Stark und doch schwach: Russlands Rolle in Nahost

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Russland zieht den Großteil seiner Truppen aus Syrien ab. Doch nach den militärischen stehen nun politische Herausforderungen an. Schon jetzt deutet sich an, dass Moskaus Kräfte dafür alleine nicht reichen.

“Die Heimat erwartet Sie, Freunde. Gute Reise. Ich danke Ihnen für den Dienst.” In einem nüchternen und betont zivilen Auftritt verabschiedete der russische Präsident Wladimir Putin im Beisein des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad am Montag dieser Woche einen Teil der russischen Soldaten, die in Syrien Dienst getan hatten. Nicht weit entfernt von ihm stand eine erste Maschine, die die Militärangehörigen rund zwei Wochen vor Weihnachten nach Hause bringen sollte. Sie könnten erhobenen Hauptes heimkehren, hatte Putin sie zuvor, in einer etwas pathetischeren Tonlage wissen lassen: “Sie kehren als Sieger in Ihre Heimat zurück, zu Ihren Angehörigen – Eltern, Frauen, Kindern und Freunden.” Auf die Ansprache des Präsidenten antwortete die Truppe im Chor: “Ich diene der russischen Föderation.”

Pathos und Nüchternheit, die Uniformen der Militärs und der fein gewebte Anzug des Präsidenten: Dieser Gegensatz steht für die spezifischen Herausforderungen, vor denen Moskau fortan in Syrien steht. Die Opposition gegen Präsident Baschar al-Assad ist geschlagen. Der Einsatz Moskaus richtete sich nicht nur, aber vor allem gegen die verschiedenen dschihadistischen Gruppen, die jetzt nur noch einen Teil im Nordosten des Landes kontrollieren. Die sind zwar weitestgehend besiegt, könnten sich aber durchaus wieder neu formieren. Ihnen ließ Putin eine deutliche Warnung zukommen: “Wenn die Terroristen in Syrien noch einmal ihren Kopf erheben, dann werden wir ihnen einen Schlag versetzen, wie sie ihn zuvor noch nicht erlebt haben.”

Keine Illusionen über Assad

Mindestens ebenso wie als militärische wird Russland nun aber auch als diplomatische Kraft gefordert sein. Noch in diesem Monat soll der “Syrische Kongress des Nationalen Dialogs” stattfinden, eine Konferenz, an der ausdrücklich auch die Vertreter der säkularen Oppositionskräfte teilnehmen sollen. Geht es nach Russland, sollen sie absehbar auch in einer neu zu bildenden Regierung sitzen. Nur so lässt sich nach Moskauer Lesart das Land dauerhaft befrieden.

Militärischer Abschied, diplomatischer Aufbruch: Putin und Assad bei der Verabschiedung russischer Soldaten

Ob sich das mit einem Präsidenten Assad allerdings durchsetzen lässt, ist durchaus offen. Dem Internet-Magazin Al-Monitor zufolge offenbart sich auch an dieser Frage, welche Gestaltungskraft Moskau eigentlich hat. “Die Wahrheit ist, dass sich auch zwei Jahre nach Beginn des russischen Engagements im Syrienkonflikt nicht sagen lässt, inwieweit Assad unter Moskaus Kontrolle steht.” Offenbar gilt Assad als schwer zu steuernder oder auch nur zu beeinflussender Verbündeter. In Moskau, so al-Monitor, mache man sich keine Illusionen über Assads persönliche Loyalität oder seinen Ehrgeiz, weiterhin an der Macht zu bleiben.

Die Stunde der Designer und Ingenieure

Auch darum ist Moskau diplomatisch auf die Zusammenarbeit mit anderen Staaten angewiesen, so etwa im Umfeld der Konferenzreihe im kasachischen Astana, die Moskau zusammen mit Teheran und Ankara seit geraumer Zeit ausrichtet. Die Treffen in Astana trugen, etwa durch die Einrichtung von vier Deeskalationszonen, zur Befriedung des Landes bei.

Doch der müssen nun politische Schritte folgen, und die können die in Kasachstan versammelten Staaten nicht alleine umsetzen. “Wenn in Astana eine Gruppe zusammenkam, die das Kriegsfeuer in Syrien zu löschen vermochte, kommt es bei den Genfer Friedensgesprächen auf die Designer und Ingenieure an, die den Staat wieder aufbauen”, erklärte Medienberichten zufolge der Generaldirektor des Russischen Rats für Internationale Angelegenheiten, Andrey Kortunov.

Viel Arbeit für Designer und Ingenieure: Szene aus der Nähe von Aleppo

Doch der Aufbau des Landes ist für einen Großteil der Beteiligten an Bedingungen geknüpft. “Die Unterstützung für die Erholung und den Wiederaufbau Syriens setzt einen glaubwürdigen politischen Prozess voraus, der zu einem ernsthaften politischen Übergang führt, der von der Mehrheit des syrischen Volkes unterstützt wird”, heißt es in einem Mitte September veröffentlichten Positionspapier einer Gruppe arabischer und westlicher Ländern, das unter anderem die EU, Kanada, die Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar unterzeichneten.

Die Fronten der Diplomatie

Zusätzlich gehörten der Gruppe auch die USA und Saudi-Arabien an. Beide Staaten dürften recht genau darauf schauen, wie sich die politische Macht in Syrien künftig verteilen wird, und welche Rolle der Iran dort spielen wird. Sowohl die USA wie das saudische Königreich, ebenso auch das in der Gruppe der Unterzeichner nicht vertretene Israel haben ein enormes Interesse daran, dass die Macht des Iran beschränkt bleibt. Alle drei Staaten, und hinter ihnen eine ganze Reihe weiterer Länder, wollen einen von Teheran bis vor die Tore Israels reichenden iranisch dominierten Raum verhindern.

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Syrien: IS unter Kontrolle?

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Syrien: Letzte IS-Hochburg unter Kontrolle

Dabei setzen sie insbesondere auf Russland, das in Syrien mit dem Iran eng zusammengearbeitet hat. Das aber bringt Moskau in eine schwierige Lage: Zum einen ist es aus politischen ebenso wie ökonomischen Gründen auf enge Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien, Israel und den USA angewiesen. Zum anderen aber weckte dieser Handschlag in Teheran starke Aversionen. Denn gerade diese drei Staaten zählt Iran zu seinen größten Gegnern. Sie im Blick, ist das Land kaum dazu bereit, seine unter erheblichem Einsatz erkämpfte Einflusszone wieder aufzugeben. In diesem Entschluss wird es sich auch von Russland kaum beeinflussen lassen.

Die anstehenden Herausforderungen lassen sich nicht militärisch, sondern nur politisch lösen. Diese Konstellation spiegelte sich auch in Putins Auftritt bei der Verabschiedung der ersten Soldaten aus Syrien. Der größte Teil des russischen Militärs zieht ab. Gefragt sind nun die Diplomaten, als deren oberster Dienstherr Putin sich in Syrien nun präsentierte. Direkt im Anschluss an die Zeremonie machte er sich auf den Weg zu Gesprächen in Kairo und anschließend Ankara. Der Druck ist aus dem syrischen Kessel noch längst nicht raus.