Berliner Studenten gegen Hass im Netz

0
236

Facebook steht seit langem in der Kritik, nicht genug gegen Hasskommentare zu tun. Jetzt soll ein Wettbewerb die Nutzer gegen den Hass aktivieren. Studierende einer Berliner Design-Hochschule fordern: “Don’t be silent”.

Es ist ein Heimspiel im Kampf gegen Rassismus und Hass gegen Minderheiten: Das halbe Dutzend von Studenten der “design akademie berlin”, einer privaten Hochschule für Kommunikation und Design, beackert den Moritzplatz im Berliner Multikulti-Stadtbezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Und schmack! Schon klebt wieder einer der auffälligen gelben Aufkleber mit der Aufschrift “#Dontbesilent” an einem Laternenmast.

Es ist eine PR-Aktion, die Passanten auf das Semesterprojekt der Studenten aufmerksam machen soll: Menschen zu ermutigen, aktiv gegen Hate Speech in den sozialen Netzwerken vorzugehen. “Wir wollen zeigen, dass wir laut sein können und widersprechen, wenn jemand Hasskommentare schreibt”, sagt die Studentin Jasmin Pönisch. “Es geht darum, die Schwelle zu senken für diejenigen, die sich an Hate Speech stören, aber sich nicht zu reagieren trauen”, erläutert ihr Kommilitone Jeremy Githinji Ngatia. “Für mich ist es auch das erste Mal, dass ich in dieser Richtung etwas unternehme.”

Jeremy Githinji Ngatia will, dass mehr User aktiv werden

Die beiden gehören zu den insgesamt 18 Studenten, die sich an dem Projekt beteiligen. Sie studieren Marketingkommunikation oder Strategic Design im dritten Semester. Mit ihrer breit angelegten Aktion gegen Hassrede nehmen sie an einem weltweiten Wettbewerb teil, den das Internetunternehmen Facebook mitveranstaltet – die “Peer to Peer: Facebook Global Digital Challenge”. Zur Philosophie des Wettbewerbs gehört es, dass Nutzer von sozialen Plattformen selbst nach Strategien suchen, um der Verbreitung von Hass und Extremismus zu begegnen, “auf eine Art und Weise, die glaubhaft und authentisch” ist, wie es auf der Seite der Ausschreibung heißt.

An wirksamen Initiativen besteht Bedarf: Facebook steht schon länger in der Kritik, nicht genug gegen Häme, Lügen und Beleidigungen auf seinen Seiten zu tun. Mit dem Wettbewerb fordert das Unternehmen erneut die User zum Handeln auf.

Gegen Hassreden mit den Mitteln des Designs

“Wie ich von dem Wettbewerb gehört habe und mir die Teilnahmebedingungen durchgelesen habe, war ich sofort voll angefixt”, sagt  Katrin Androschin, Professorin für Strategisches Design, die die Studierenden zur Teilnahme angeregt hat. Acht Wochen hatte die Gruppe Zeit, ihre Aktion zu konzipieren. “Facebook hat dann nach der Bewerbung ein kleines Budget überwiesen”, mit dem die Studenten ihre Kampagne finanzieren, erklärt Androschin. Bei Designern sei das Anliegen, gegen Hate Speech vorzugehen, an der richtigen Stelle, meint sie. “Wir haben im Strategischen Design eine riesige Toolbox, um die Menschen auf das Problem aufmerksam zu machen und sie in Bewegung zu bringen – mit Sprache, Humor, Farben und vielem mehr!”

Katrin Androschin war “sofort voll angefixt”

In den Videos der Gruppe, ihren Grafiken tauchen immer wieder Augenpaare auf. Sie sollen auffordern, die Stimme zu erheben, wenn man auf zweifelhafte Kommentare trifft. In einem “Sozialexperiment” hat die Gruppe Hass-Posts ausgedruckt und für Besucher der Aktion an die Wand gepinnt. So konnte man sich dem Hass ganz real und gemeinsam stellen. “Das ist wirklich eine tolle Gruppe, und sie haben eine beachtliche Aufmerksamkeit erzeugt”, freut sich die Design-Professorin. Die Reichweite liege bei einer halben Million und die Voraussetzungen seien gut, dass die Kampagne noch weiter trage.

Wenige Teilnehmer aus Deutschland

Weltweit sind etwa 100 Hochschulen im Rennen um einen Preis in der Facebook-Challenge. Der Wettbewerb wird von der Marketingfirma EdVenture Partners in den USA organisiert und betreut. Dort ist auch der erste Projektantrag aus Berlin geprüft worden. Aus Deutschland beteiligt sich noch die Fachhochschule Dresden (FHD) an dem Wettbewerb. “Was machst Du montags?”, fragen dort Grafikdesignstudenten in der sächsischen Landeshauptstadt, die durch die fremdenfeindlichen Pegida-Montagsdemos berüchtigt wurde. Sie sorgen für Aufmerksamkeit durch Guerillamarketing und Interaktionen im öffentlichen Raum. Am Mittwoch endet für die Teams die heiße Phase der Projektarbeit: Jetzt müssen die abschließenden Unterlagen bei EdVentures eingereicht werden. Die Gewinner kommen in die nächste Runde und dürfen ihr Projekt im Januar in Washington präsentieren. Die drei besten Teams bekommen schließlich einen Preis.

In zahlreichen Berliner Bezirken tauchen in diesen Tagen die gelben Tapes der Designer auf

Am meisten gewinnt aber wahrscheinlich der Internetgigant Facebook. Das Unternehmen, zu dem auch Instagram und Whatsapp gehören, stellt mit dem Wettbewerb eindrucksvoll seine Fähigkeit unter Beweis, fremde Ressourcen zu nutzen, um die eigene Wissensbasis zu vergrößern. Die Projektgruppe der Studenten der design akademie berlin so wie auch die anderen Teilnehmer des Wettbewerbs müssen wöchentlich präzise Berichte über ihre Marktforschung, ihre Rezipienten und deren Reaktion abliefern. Akkumuliert auf die vielen teilnehmenden Hochschulen weltweit, dürften damit beachtliche Erkenntnisse zusammenkommen – die wahrscheinlich weit wertvoller sind als die Stipendienpreise zwischen 5000 und 10.000 Dollar.