierten Abstimmung. Doch der Stimmenanteil von Bertucci könnte, so Saéz Arance, durchaus bemerkenswert ausfallen und so den Verdacht bestätigen, dass Bertucci nicht wirklich nach der Präsidentschaft strebt, sondern der Regierung sein Potential als politischer Führer demonstrieren will. “Die Klientel der Pfingstgemeinden unterscheidet sich nicht grundlegend von der Anhängerschaft Maduros”, so Saéz Arance: “Die Bolivarische Revolution verdankt ihren Sieg in Venezuela dem Umstand, dass Hugo Chavez sich erfolgreich um die Unterstützung der unteren Schichten warb.”