#MeToo bewegt die Berlinale

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Die Berlinale gilt schon lange als das politischste aller Filmfestivals. In diesem Jahr zeigt sich das noch deutlicher: Bereits vor Beginn gibt es für viele nur ein Thema: die Debatte um sexuellen Missbrauch.

2016 war die Flüchtlingskrise omnipräsent – und ein Dokumentarfilm über die lebensgefährliche Fahrt von Migranten über das Mittelmeer gewann den Goldenen Bären. Im vergangenen Jahr drehte sich alles um den neuen US-Präsidenten Donald Trump. Nun ist es also die #MeToo-Debatte, die schon im Vorfeld des Festivals in aller Munde ist, und die wohl auch nach dessen Start im Mittelpunkt stehen wird. 

#MeToo als Programmpunkt 

Im Unterschied zu den Debatten der letzten Jahre betrifft die Diskussion diesmal die Filmindustrie selbst: Die Weinstein-Affäre hat ein gesellschaftliches Erdbeben ausgelöst, dessen Epizentrum in der Branche selbst liegt. Da helfen auch ein paar schwarze Kleider bei den Preisverleihungen nicht. 

Dieter Kosslick bei der Pressekonferenz zur Berlinale 2018

Die Berlinale-Veranstalter kündigten bereits an, für sexuelle Selbstbestimmung und gegen jegliche Art von Missbrauch einzustehen. Ganz konkret heißt das, dass sich ein breites Programm im Rahmen des Festivals mit dem Thema #MeToo auseinandersetzen wird. So findet kommenden Montag beispielsweise eine Podiumsdiskussion mit dem Titel “Culture Wants Change – A Conversation on Sexual Harassment in Film, Television and Theater” statt. Außerdem soll eine neue Webseite namens “Speak Up!” Angehörigen der Filmindustrie, die Opfer sexuellen Missbrauchs geworden sind, Unterstützung anbieten.

Laut Berlinale-Direktor Dieter Kosslick habe man die Debatte von Anfang an ernst genommen und deshalb Produktionen, deren Regisseure des sexuellen Missbrauchs verdächtigt werden, disqualifiziert und aus dem Line-Up entfernt. Nach dieser Ankündigung hat die Einladung eines umstrittenen Filmemachers aus Südkorea allerdings für Aufsehen gesorgt.

Der Fall Kim Ki-duk

Eine südkoreanische Schauspielerin bezichtigte die Festivalorganisatoren der Heuchelei, nachdem diese Kim Ki-duk eingeladen hatten, seinen neuen Film “Human, Space, Time and Human” auf dem Festival zu zeigen, obwohl es Missbrauchvorwürfe gegen den Regisseur gibt.

Der koranische Regisseur Kim Ki-Duk

Eine Schauspielerin, die anonym bleiben wollte, warf Kim Ki-duk vor, er habe sie während der Dreharbeiten zu seinem Film “Moebius” 2013 geschlagen und zu nicht im Drehbuch enthaltenen Sexszenen zwingen wollen. Eine Ohrfeige hatte der Regisseur zugegeben und war dafür auch verurteilt worden. Weitere Anschuldigungen wies Kim Ki-duk  jedoch zurück. Das Gericht sprach ihn aufgrund von Mangel an Beweisen in dieser Hinsicht frei.

Paz Lázero, Leiterin der Sektion Panorama, in der Kims Ki-duks neuestes Werk gezeigt werden soll, reagierte besonnen. Der südkoreanische Filmemacher sei bewusst eingeladen worden, denn er habe “zugesagt, sich dieser Debatte, die über seinen Film hinausgehen mag, zu stellen”, so Lázero.

Gegenüber der Zeitung “The Korea Herald” erklärte sie zudem, dass man sich dazu entschieden habe, “keine vorschnellen Antworten auf komplizierte Fragen” zu geben, sondern vielmehr einen Raum für Dialog schaffen zu wollen – “im Kino und darüber hinaus”.

Eine offene Debatte ist notwendig – auch in Deutschland

Der Fall Harvey Weinstein und seine Folgen haben gezeigt: Es gibt es systembedingtes Problem in der Filmindustrie. Doch wo genau beginnt Machtmissbrauch? Diese Frage wurde in letzter Zeit wiederholt aufgeworfen. Während Catherine Deneuve für ihre scharfe Kritik an #MeToo viel Gegenwind bekam, häufen sich mittlerweile Stimmen, die sich ähnlich kritisch äußern. Die Debatte ist in vollem Gang. 

Einen Skandal löste auch Deutschlands erster und bisher weitreichendster #MeToo-Fall um Regisseur Dieter Wedel aus. Die Angelegenheit bekam zusätzliche politische Dimensionen, nachdem bekannt wurde, dass Verantwortliche des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bereits in den 1980er Jahren von den Vorwürfen gegen Wedel wussten, ihn jedoch deckten.

“Angst und Schweigen waren viel zu lange seine [des Missbrauchs – Anm. d. Red.] stillen Komplizen. Es ist gut, dass damit Schluss gemacht wird und dass sich nun vermehrt Frauen und auch Männer zur Wehr setzen”, erklärte Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur und Medien, am Mittwoch (15.2.2018). “Wir brauchen hier einen Kulturwandel, an dem alle mitwirken”, forderte sie und erklärte außerdem, das Angebot an Beratungsstellen für Missbrauchsopfer ausbauen zu wollen.

Schwarz oder rot?

Wie schon bei den Golden Globes werden auch bei der Berlinale viele schwarze Kleider als symbolische Unterstützung der Missbrauchsopfer auf dem Roten Teppich erwartet. Schauspielerin Claudia Eisinger ging einen Schritt weiter und forderte gar, den Roten Teppich in diesem Jahr schwarz zu färben. Ihre Petition unter dem Hashtag #BlackCarpetBerlinale haben auf der Plattform change.org bereits über 20.000 Unterstützer unterzeichnet.

#BlackCarpetBerlinale: Claudia Eisinger

Außerdem rief Schauspielerin Anna Brüggemann im Vorfeld der Berlinale die Initiative “Nobody’s Doll” ins Leben. In einem offenen Brief, der von vielen ihrer Kolleginnen und Kollegen unterzeichnet wurde, kritisiert sie, dass von Frauen auf Gala Events traditionell erwartet würde, in sexy Kleid und High Heels zu erscheinen. “Diese Bilder, die da gemacht werden, haben eine große Wirkung auf alle, die sie sehen, selbst auf Kinder”, sagte Schauspielerin Alina Levshin, die die Initiative unterstützt, der DW. Dadurch würde das Bild vermittelt, dass Frauen zwangsläufig attraktiv sein müssten, um erfolgreich zu sein. “Und das ist nicht, was wir senden wollen”, erklärte Levshin.

Festival-Direktor Dieter Kosslick unterstützt die Initiative ebenfalls. “Ich kann nur jede Frau ermutigen, so zu kommen, wie sie will. Übrigens gab es noch nie einen Dresscode auf der Berlinale”, betonte Kosslick auf einer Pressekonferenz. “Ich werde niemanden zurückweisen, auf keinen Fall werde ich eine Frau zurückweisen, die flache Schuhe trägt – und übrigens auch keinen Mann, der High Heels trägt.”