Krebs ist bei Kindern Todesursache Nummer Zwei

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Die meisten Kinder sterben im Verkehr, danach folgen Krebserkrankungen, auch Hirntumore. Kristian Pajtler beschäftigt sich mit einer selteneren Form – mit Ependymomen – und erklärt hier, warum sie so tückisch sind.

Deutsche Welle: Herr Pajtler, Ihr Spezialgebiet als Kinderonkologe sind Ependymomen. Was ist das genau?

Kristian Pajtler: Ein Ependymom ist ein Hirntumor beziehungsweise eine ganze Gruppe von Hirntumoren, die sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen auftreten können. Sie können an der gesamten Neuroachse auftreten, also sowohl im Gehirn als auch im Spinalkanal, im Rückenmarksbereich.

DW: Wie häufig ist dieser Tumor bei Kindern?

Bei Kindern machen die Ependymomen ungefähr zehn Prozent aller Hirntumorerkrankungen aus. Das Besondere an diesem Tumor ist, dass er relativ resistent gegen Chemotherapie ist. Da steht man als Arzt relativ schnell mit dem Rücken zur Wand. Viele dieser Tumoren bilden relativ häufig Rezidive (Rezidiv: Tumor, der immer wieder auftaucht, Anm.d.Red.). Das Problem ist, dass man nicht immer wieder bestrahlen kann. Das kann man vielleicht ein- oder zweimal machen. Die Therapie ist also sehr limitiert. Bei Ependymomen beginnt es mit der Chirurgie, und daran schließt sich dann häufig eine Strahlentherapie an. In manchen Fällen folgt auch noch eine Chemotherapie.

DW: Was ist das gefährliche an Ependymomen?

Ein Ependymom ist ein Tumor, der in manchen Fällen bis zu zehnmal wiederkehren kann. Das heißt: Dieser Tumor wird operiert, mit Strahlentherapie behandelt, und Monate oder Jahre später bekommen die Kinder dann wieder ein Rezidiv. Das ist ein typischer Verlauf gerade für die aggressiven Ependymomen. Entscheidend ist die Radikalität der Chirurgen, also die sogenannte R-0-Resektion. Das heißt dann, dass letztlich keine Tumorzellen mehr vorhanden sind.

Der Kinderonkologe Dr. Kristian Pajtler ist ist auf Hirntumore spezialisiert

DW: Worauf kommt es bei der Therapie der Kinder mit Ependymomen vor allem an?

Es kommt auf jeden Fall auf das Können des Neurochirurgen an. Deswegen plädieren wir sehr stark dafür, dass diese Kinder in Zentren behandelt werden, in denen die Mediziner viele von diesen Tumoren sehen und operieren. Um sie möglichst radikal zu reduzieren, muss der Chirurg viel Erfahrung haben.

Besonders schwierig ist es, wenn diese Tumoren in der Nähe wichtiger Areale sind, die zum Beispiel wichtig für die Sprache sind oder wenn sie im Bereich des Hirnstamms liegen. Der beeinflusst alles Mögliche, zum Beispiel die Atmung. In solchen Fällen ist es extrem schwierig, radikal zu operieren. Dann müssen die Mediziner sehr vorsichtig und gut abwägen, wie viel neurologische Defizite man eingehen möchte, um ein Überleben zu sichern und ob es diesen Preis wert ist.

DW: Ist ein solches Ependymom für ein Kind ein Todesurteil?

Nein, nicht grundsätzlich. Das Schöne an der Kinderonkologie ist, dass selbst Tumoren wie Ependymomen, nicht direkt ein Todesurteil darstellen. Es gibt Diagnosen, wo das so ist, aber die sind sehr selten. Wir versuchen zunächst, mit den Neurochirurgen und den Radiotherapeuten Konzepte zu entwickeln. Über 90 Prozent aller Patienten in der Pädiatrischen Onkologie werden nach ganz klar standardisierten Vorgaben behandelt.

Wenn der Neurochirurg den Tumor komplett entfernen kann, ist es möglich, dass das Kind nie wieder einen solchen Tumor bekommt. Die langfristige Überlebenschance liegt bei etwa 75 Prozent. Das ist extrem viel. Nimmt man jetzt nur die aggressiven Tumoren, stehen die Chancen wesentlich schlechter, etwa um die 40 Prozent.

DW: In Heidelberg entsteht ein Kinderkrebszentrum. Warum ist ein solches spezielles Zentrum nötig?

Wir wollen ein onkologisches Zentrum nur für Kinder einrichten, um so die Diagnose- und Therapiemöglichkeiten zu verbessern. Ziel ist es, krebskranken Kindern gezielter helfen zu können. Forschung, Diagnostik und Therapie sollen dabei unter einem Dach zusammengeführt werden. So können Erkenntnisse aus der Forschung schneller direkt in die Klinik gelangen und umgekehrt. Wir können den betroffenen Kindern sehr moderne Therapien zugutekommen lassen. Als Zentrum können wir ihnen frühe klinische Studien zugänglich machen. Auf der klinischen Seite gibt es Neurochirurgen, die Kinderchirurgen, Radiologen, Strahlentherapeuten. Es gibt weitere Disziplinen wie zum Beispiel Psycho-Onkologen, Sozialarbeiter, und auch Lehrer gehören dazu. Es ist ein sehr großes, interdisziplinäres Team. Das sorgt dafür, dass alle Aspekte dieser Erkrankung angegangen werden.

DW: Was macht für Sie persönlich die Arbeit in der Kinderonkologie aus?

Es ist sehr spannend, mit Kindern zu arbeiten und auch sehr schön. Es gibt gute Erfolge und im Gegensatz zur Erwachsenen-Medizin sind die Heilungsraten relativ hoch. Sie liegen bei etwa 80 Prozent. Ein zweiter Punkt ist sicherlich, dass Kinder unglaublich ehrliche Patienten sind. Das Feedback von Kindern kann sehr hilfreich sein, aber auch sehr hart. Wenn ein Kind in die Klinik kommt und sich freut dass es einen sieht, dann gibt einem das sehr viel zurück. Das kann man kann man nicht anders sagen.

Der Kinderonkologe Kristian Pajtler arbeitet am “Hopp-Kindertumorzentrum am NCT Heidelberg” (KiTZ). Für seine Arbeit an Ependymomen erhielt er den mit 100.000 Dollar dotierten “2018 CERN Scientific Fellowship Award”.

Das Interview führte Gudrun Heise.