Obasanjo: “Bei Demokratie geht es um Wandel”

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Streit um Nigerias Regierungsstil: In einem offenen Brief wirft der ehemalige Präsident Obasanjo dem amtierenden Buhari Nepotismus vor und fordert ihn auf, nicht erneut anzutreten. Adrian Kriesch hat Obasanjo getroffen.

In Nigeria hat der Wahlkampf bereits begonnen. Im Februar 2019 geht Muhammadu Buharis erste Amtszeit zu Ende. Der Mann, der einst als Hoffnungsträger im Kampf gegen die grassierende Korruption im Land galt, erntet nun zunehmend Kritik. Darunter auch vom ehemaligen Regierungschef Olusegun Obasanjo, der bekannt für seine Briefe an amtierende Präsidenten ist. Zuletzt schrieb er Ende Januar an Buhari, dem er unter anderem fehlenden Einsatz im Kampf gegen die Korruption in den eigenen Reihen vorwirft. Wenige Tage später gründete er in der Hauptstadt Abuja die Bewegung “Koalition für Nigeria”, in der auch viele ehemalige Gouverneure und Politiker vertreten sind. Dabei war Obasanjo einst ein großer Befürworter Buharis.

DW: 2015 haben sie ihre Mitgliedskarte der damals regierenden Partei PDP öffentlich zerrissen und den Oppositionskandidaten Muhammadu Buhari unterstützt. Jetzt haben Sie diesen in einem Brief heftig kritisiert und ihm nahegelegt, er solle nicht für eine zweite Amtszeit kandidieren. Denken sie rückblickend, dass es die richtige Entscheidung war, Buhari 2015 zu unterstützen?

Olusegun Obasanjo: Ja, es war die richtige Entscheidung im Hinblick auf die schmutzigen Korruptionsenthüllungen in der Regierung Goodluck Jonathan und seinem Gefolge. Die Entscheidung war zu diesem Zeitpunkt die richtige für das Land und unsere Demokratie. Wir haben in den Wahlen einen friedlichen Übergang von einer Partei zu einer anderen Partei geschafft und somit den Demokratieprozess in Nigeria gefestigt. Es ist aber auch jetzt die richtige Entscheidung zu sagen, dass wir einen Wandel brauchen, wenn wir sehen, dass der Mann, der das Amt von Jonathan übernommen hat, die Erwarten der Nigerianer nicht erfüllt. Darum geht es doch in einer Demokratie – Sachen, die nicht so laufen wie sie sollten, zu ändern.

Nigerias Präsident Buhari

Eines der Hauptthemen, denen sich Buhari annehmen wollte, war der Kampf gegen Korruption. Jetzt sagen Sie im Wesentlichen, er sei bei korrupten Leuten aus seinem engsten Kreis auf beiden Augen blind. Hat Buhari den Kampf gegen Korruption jetzt schon verloren?

Ich glaube, er hat sich zu sehr auf die Menschen außerhalb seines engsten Kreises konzentriert und nicht genug innerhalb. Wenn man der Korruption den Kampf angesagt hat und sie trotzdem weiter wuchert, sollte man seine Aufmerksamkeit auch nach innen richten.

Was würden Sie im Kampf gegen die Korruption anders machen?

Ich würde genauso weiter machen, wie ich es schon zuvor gemacht habe. Ich hatte die zwei Hauptinstitutionen ins Leben gerufen, die Korruption bekämpfen sollen. Ich würde sicherstellen, dass die Leute, die für diese Institutionen verantwortlich sind, rechtschaffende Männer und Frauen sind. Außerdem würde ich genau hinsehen – innerhalb und außerhalb meines engsten Kreises. 

Wollen Sie damit sagen, dass Sie im Kampf gegen Korruption erfolgreicher waren?

Ich werde mich nicht selbst beurteilen, das überlasse ich anderen. 

Präsident Buhari wird von den meisten Nigerianern als rechtschaffender Mann angesehen. Fehlt es ihm an Ernsthaftigkeit?

Plakat gegen Korruption in Nigeria

Ich weiß nicht, über welche Nigerianer Sie sprechen. Vielleicht über die nigerianische Bevölkerung von vor vier Jahren. Sprechen Sie jetzt noch einmal mit ihnen.

In Ihrem Brief an Buhari sagen Sie, er habe ein mangelndes Verständnis für die Dynamiken der Politik. Sie werfen ihm auch ein mangelndes Verständnis der Außenpolitik und ein schwaches internationales Auftreten vor. Ihre Kritiker hingegen sagen, Sie stilisierten sich zur moralischen Autorität, die als einzige wissen würde, wie man dieses Land regiert. Was sagen Sie dazu?

Ich würdige diese Menschen mit keiner Antwort. Es ist mein Recht als nigerianischer Staatsbürger, das Beste für dieses Land zu wollen, und es interessiert mich nicht, was andere dazu sagen.

Sie haben einmal gesagt, dass Sie sich aus der Politik heraushalten werden. Wie passt das mit der neuen Bewegung “Koalition für Nigeria” zusammen?

Eine Bewegung ist eine Bewegung und keine politische Organisation. Es ist vielmehr eine soziale und ökonomische Organisation, und ich habe bereits angekündigt, dass sobald diese Bewegung politisch werden sollte, ich mich davon zurückziehen werde.

Aber Sie schreiben, dass die zwei größten Parteien in Nigeria sich vereint haben, um Nigeria zu regieren. Hoffen Sie damit eine Alternative anbieten zu können?

Nein, sollte die Bewegung sich dazu entschließen, eine Organisation zu werden, die einen Kandidaten unterstützt, würde die Bewegung politisch werden, und ich würde mich aus ihr zurückziehen.

Es ist noch nicht klar, wer die Mitglieder sein werden, aber die Namen, die erwähnt wurden, sind die von namhaften Personen – ehemalige Gouverneure und Mitglieder der PDP. Einige Menschen haben das Gefühl, dass es keine neue, innovative Bewegung ist, sondern einfach die alten Leute in neuen Klamotten.

Wenn Sie das gehört haben, dann haben Sie falsch zugehört. Und bei allem Respekt geht mir diese Frage auf die Nerven. Es gibt tausende Nigerianer, innerhalb und außerhalb des Landes, die sich noch nie politisch engagiert haben und nun Mitglieder dieser Bewegung sind. Es ist also kein alter Wein, sondern eine neue Flasche. Ein neuer Wein in einen neuen Flasche.

Eines der Hauptthemen in Nigeria sind die Konflikte in den zentralen Bundesstaaten zwischen Hirten und Bauern. Sie kritisieren die fehlende Reaktion der Bundesregierung. Was ist Ihrer Meinung nach die Lösung für dieses Problem?

Ich denke, wir sollten nicht die Traditionen oder Kultur von vor 50 Jahren benutzen, um aktuelle Angelegenheiten zu klären. Vieh auf Weidewege zu führen und zertifizierte Weideflächen sind Gesetze, die aus der Kolonialzeit stammen. Wir sollten langsam realisieren, dass dies längst überholt ist. Wie müssen moderne Lösungen finden, die unsere eigenen Bürger in Würde leben lassen, sei es die Landwirte oder die Hirten. 

Wie sieht die Zukunft Nigerias aus?

Die Zukunft ist die Viehzucht.

Olusegun Obasanjo war von 1999 bis 2007 Staatspräsident Nigerias und regierte das Land von 1976 bis 1979 als Militärherrscher. Als hochrangiger Diplomat nahm er unter anderem an den Verhandlungen über die Freilassung der Chibok-Girls teil und verhandelte als UN-Spezialgesandter Lösungen zur Krise im Ostkongo. Obasanjo verließ 2015 die amtierende Partei PDP und gründete vor kurzem die Bewegung “Koalition für Nigeria”.

Das Interview führte DW-Afrika Korrespondent Adrian Kriesch.