Neymar: Spielen am Limit

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Für die Rekordsumme von 222 Millionen Euro zu PSG gewechselt, trumpft Neymar in Paris derzeit groß auf. Im Giganten-Duell zwischen Real Madrid und PSG fällt er aber zum wiederholten Male negativ auf.

Neymar sammelt Tore – und aktuell auch Karten

Neymar dribbelt, Neymar trickst, Neymar beschäftigt die gesamte Real-Abwehr. Der Rekordmann von Paris Saint-Germain leitet so gut wie jeden Angriff der Gäste aus Frankreich ein, manchmal eigensinnig, meist genial, immer unglaublich schnell. Das ist der Neymar, den seine Fans lieben. Es ist noch keine Viertelstunde gespielt in dieser Champions-League-Partie gegen Real Madrid, da tritt der andere Neymar erstmals in Erscheinung. Ein normaler Zweikampf mit dem Madrider Verteidiger Nacho Fernández, in dem Neymar allerdings etwas zu spät kommt. Dann tritt Neymar zu, ziemlich offensichtlich und in einer so frühen Phase des Spiels höflich formuliert: ungeschickt. Schiedsrichter Gianluca Rocchi bleibt keine andere Wahl und gibt Brasiliens Fußball-Volksheld Gelb. Neymar leistet sich in der ersten Hälfte noch eine weitere Nickeligkeit, scheint von der Ermahnung des Schiedsrichters gänzlich unbeeindruckt.

Neymar, unbestritten einer der genialsten Fußballer seiner Generation, spielt nicht nur in diesem Champions-League-Spiel gegen Real Madrid groß auf und wirkt gleichzeitig unsportlich. Erst kürzlich sorgt er im französischen Pokal für Aufsehen: Im Spiel bei Stade Rennes, das Paris knapp mit 3:2 gewinnt, überlupft er gekonnt seinen Gegenspieler, der ihn verfolgt und umstößt. Kurz darauf begeht Neymar, offensichtlich gefrustet, ein rüdes Foul an Hamari Traoré. Und was tut Neymar? Er schlägt den Ball weg, applaudiert höhnisch Beifall, als er die Gelbe Karte sieht. Dann geht er plötzlich zu seinem Gegenspieler, als wolle er sich entschuldigen und ihm aufhelfen, wie es im Sinne des Fairplay üblich ist. Doch noch bevor der Verteidiger allerdings zugreifen kann, zieht der PSG-Stürmer seine Hand wieder weg und läuft mit einem Grinsen auf dem Gesicht davon.

Neymar erntet einen Shitstorm

Die Folge ist ein regelrechter Shitstorm in den sozialen Medien. Viele unterstellen Neymar Arroganz, fehlenden Sportsgeist und unschönere Begriffe. Der Brasilianer muss sich erklären: “Alles wird sofort verurteilt. Das war zum Spaß, das mache ich auch mit Freunden”, sagt er mit dem gleichen schelmischen Grinsen wie auf dem Rasen. “Wir haben uns das gesamte Spiel unterhalten und gelacht.” Hamari Traoré sieht in den Szenen nach dem Foul übrigens nicht danach aus, als habe er Spaß.

Es ist nicht das erste Mal, dass Neymar einen Handschlag verweigert und es ist auch nicht das erste Mal, dass er kurz vor dem Platzverweis steht. Neymar spielt derzeit am Limit. Genie und Wahnsinn liegen bei ihm nah beieinander, und das ist keine Platitude. Wer Neymar über den gesamten Verlauf seiner Karriere beobachtet hat, erkennt immer wieder jene cholerischen Charakterzüge, die auch jetzt wieder sichtbar werden. So auch in Halbzeit zwei des Königsklasse-Duells mit Real Madrid. Neymar zeigt einen wunderschönen Zidane-Trick, doch es mangelt ihm an Unterstützung aus seiner Mannschaft. Das nervt Neymar sichtlich.

Opfer oder Täter?

Nach einer Stunde dribbelt er an der Mittellinie und hebt ab zu einer klaren Schwalbe. Schiedsrichter Rocchi verschont ihn, lässt den teuersten Fußballprofi der Welt auf dem Spielfeld, obwohl der den Platzverweis verdient gehabt hätte. Und als hätte er die Geduld des Schiedsrichters Gianluca Rocchi nicht schon genug ausgetestet, knallte er dem Unparteiischen in der 69. Minute einen Ball aus kurzer Distanz an den Kopf.

Kaum zu stoppen: Neymar ist ein begnadeter Dribbler, der viel einstecken muss

Klar, Neymar ist ein Spieler, der selbst oft gefoult wird. Seine Tempoläufe werden gerne mal rabiat und abrupt gestoppt, weil es manchmal schlicht kein anderes Mittel gegen ihn gibt. So auch in der 78. Minute, als ihn Nacho jäh und unsportlich von den Beinen holt. Wehrt sich Neymar also nur gegen die dauernden Angriffe auf sein einzigartiges Spiel? Oder hat der Brasilianer längst eine rote Linie überschritten? Die Tendenz geht zu Letzterem. Neymar hat seit dem Rekordtransfer von Barcelona nach Paris eine Art Sonderstatus, kann sich offenbar etwas mehr erlauben als andere, so wirkt es zumindest. Und sein ohnehin ausgeprägtes Selbstbewusstsein hat die 222 Millionen Euro-Ablösesumme auch nicht gerade verkleinert. Satte 57 Millionen Euro soll er jährlich verdienen.Und mit 19 Toren in 18 Liga-Spielen sowie weiteren sechs Champions-League-Treffern hat Neymar auch gute Argumente auf seiner Seite.

Aber: Seinem Spiel steht er mit seinen Unsportlichkeiten manchmal selbst im Weg: In der Schlussphase der Partie ist Neymar abgemeldet, muss sich zurückhalten, um nicht doch noch vom Feld zu fliegen. Derweil macht Real Madrid mit Cristiano Ronaldo (83.) und Marcelo (86.) die Big Points. Die Treffer der Real-Stars sind nüchtern und eiskalt. Neymar schaut nur enttäuscht in Richtung eigene Defensivabteilung. Madrid stößt mit dem 3:1 (1:1)-Heimsieg das Tor zum Viertelfinale weit auf. Und Neymar braucht im Rückspiel mehr als ein paar Dribblings für die Wende.