Ausstellung: Als Juden, Christen und Muslime ihr Wissen austauschten

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Von 500 bis 1500 herrschte zwischen Gelehrten über alle Religionsgrenzen hinweg ein reger Austausch, so das Thema einer Schau. Damals gab es Wissenszentren wie das “Haus der Weisheit” in Bagdad, so Kurator Fingernagel.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Antike Gelehrte als Vorbilder für die Wissenschaft

    Der griechische Universalgelehrte Aristoteles (*384 v Chr. bis + 322 v. Chr.) in einer römischen Darstellung aus dem Jahre 1457. Gelehrte des Mittelalters beschäftigten sich intensiv mit dem Wissen und den Erkenntnissen der antiken Denker und Philosophen. Eine Ausstellung der Österreichischen Nationalbibliothek widmet sich vom 9. Dezember im Berliner Martin-Gropius-Bau diesen Überlieferungen.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Sonne, Mond und Sterne

    Die Astronomie und das Verständnis unserer Erde im Kontext des Universums war für die Wissenschaftler damals so wichtig wie für uns heute. Dieses Bild entstand in Prag zwischen 1392 und 1394 und damit gut ein Jahrhundert bevor Kopernikus herausfand, dass die Planeten sich um die Sonne drehen, und die Erde nicht der Mittelpunkt des Universums ist.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Schriften zur Wissensvermittlung

    Die Erfindung des Buchdruckes durch Johannes Gutenberg kam etwa 60 Jahre später. Dieses Buch wurde noch in mühevoller Handarbeit geschrieben beziehungsweise gemalt. In den jüdischen, christlichen und muslimischen Kulturkreisen entstand eine regelrechte Industrie, die sich damit beschäftigte, das antike Wissen für die Gelehrten aufzuarbeiten.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Universelles Gelehrtenhandwerk

    Dieses Bild stammt aus einem Buch, das in Hessen um 1370 verfasst wurde. Zu sehen sind zwölf Meister unter dem Planetenhimmel. Die Meister stammen aus allen großen Kulturkreisen seiner Zeit – vom Orient bis Okzident.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Ein Instrument zur Sternenbestimmung

    Dieses Astrolab hat ein muslimischer Meister im Jahre 1029 in Toledo gefertigt. Die Mauren, die ab 711 einen Großteil der iberischen Halbinsel erobert hatten und den südlichen Teil des Landes bis 1492 besiedelten, hinterließen in den sieben Jahrhunderten einen reichhaltigen Schatz: Neben der weltberühmten Architektur, wie der Alhambra von Granada, gehören auch viele Schriften dazu.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Ähnliche Ideen durch alle Kulturen

    Dieses Astrolab sieht sehr ähnlich aus. Die Zeichnung stammt aber aus einem Buch, das 400 Jahre später in Wien veröffentlicht wurde – in einem 1480 verlegten astronomischen Sammelband. Man kann exzentrische Kreise erkennen, die die Ekliptik erklären, mit der Planeten sich auf ihren Umlaufbahnen bewegen. Spitzen markieren Fixsterne.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Der Mond im Blick

    Der Erdtrabant hatte es den Forschern besonders angetan. Kein Wunder, ist es doch der einzige Himmelskörper, der bei klarem Himmel fast zum Greifen nahe erscheint. In diesem Buch aus Leipzig von 1505 geht es um die Bedeutung und Ursache verschiedener Mondphasen.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Tage, Monate und Jahreszeiten verstehen

    Kalender haben eine zentrale Bedeutung in allen Religionen. Sie bilden eine Brücke zwischen astronomischer Wissenschaft und religiösen Vorstellungen in allen Weltreligionen. Das naturwissenschaftliche Phänomen dient zur Einordnung von Festen und Ritualen. Hier ein hebräisches Gebetsbuch – ein Mazor – aus Wien von 1415. Es zeigt den zweiten Tag im neuen Jahr.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Besser Essen

    Hippokrates von Kos lebte zwischen 460 und 370 vor Christus. Seine Ratschläge waren aber auch noch im 10. Jahrhundert heiß begehrt. Diese lateinische Abschrift dreht sich um “De vicus ratione” – die Diät.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Gesund werden

    Und noch eine Abschrift der Werke des Hippokrates aus dem frühen 14. Jahrhundert. Verlegt wurde sie in Paris. Hier wird eine Behandlungsszene beschrieben und bebildert.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Kinder kriegen

    Ein Ratgeber für Chirurgen und Hebammen: Dieses Buch wurde in Süfrankreich in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts publiziert. Es zeigt und beschreibt Geburtsszenen.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Pflanzen verstehen und nutzen

    Wer Ende des 15. Jahrhunderts wissen wollte, wie man Johannesbrot, Eichel, Brustbeeren oder Walnüsse pflanzt und nutzt, sollte dieses Referenzbuch lesen. Seine Verfasser arbeiteten in Venetien.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Wissen ist Macht

    Der persische Universalgelehrte Avicenna ist hier als König dargestellt – umgeben von einem Kreis disputierender Ärzte. Das Bild entstand im späten 15. Jahrhundert, also gut 600 Jahre nachdem Avicenna gestorben war. Das Buch wurde in lateinischer Sprache in Venetien verlegt und zeigt, dass die Lehren des persischen Wissenschaftlers dort auf großes Interesse stießen.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Uralte Korallen

    Diese Darstellung ist eine der ältesten in der Ausstellung. Die Koralle wurde vor 512 in Konstantinopel gezeichnet. Die Autoren haben sie auf griechisch beschrieben.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Tier und Mensch

    Eine Vipernjagd mit ausgestopften Strohpuppen ist auf diesem Bild zu sehen. Das Buch wurde wahrscheinlich in Mossul um 1220 auf Arabisch geschrieben. Das Werk beinhaltet Texte des spätantiken christlichen Philosophen und Naturforschers Johannes Philoponos.

    Autorin/Autor: Fabian Schmidt


  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Antike Gelehrte als Vorbilder für die Wissenschaft

    Der griechische Universalgelehrte Aristoteles (*384 v Chr. bis + 322 v. Chr.) in einer römischen Darstellung aus dem Jahre 1457. Gelehrte des Mittelalters beschäftigten sich intensiv mit dem Wissen und den Erkenntnissen der antiken Denker und Philosophen. Eine Ausstellung der Österreichischen Nationalbibliothek widmet sich vom 9. Dezember im Berliner Martin-Gropius-Bau diesen Überlieferungen.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Sonne, Mond und Sterne

    Die Astronomie und das Verständnis unserer Erde im Kontext des Universums war für die Wissenschaftler damals so wichtig wie für uns heute. Dieses Bild entstand in Prag zwischen 1392 und 1394 und damit gut ein Jahrhundert bevor Kopernikus herausfand, dass die Planeten sich um die Sonne drehen, und die Erde nicht der Mittelpunkt des Universums ist.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Schriften zur Wissensvermittlung

    Die Erfindung des Buchdruckes durch Johannes Gutenberg kam etwa 60 Jahre später. Dieses Buch wurde noch in mühevoller Handarbeit geschrieben beziehungsweise gemalt. In den jüdischen, christlichen und muslimischen Kulturkreisen entstand eine regelrechte Industrie, die sich damit beschäftigte, das antike Wissen für die Gelehrten aufzuarbeiten.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Universelles Gelehrtenhandwerk

    Dieses Bild stammt aus einem Buch, das in Hessen um 1370 verfasst wurde. Zu sehen sind zwölf Meister unter dem Planetenhimmel. Die Meister stammen aus allen großen Kulturkreisen seiner Zeit – vom Orient bis Okzident.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Ein Instrument zur Sternenbestimmung

    Dieses Astrolab hat ein muslimischer Meister im Jahre 1029 in Toledo gefertigt. Die Mauren, die ab 711 einen Großteil der iberischen Halbinsel erobert hatten und den südlichen Teil des Landes bis 1492 besiedelten, hinterließen in den sieben Jahrhunderten einen reichhaltigen Schatz: Neben der weltberühmten Architektur, wie der Alhambra von Granada, gehören auch viele Schriften dazu.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Ähnliche Ideen durch alle Kulturen

    Dieses Astrolab sieht sehr ähnlich aus. Die Zeichnung stammt aber aus einem Buch, das 400 Jahre später in Wien veröffentlicht wurde – in einem 1480 verlegten astronomischen Sammelband. Man kann exzentrische Kreise erkennen, die die Ekliptik erklären, mit der Planeten sich auf ihren Umlaufbahnen bewegen. Spitzen markieren Fixsterne.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Der Mond im Blick

    Der Erdtrabant hatte es den Forschern besonders angetan. Kein Wunder, ist es doch der einzige Himmelskörper, der bei klarem Himmel fast zum Greifen nahe erscheint. In diesem Buch aus Leipzig von 1505 geht es um die Bedeutung und Ursache verschiedener Mondphasen.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Tage, Monate und Jahreszeiten verstehen

    Kalender haben eine zentrale Bedeutung in allen Religionen. Sie bilden eine Brücke zwischen astronomischer Wissenschaft und religiösen Vorstellungen in allen Weltreligionen. Das naturwissenschaftliche Phänomen dient zur Einordnung von Festen und Ritualen. Hier ein hebräisches Gebetsbuch – ein Mazor – aus Wien von 1415. Es zeigt den zweiten Tag im neuen Jahr.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Besser Essen

    Hippokrates von Kos lebte zwischen 460 und 370 vor Christus. Seine Ratschläge waren aber auch noch im 10. Jahrhundert heiß begehrt. Diese lateinische Abschrift dreht sich um “De vicus ratione” – die Diät.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Gesund werden

    Und noch eine Abschrift der Werke des Hippokrates aus dem frühen 14. Jahrhundert. Verlegt wurde sie in Paris. Hier wird eine Behandlungsszene beschrieben und bebildert.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Kinder kriegen

    Ein Ratgeber für Chirurgen und Hebammen: Dieses Buch wurde in Süfrankreich in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts publiziert. Es zeigt und beschreibt Geburtsszenen.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Pflanzen verstehen und nutzen

    Wer Ende des 15. Jahrhunderts wissen wollte, wie man Johannesbrot, Eichel, Brustbeeren oder Walnüsse pflanzt und nutzt, sollte dieses Referenzbuch lesen. Seine Verfasser arbeiteten in Venetien.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Wissen ist Macht

    Der persische Universalgelehrte Avicenna ist hier als König dargestellt – umgeben von einem Kreis disputierender Ärzte. Das Bild entstand im späten 15. Jahrhundert, also gut 600 Jahre nachdem Avicenna gestorben war. Das Buch wurde in lateinischer Sprache in Venetien verlegt und zeigt, dass die Lehren des persischen Wissenschaftlers dort auf großes Interesse stießen.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Uralte Korallen

    Diese Darstellung ist eine der ältesten in der Ausstellung. Die Koralle wurde vor 512 in Konstantinopel gezeichnet. Die Autoren haben sie auf griechisch beschrieben.

  • Juden, Christen und Muslime – die Wurzeln unserer Wissenschaft

    Tier und Mensch

    Eine Vipernjagd mit ausgestopften Strohpuppen ist auf diesem Bild zu sehen. Das Buch wurde wahrscheinlich in Mossul um 1220 auf Arabisch geschrieben. Das Werk beinhaltet Texte des spätantiken christlichen Philosophen und Naturforschers Johannes Philoponos.

    Autorin/Autor: Fabian Schmidt


Am kommenden Samstag (09.12.2017) startet im Berliner Martin-Gropius-Bau die Ausstellung “Juden, Christen und Muslime – Im Dialog mit der Wissenschaft 500-1500”. Dabei geht es um die Zusammenarbeit jüdischer, christlicher und muslimischer Gelehrter im genannten Zeitraum, also um Wissenstransfer. Wir sprachen mit dem Kurator, Dr. Andreas Fingernagel, von der Österreichischen Nationalbibliothek.

DW: Herr Dr. Fingernagel, wie muss man sich den Wissenstransfer zwischen den Jahren 500 und 1500 vorstellen?

Andreas Fingernagel: Nach dem Untergang des oströmischen Reiches bestand die Gefahr, dass das Wissen der alten Griechen verloren geht. In dieser Phase treten die arabischen Gelehrten auf den Plan, zuerst in der Zeit vom 7. zum 8. Jahrhundert, die sich dieser griechischen Texte annehmen und die dann oft ins Syrische übersetzen, letztendlich aber in das Arabische. Durch die Expansion der Araber auch nach Westeuropa, in erster Linie nach Spanien, kommt dieses Wissen dann entlang des Mittelmeeres immer mehr in Berührung mit dem europäischen Kulturraum. Dort wird es wieder von verschiedensten Ethnien und verschiedensten Gelehrten – in erster Linie jüdischen Gelehrten – rezipiert und dann in das Latein übertragen. Über diese Umwege ist uns sehr viel Wissen über das antike Griechenland erhalten geblieben.

Es war ja nicht nur ein Transfer zwischen Orient und Okzident, sondern auch ein Transfer über Religionsgrenzen hinweg. Weshalb hat das so gut zwischen den beteiligten jüdischen, muslimischen und christlichen Gelehrten funktioniert?

Kurator Dr. Andreas Fingernagel

Das hat wahrscheinlich deshalb so gut funktioniert, weil man Wissenszentren etabliert hat. Zuerst in Alexandria, dann in Gundischapur. Später dann vor allem dieses berühmte “Haus der Weisheit” in Bagdad, wo man offenbar unabhängig von ethnischen und religiösen Zugehörigkeiten Personen, die sich eine hohe Sprachkompetenz oder wissenschaftliche Kompetenz erworben hatten, gesammelt hat, die sich dann wirklich in einem Dialog an die Übersetzungen gemacht haben.

Nicht nur friedliches Miteinander

Waren die Gläubigen unterschiedlicher Couleurs damals toleranter als heute?

Die große Gefahr ist, dass man diese Zeit idealisiert. Es gibt auch viele Hindernisse, die diesem Austausch entgegengestanden sind. Vor allem in Spanien gibt es im 12. Jahrhundert massive Judenverfolgungen, sodass viele jüdische Gelehrte auswandern mussten, entweder nach Nordafrika oder nach Südfrankreich. Man sollte den Begriff “Toleranz” in dieser Zeit nicht überstrapazieren. Es gab sehr viele Dinge, die diesem friedlichen Miteinander und diesem friedlichen Austausch entgegengestanden sind.

Welche Art von wissenschaftlichen Abhandlungen wurden damals übersetzt und diskutiert?

Also eigentlich der gesamte Kosmos der wissenschaftlichen Literatur, den man von den Griechen her gekannt hat. Wir haben uns in der Ausstellung auf wenige Themen konzentriert, weil die Österreichische Nationalbibliothek in diesen Bereichen sehr viel zu bieten hat: Das ist einmal die Medizin. Die stand natürlich ganz besonders im Fokus, weil die medizinische Versorgung natürlich ein Anliegen vieler Mäzene gewesen ist. Und das Zweite – auch ein Thema, dass wieder praktisch orientiert war – war die Astronomie. Die war auch für die religiöse Ausrichtung sehr wichtig. Man musste Zeitpunkte festlegen. Wann ein Fastenmonat oder das Pessachfest beginnt, war von astronomischen Gegebenheiten abhängig. Genauso die Berechnung des Osterfestes, aber auch der ganze Bereich der Navigation und der Ortsbestimmung sind durch die Astronomie geklärt worden.

Frühe Zentren der Wissenschaft

Eine besondere Rolle kam im 9. Jahrhundert dem “Haus der Weisheit” in Bagdad zu. Was geschah dort?

Dieses “Haus der Weisheit” war eine Einrichtung, die man wirklich mit einem heutigen Wissenschaftszentrum gleichsetzen kann. Das erstaunliche war, dass es nicht nur eine Bibliothek und Übersetzerschule war, sondern dass sich dort wahrscheinlich auch ein Observatorium und ein Krankenhaus befunden haben. Es war ein sehr breit aufgestelltes Forschungs- und Gelehrtenzentrum.

Niedergang wegen Gewalt und Übersättigung

Wann und warum kam dann der Bruch?

Der Bruch kam aus unterschiedlichen Gründen. Im Hochmittelalter waren es – um bei Bagdad zu bleiben – die Mongolen-Einfälle. Bagdad und das “Haus der Weisheit” sind fast zur Gänze zerstört worden. Die Bibliotheken sind zerstört worden und vieles, was man hier an Wissen angehäuft hat, ist mit einem Schlag verloren gegangen.

Ein Buch von 1505 über die Mondphasen

Zum anderen kann man schon feststellen, dass im Hochmittelalter, also im 11. und 12. Jahrhundert, dieser Austausch etwas erlahmte. Das hat vielfach damit zu tun, dass die wichtigsten Texte aus den genannten Wissenschaften schon damals in Latein übersetzt waren und damit eine gewisse Übersättigung an Informationen eingetreten ist. Also dieser große Schwung, der im Frühmittelalter eingesetzt hatte, war damit vorbei.

Es geht in der Schau um vier große Schriftkulturen, die hebräische, die griechische, die arabische und die lateinische. Mit welchen Exponaten wollen sie deren Kulturaustausch plastisch machen?

Wir haben die Ausstellung in drei Teile gegliedert und einen einleitenden Teil vorangestellt. Und in diesem Teil wollen wir einmal die materiellen Voraussetzungen dieser Schriftkulturen darlegen. Das bedeutet: Wir zeigen aus allen dieser vier Schriftkulturen wie sich die Schrift entwickelt hat, wie Vereinheitlichungen vorgenommen wurden. Auch, wie sich das Papier als ganz wichtige Voraussetzung, dass sich Schriftlichkeit weiter verbreiten konnte durch die Berührung mit China zuerst im Orient, danach im Okzident verbreitet hat. Es wird auch viel über Übersetzungstechniken berichtet. Viele Übersetzer fertigten zuerst eine Wort-für-Wort-Übersetzung an und in einer zweiten Stufe wurde das dann in eine literarisch verständliche Form gebracht.

Impulse für heute

Auf welche Weise könnte die Begegnung der Kulturen heute vom damaligen interkulturellen Dialog lernen?

Wir haben diese Ausstellung ja 2010 schon einmal in Wien gezeigt. Damals sind wir von vielen Besuchern auf das Thema der Aktualität angesprochen worden. Es ist natürlich schon ein toller Impuls zu sehen, dass es einen Wissensaustausch gegeben hat, auch wenn er nicht durchgehend friedlich und ohne Hemmnisse passiert ist. Das aber so etwas auf einer gewissen Ebene passiert ist, kann einen auch für die Zukunft etwas hoffnungsfroher stimmen. Wir haben gerade in den vergangenen Jahren bemerkt, dass es von der arabischen Welt ein immer stärker werdendes Interesse an ihrer weiter zurückliegenden kulturellen Überlieferung gibt. In der Folge dieser Ausstellung gab es dann relativ viele Kooperationen. Wissenschaftler aus arabischen Staaten sind zu uns gekommen und haben sich diese Handschriften und Texte angesehen. Es ist ein Impuls – vor allem für die arabische Welt – sich mehr mit ihrer Wissenschaftsgeschichte auseinanderzusetzen.

Das Gespräch führte Klaus Krämer

Die Ausstellung “Juden, Christen und Muslime – Im Dialog mit der Wissenschaft 500-1500”, ist vom 09.12.2017 – 04.03.2018 im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen.

Der Kurator, Dr. Andreas Fingernagel, ist Leiter der Handschriften-, Autographen- und Nachlass-Sammlung der Österreichischen Nationalbibliothek und der Sammlung von Handschriften und alten Drucken.