Onlinedating: Verliebt auf den ersten Klick?

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“Alle elf Minuten verliebt sich bei uns ein Single” – verspricht die Werbung eines bekannten Onlinedating-Portals. Doch halten die Verkupplungsseiten, was sie versprechen? Zum Valentinstag eine Bestandsaufnahme.

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26.712 Menschen haben sich in zwei Jahren ihr Profil angesehen. 21.357 haben ein Like dagelassen. Getroffen hat sich Ina Beyer mit rund 15 Menschen. Die 29-jährige Journalistin aus Leipzig zieht ein eher nüchternes Fazit: “Es war nie jemand dabei, mit dem ich eine Verbindung hätte aufbauen können.”

Dass sie überhaupt bei einer Dating-App angemeldet ist, verdankt sie einer Idee am WG-Tisch. Umgesetzt hat sie sie zusammen mit ihren beiden Mitbewohnern vor zwei Jahren im Rahmen einer journalistischen Seminararbeit für die Universität. Ihr Ziel: in 100 Tagen zum Date am Valentinstag.

Die ersten Tage bei der App waren für Ina Beyer heftiger als gedacht: Sie bekam so viele Zuschriften, “dass ich fast 24 Stunden am Tag gebraucht hätte, um allen zu antworten”.

Männer sind noch immer “Jäger”

Einen Eindruck, den Alexandra Langbein bestätigen kann. “Die Frauen sind im Vorteil, weil immer noch das Schema des Mannes als Jäger gilt”, sagt die Pressesprecherin des Portals Singlebörsen-Vergleich. Während sich Frauen bei ihnen melden, dass sie von Nachrichten zugeschüttet würden, fragten sich die Männer, was sie falsch machten, weil ihnen keine Frau zurückschreibe.

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Kuscheln kostet: Online-Dating

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Kuscheln kostet: Online-Dating

Singlebörsen-Vergleich bewertet den wachsenden Onlinedatingmarkt durch eigene Tests und Nutzerrückmeldungen. Zwischen 2500 Plattformen können die Menschen auf der Suche nach der Liebe oder einem Sexpartner wählen.

Umfangreicher Markt

Die Branche hat in den vergangen 15 Jahren an Umsatz zugelegt. Dabei muss man verschiedene Schwerpunkte unterscheiden: Bei Partnervermittlungen steht ein umfangreicher Persönlichkeitstest am Anfang. Menschen, die gut zueinander passen könnten, werden von dem Anbieter zusammengeführt. Bei Kontaktanzeigen-Portalen, der einzigen Sparte, die nach Einschätzung von Langbein in den letzten Jahren an Einfluss verloren hat, kann sich jeder Nutzer selbst durch die Profile klicken.

Dating-Apps wiederum funktionieren eher über das Smartphone, sind sehr auf Fotos fixiert und bieten oft nur wenig Platz für zusätzliche Informationen. Dann gibt es die Kategorie des sogenannten “Adult-Datings”. Hinter dem Begriff verbergen sich Seitensprung-Portale und Seiten, die explizit der Suche nach Sexkontakten und Gleichgesinnten bei sexuellen Vorlieben dienen.

Neben Single-Reisebörsen gibt es auch Nischenportale, bei denen jeder Topf seinen Deckel finden können soll: Portale für Alleinerziehende. Für jegliche Körperform von dick und dünn über groß und klein. Plattformen, die gemeinsame Einstellungen teilen wie Vorlieben für Esoterik, Heavy Metal oder Veganismus. Und Singlebörsen für Berufe wie Mediziner, Polizisten oder Metzger (angeblich kann man sich dort zum gemeinsamen “Sau ausnehmen” verabreden) sind ebenso am Markt wie Plattformen für den gewissen Altersunterschied und sogar für Gefängnisinsassen.

Aber auch der “Graumarkt”, unseriöse Anbieter, ist nach Einschätzung von Singlebörsen-Vergleich gewachsen. Diese nutzen bezahlte Animateure, die Fake-Profile betreiben, um Kunden bei der Stange zu halten, bis sie das nächste Mal Geld investieren, erklärt Langbein. Erst Mitte Januar hatte die Verbraucherzentrale Bayern 187 Onlinedating-Portalen diese Praxis angekreidet. Nicht einmal jedes Vierte hatte in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen darauf hingewiesen, fiktive Profile einzusetzen.

Mehrfachnutzung ist die Regel 

Über mangelnde Nachfrage können sich die Betreiber nicht beschweren. Die Nutzerzahlen wuchsen in den vergangenen Jahren rasant. Für das Jahr 2015 verzeichnete der Singlebörsen-Vergleich 118,1 Millionen Nutzer in Deutschland. Diese Zahl muss man aber relativieren: Wer Onlinedating nutzt, meldet sich oft bei mehreren Portalen gleichzeitig an. Und nicht alle Anbieter löschen “tote” Profile. Als wirklich aktiv gelten nur diejenigen, die sich mehrmals im Monat einloggen, was die tatsächliche Zahl auf rund 8,4 Millionen reduziert – also rund jeder zehnte Bundesbürger ist aktiv, wenn man Merhfachprofile ignoriert. Die Daten wurden dem Vergleichsportal von den Anbietern zur Verfügung gestellt.

Nicht nur die schiere Anzahl an Nachrichten hatten Ina Beyer überrumpelt, sondern auch der Tonfall: “Die Leute sind teilweise wirklich aggressiv und beleidigend geworden, wenn man nicht direkt geantwortet hat. Das hat mich im ersten Drittel des Projekts ein bisschen runtergezogen.” Zwischendurch hatte sie sogar abgebrochen – wären da nicht die Seminararbeit und ihre Mitbewohner gewesen, die sie zum Durchhalten bewegt hätten.

Auf ungefragt geschickte Fotos von Geschlechtsorganen oder eindeutige Anmachen, die ohne Umschweife auf Sex aus waren, reagierte sie teils mit Ironie.

Wie erfolgreich ist man bei der Partnersuche im Internet? Einer Umfrage des digitalen Branchenverbandes Bitkom zufolge haben von 244 befragten Nutzern von Onlinedating-Diensten 44 Prozent darüber schon einen festen Partner gefunden.

Flirtcoach Horst Wenzel ist dennoch ein Kritiker des Onlinedatings, besonders der App “Tinder”. Diese App hat den Ruf, eher für die schnelle, unverbindliche Nummer im Bett zu sorgen, als dass man darüber die Liebe seines Lebens finden kann – wenngleich das nicht ausgeschlossen ist. “Wie traurig ist das eigentlich”, so Wenzel, “da sitzen zwei, die super zueinander passen würden, an der Bushaltestelle und tindern vor sich hin, statt sich in die Augen zu schauen und direkt miteinander zu reden.” Der Flirtcoach fragt sich, wo die Romantik bleibt: “Das Besonderheitsgefühl geht nach dem 20., 30. Tinder-Date irgendwann verloren.”

“Sprich sie einfach an”, würde wohl der Flirtcoach Horst Wenzel in dieser Situation raten.

Wenzel leitet die Flirtuniversity in Köln, die online und in Kursen zu Liebe und Flirten berät. Wenn seine Kunden Onlinedating wünschen, dann arbeiten sie gemeinsam an der Präsentation. Aber: “Durch Onlinedating wird eine Art Traumwelt aufgebaut, die bei vielen Leuten zu Frust führt”. Wenn sich alle online geschönt und von der “allerbesten Schokoladenseite” zeigen, sei die Enttäuschung beim Date vorprogrammiert.

Ein alter Hut: Ehrlich währt am längsten.

Ehrlichkeit sei immer noch das Beste, finden sowohl Wenzel als auch Langbein. Im realen Leben lerne man den Menschen auch mit seinen Schwächen kennen. Eine Meinung, die durchaus bei Nutzern Anklang findet, die optimierte und gestellte Fotos satt haben und stattdessen den Alltag sehen wollen, wie der Kommentar einer Tinder-Nutzerin auf Twitter zeigt

Onlinedating verändert die Menschen, findet Flirtcoach Wenzel. Seiner Meinung nach brauchen sie heute länger, um sich zu einer Beziehung bekennen. “Die große Auswahl an Singles, die es gibt, sorgt dafür, dass die Menschen nach der eierlegenden Wollmilchsau suchen. Man datet, hält aber gleichzeitig noch die Augen nach einer besseren Option offen.” Zugegeben spielen dabei auch weitere Faktoren eine Rolle: Wenzel denkt, die höhere Flexibilität, die Menschen im Leben abverlangt wird, sorge dafür, dass sie auch in Beziehungsmodellen flexibler geworden sind. Überhaupt seien lose Beziehungsmodelle heute viel akzeptierter. 

Das Ergebnis nach 100 Tagen

Das Date zum Valentinstag – das Ziel des 100-tägigen Projekts – hatte Ina Beyer aus Leipzig übrigens nicht. Sie sei krank gewesen und habe sich nicht darum kümmern wollen. Die App benutzt sie nur noch sehr sporadisch: “Wenn ich krasse Langeweile habe, sodass mir nichts mehr anderes einfällt und ich meine Fenster geputzt habe, dann mache ich sie alle halbe Jahre mal auf.” Gerade hat sie sich mit jemandem aus der Nachbarschaft getroffen, mit dem sie sich bereits eine ganze Weile geschrieben hatte. Was daraus wird, ist noch völlig offen.