Europaparlament straft PiS-Politiker ab

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Ryszard Czarnecki, Vizepräsident des Europaparlaments und Abgeordneter der polnischen Regierungspartei PiS wurde mit großer Mehrheit seines Amtes enthoben. Hintergrund ist die Beleidigung einer Kollegin.

Das Ergebnis ist eine Art Sieg für Roza von Thun. Sie ist eine streitbare Politikerin und sagt gerne und deutlich ihre Meinung, auch zu anti-demokratischen Tendenzen bei der herrschenden PiS-Regierung in Warschau.  Als sie dies unlängst in einem Filmbeitrag für den Sender Arte tat, reagierte ihr Landsmann und EP-Kollege Ryszard Czarnecki mit Schmähungen. Er beschimpfte von Thun unter anderem als “Schmalzownik”, ein Begriff für Polen, die jüdische Bürger erpressten und an die Nazis verrieten. Das ist so ziemlich das Übelste, was man jemanden in Polen an den Kopf werfen kann, und es brachte das Fass zum Überlaufen – jedenfalls im Europaparlament.

Eine Grenze überschritten

Das Parlament wandte zum ersten Mal eine Regelung an, wonach ein Vizepräsident bei einer “schweren Verfehlung” abgewählt werden kann. Konservative, Sozialdemokraten, Liberale, Grüne und Linke unterstützten den Antrag, und mit 447 Stimmen gegen Czarnecki kam die nötige Zweidrittelmehrheit zusammen.

Entschuldigung verweigert: Ryszard Czarnecki, ehemaliger Vizepräsident des EU-Parlaments

Der PiS-Abgeordnete hatte es zuvor noch abgelehnt, sich zu entschuldigen. “Wir müssen deutlich machen, dass die Beleidigung einer Kollegin in dieser Form ein schweres persönliches Fehlverhalten ist”, sagt der langgediente Abgeordnete Elmar Brok von den Christdemokraten, und die mangelnde Bereitschaft zu einer Entschuldigung zwinge das Präsidium zum Handeln. Evelyn Gebhardt von den Sozialdemokraten unterstützt ihn: “Frau von Thun hat nur von ihrem demokratischen Recht Gebrauch gemacht, ihre politische Meinung über Entwicklungen in ihrem Heimatland zu äußern. Wir können nicht dulden, dass sie dafür von einem Mitglied der Regierungspartei diskreditiert wird”.

Mehr traurig als zufrieden

Roza von Thun selbst reagiert eher zurückhaltend auf den Wirbel um ihre Person: “Ob ich zufrieden bin? Ehrlich gesagt, geht es dabei doch nicht so sehr um mich. Was mich traurig macht und beunruhigt, ist, dass in unserer Öffentlichkeit solche Worte überhaupt fallen und dass die Debatte, statt sich auf Themen und Argumente zu konzentrieren, auf ein so unglaublich niedriges Niveau von Beleidigungen fällt.”

Die seit den achtziger Jahren mit einem Deutschen verheiratete Roza von Thun  war schon als Studentin für die Solidarnosc-Bewegung aktiv. Nach der Niederschlagung der polnischen Demokratiebewegung lebte sie jahrelang in Deutschland und kehrte nach der Wende mit ihrem Mann nach Polen zurück. Sie trat in die konservative PO-Partei ein und sitzt seit 2009 im Europaparlament. “Meine Pflicht ist es, für die Demokratie zu kämpfen”, bekräftigt die Abgeordnete nach dem Sieg über Czarnecki.

Roza von Thun und Hohenstein: “Verteidigen, was wir seit 1989 erreicht haben”

Und es folgt ein flammender Aufruf zum Widerstand gegen die Demontage demokratischer Strukturen in ihrer Heimat: “Ich habe schon gegen das kommunistische Regime gekämpft, und damals waren wir in der Illegalität. Heute ist es besser. Wir haben Parteien und eine noch weitgehend freie Presse. Wir müssen diese Instrumente nutzen und überlegen, was wir tun können. Wir müssen all das verteidigen, was wir seit 1989 erreicht haben. Wir können einfach nicht erlauben, dass es zerstört wird.”

Sorge um antieuropäische Tendenzen

Roza von Thun macht sich erkennbar Sorgen auch um die antieuropäischen Tendenzen in der Regierungspartei PiS. Bis vor kurzem war “Polen ein konstruktives Mitglied der EU”, sagt sie, und die Mehrheit der Polen sei immer noch für Europa. Man wolle Europa zusammen aufbauen und nicht Zeit verschwenden mit solchen Abstimmungen  wie der über die Absetzung von Czarnecki. Die PiS sei zwar demokratisch gewählt, aber sie habe nie in ihrem Wahlkampf angekündigt, sich gegen die EU zu wenden.

Mit der umstrittenen Justizreform und ihrem Widerstand gegen die EU-Flüchtlingspolitik geht die Regierung in Warschau auf Kollisionskurs zu Brüssel. Immer mehr scheint Warschau den Schulterschluss mit Viktor Orban in Ungarn zu suchen, der eine “illiberale Demokratie” in Europa propagiert und die weitere Integration der EU-Mitgliedsländer ablehnt. “Ich möchte, dass die Menschen in Europa wissen: Nicht alle in Polen sind so wie diese Partei”, sagt Rosa von Thun dazu. Trotz allen Drucks, insbesondere von polnischen Rechtsradikalen, die sie als unpatriotisch beschimpfen und persönlich bedrohen, bleibt sie überzeugte Europäerin und betrachtet es als Lebensaufgabe, die Demokratie in Polen zu verteidigen.