Geht’s den Griechen wirklich besser?

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Einmal mehr nehmen die Euro-Finanzminister das griechische Reformprogramm unter die Lupe. Viel ist im Land geschehen. Doch geht es den Griechen wirklich besser? Marianthi Milona aus Thessaloniki.

Im Athener Büro des griechischen Handels- und Unternehmerverbandes ESEE sitzt der Leiter Vassillis Korkidis und überprüft ein letztes Mal die Handelsbilanz des vergangenen Jahres. Der freundliche Mann im graublauen Anzug gehört zu den Optimisten in der griechischen Wirtschaftswelt. Obwohl seine Prognosen noch kein Aufatmen erlauben, besteht er darauf, dass ein Schwarzmalen niemandem helfe. Der erfahrene Geschäftsmann, der Ersatzteile für griechische Reedereien liefert, betont: “Wir brauchen Mut und Zuversicht, um in den kommenden schweren Jahren weiter zu bestehen.” 

Nur ein erster, kleiner Schritt

Der griechische Groß- und Einzelhandel verbuchte nach dem Festtagsgeschäft ein Plus von 2,5% auf gut 42 Milliarden Euro, das entspricht einem Überschuss von 700 Millionen Euro für den Gesamthandel. Ein Erfolg ist das nach Ansicht von Vassillis Korkidis schon, denn “dieser kleine Trend nach oben verursacht ein positives Klima, das Balsam für die Psyche des Einzelhandels und des Verbrauchers ist.”

ESEE-Leiter Vassillis Korkidis

Vergleicht der fleißige Geschäftsmann die aktuellen Zahlen jedoch mit denen aus dem Jahr 2008, wird ihm bewusst, dass der Aufwärtstrend in der griechischen Wirtschaft noch lange Zeit andauern muss, damit die griechische Geschäftswelt wieder lachen kann. Damals betrugen die Einnahmen noch 77 Milliarden Euro.

Angst und Verdruss beim Verbraucher

Das Plus in der griechischen Handelsbilanz hatte viel damit zu tun, dass der Verbraucher vor den Feiertagen ganz unverhofft ein Geldgeschenk von der griechischen Regierung erhielt. Dank eines kleinen Überschusses in der Staatskasse, entschied die Regierung Tsipras, den Betrag von rund 730 Millionen Euro als sozialen Bonus an die Bürger auszuschütten. Nur so konnten offenstehende Gas-, Strom- und Wasserrechnungen beglichen und das ein oder andere Weihnachtsgeschenk erworben werden.

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In Wahrheit fürchten viele Griechen, sollte es zu noch mehr Gehaltskürzungen kommen, dass ihr Einkommen nicht zum Leben ausreichen wird. “Deshalb sind Investitionen wichtig, die Arbeitsplätze schaffen, damit der griechische Bürger wieder auf eigenen Beinen stehen kann und nicht auf Hilfsgelder vom Staat angewiesen ist”, erklärt die 35jährige Historikerin, Maria Topanidou.

Bis vor kurzem glaubte sie noch zu den Glücklichen in Griechenland zu gehören. In der Krise brauchte sie nicht ins Ausland zu gehen. Sie fand eine Anstellung in einem Museumsgeschäft in Athen. Mit ihren 750 Euro netto konnte die junge Frau, wenn sie sparsam war, zumindest ihre Miete und ihre Rechnungen bezahlen. Doch in diesem Jahr wird ihr ein Arbeitstag in der Woche gestrichen, was sich auch auf ihrem Lohnzettel abzeichnen wird. “Eigentlich möchte ich keine Hilfe vom verschuldeten griechischen Staat”, erklärt sie, “doch ich bin froh, dass diese Regierung in der Not auch mal an die Bürger denkt und das Geld nicht, so wie früher, nur veruntreut.” 

Jeden Tag wird nur gerechnet

Ähnlich sieht das auch der 50-Jährige Dimitris Andritsos. Dem alleinstehenden Büroangestellten einer makedonischen Bauernkooperative ist das Gehalt zwar nur wenig gekürzt worden. Doch er leidet unter den Zahlungsverzögerungen. Die Bauern sind in seiner Region für die Herbsternte noch nicht bezahlt worden. “Ich bin ständig am rechnen. Ich muss meine Mutter finanziell unterstützen, weil ihre Rente nicht zum Leben ausreicht.”

Rechnen, immer wieder rechnen: Dimitris Andritsos muss jeden Euro-Cent zweimal umdrehen, bevor er ihn ausgibt.

Seit kurzem muss der Mann noch tiefer in die Tasche greifen, will er medizinische Hilfe in Anspruch nehmen. “Die Ärzte laufen uns davon, dabei braucht der griechische Bürger sie jetzt doch am dringlichsten. Ich muss mein Augenlid normalerweise jedes Vierteljahr mit einem Präparat versorgen. Jetzt sagte man mir, ich könne aufgrund von personellen Engpässen erst in einem Jahr kommen”.

Bei einem Privatarzt könnte Dimitris Andritsos schnell einen Termin bekommen. Doch die 50 Euro, die er dafür aufbringen müsste, hat er nicht. Er muss schon das Präparat in der Apotheke selbst bezahlen.

Die Steuern fressen alles auf

Auch der kleine griechische Reiseunternehmer Petros Balarios klagt und kann über den Überschuss in der griechischen Handelsbilanz nur schmunzeln. Für ihn klingt “wirtschaftliches Plus” eher wie ein Alptraum. Er hatte zum Jahresende in seinem Reisebüro einen Überschuss von 8000 Euro erzielt. “Vom Gewinn gingen 29 Prozent Steuern weg, weitere 29 Prozent schluckte die Vorauszahlung für 2018 und zu guter Letzt musste ich auch noch 25 Prozent Mehrwertsteuer abtreten. Alles in allem zahle ich als Kleinunternehmer 82 Prozent Steuern, ohne zu wissen, wie das nächste Jahr aussehen wird.”

Petros Balarios Situation ist kein Einzelfall in der Branche. Das Finanzpolster der Geschäftsleute ist schon längst aufgefressen und sie können keine Rücklagen schaffen, um Rechnungen zu zahlen, weil die Banken ihnen immer noch nicht die notwendigen Kredite ermöglichen.