“Abkommen soll Suu Kyis Kritiker beruhigen”

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Myanmar und Bangladesch haben ein Abkommen zur Rückführung von Flüchtlingen der Rohingya-Minderheit vereinbart. Die Geschichte zeige, dass die Rückführung schon immer ein schwieriger Prozess war, sagt Hans-Bernd Zöllner.

Deutsche Welle: Wie bewerten Sie das am Donnerstag erzielte Abkommen zwischen Bangladesch und Myanmar über die Rückkehr der Rohingya-Flüchtlinge?

Hans-Bernd Zöllner: Das Abkommen dient im Wesentlichen der Beruhigung der Kritiker der Regierung Myanmars und im Besonderen ihrer prominenten Führerin Aung San Suu Kyi. Es erfüllt ihr Versprechen vom 19. September, eine baldige Rückkehr der Flüchtlinge in die Wege zu leiten. Aber die Umsetzung wird sehr schwierig sein.

Dr. Hans-Bernd Zöllner

Das neue Abkommen basiert nach Agenturberichten und Angaben der beteiligten Regierungen auf Verträgen von 1993. Was wurde damals vereinbart?

Es gab mehrere Vereinbarung und Abkommen. Die erste eher lockere Vereinbarung wurde im April 1992 bei einem Besuch des Außenministers Myanmars bei seinem Kollegen in Bangladesch abgeschlossen, nachdem ab April 1991 – wie vorher schon in 1977 und 1978 – etwa eine Viertelmillion Rohingyas ins Nachbarland geflohen war. Die Vereinbarung hatte zwei Punkte zum Inhalt. Erstens sollten Personen, die nachweisen konnten, dass sie vor der Flucht in Myanmar gelebt hatten, zurückkehren können. Zweitens wollte sich die Regierung Myanmars bemühen, einen weiteren Zustrom von Flüchtlingen zu verhindern.

Eine Einbeziehung des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) wurde erwähnt, ohne dass Einzelheiten genannt wurden. Die Repatriierung begann im September 1992 und wurde von heftigen Vorwürfen von Menschenrechtsorganisationen begleitet. Flüchtlinge seien von den Behörden Bangladeschs zur Rückkehr gezwungen worden.

Daraufhin wurden im April 1993 mit Bangladesch und im November des gleichen Jahres mit Myanmar jeweils eigene Abkommen zwischen den beiden Regierungen und der UNHCR abgeschlossen. Die sollten den Schutz der potenziellen Rückkehrer in beiden Ländern sichern. In Bangladesch sollten Interviews mit den Betroffenen die Freiwilligkeit der Rückkehr sichern. In Myanmar wurde die Ausgabe von Ausweisen zugesichert. Auch Bewegungsfreiheit sollte garantiert sein. Wenn heute in den Medien häufig davon die Rede ist, dass das Abkommen von 1993 die Grundlage der neuen Vereinbarung sein soll, ist nicht ganz klar, welches Abkommen damit eigentlich genau gemeint ist.

Flüchtlingslager Kutupalong in Bangladesch

Was folgte auf die damalige Einigung? Hat sich das Abkommen bewährt?

Ebenso wie heute waren damals die Meinungen über die Umsetzung der Vereinbarungen höchst gespalten. Die Staatspresse Myanmars berichtete regelmäßig über die Anzahl der in jedem Monat zurückkehrenden Flüchtlinge, für die fünf Aufnahmezentren eingerichtet wurden. Menschenrechtsorganisationen berichteten ebenso regelmäßig über gewaltsame Übergriffe von Behörden in den Lagern in Bangladesch wie in den Gebieten, in die die Flüchtlinge zurückkehrten. Laut einem Bericht der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen 1995 wollten zwei Drittel der Flüchtlinge nicht zurück nach Myanmar. Ein ebenso großer Prozentsatz wusste nicht, dass die Rückkehr freiwillig war. Ab 1996 wurde berichtet, dass Rückkehrer erneut nach Bangladesch geflohen waren.

Das Programm wurde im Juli 1997 unterbrochen, als in einem Lager nach der Zwangsrückführung von mehreren hundert Flüchtlingen ein Streik begann, der teilweise militante Formen annahm. Ende 1998 wurde der Prozess langsam wieder aufgenommen, wobei zunehmend bürokratische Restriktionen von Seiten der Behörden Myanmars beklagt wurden. Ein Kernpunkt war dabei die Frage: Wie kann zweifelsfrei festgestellt werden, ob die Betroffenen schon vor der Flucht in Myanmar gelebt hatten. Man kann also kaum sagen, dass sich das damalige Abkommen bewährt hat.

Seit August 2017 sind mehr als eine halbe Million Rohingyas nach Bangladesch geflüchtet

Was ist heute anders als damals?

Die Ereignisse in den 1990er Jahren wie auch die Ende der 1970er wurden von der Weltöffentlichkeit nur am Rande beachtet. Wenn Myanmar im Focus war, dann vor allem im Blick auf das Schicksal von Aung San Suu Kyi. Heute blickt die Weltöffentlichkeit ihretwegen auf das Schicksal der Flüchtlinge. Das dürfte die Umsetzung des neuen Abkommens erschweren, da die Einzelheiten von zahlreichen Organisationen sehr genau beobachtet werden. Man kann die zu erwartenden Schwierigkeiten daran ablesen, dass es 1978 gut ein Jahr dauerte, bis die Rückführung beendet war. Nach 1992 dauerte es 10 Jahre. Und da war der Prozess noch nicht abgeschlossen.

Dazu kommt, dass die Regierung Myanmars innenpolitisch das Problem hat, dass die Rohingyas von der Mehrheit der buddhistischen Bevölkerung des Landes – 89 Prozent der Bevölkerung aus verschiedenen Ethnien sind Buddhisten – nach wie vor abgelehnt werden. Die Ausgangssituation für eine gute Zukunft der Flüchtlinge hat sich somit – mitbedingt durch den von außen ausgeübten Druck – gegenüber der letzten großen Flüchtlingswelle eher noch verschlechtert. Dazu kommen die Unklarheiten über die Einzelheiten der jetzt abgeschlossenen Vereinbarung. Den Text müsste man genauer studieren und mit dem vergleichen, was in den 1990er Jahren vereinbart wurde.

Der Theologe und Orientalist Hans-Bernd Zöllner arbeitet seit mehr als 30 Jahren in Südostasien, insbesondere Thailand und Myanmar. Er hat zahlreiche Aufsätze und Bücher über Myanmar, die Demokratiebewegung und ihre religiösen und kulturellen Hintergründe geschrieben.

Das Interview führte Rodion Ebbighausen.