“Gefahr einer erneuten Eskalation in Syrien”

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Russlands Präsident Putin treibt die Neuordnung Syriens voran und trifft sich mit dem Konfliktparteien. Im DW-Interview bewertet die Nahost-Expertin Muriel Asseburg die Erfolgschancen seiner Initiative äußerst skeptisch.

Deutsche Welle: Wladimir Putin sagt, der russische Militäreinsatz in Syrien “komme zu einem Ende”. Bedeutet das auch ein Ende des Bürgerkriegs in Syrien?

Muriel Asseburg: Ich sehe kein Ende des Bürgerkriegs. Präsident Putin versucht die militärische, die politische und die diplomatische Dominanz, die Russland in Syrien erlangt hat, in eine Konfliktregelung umzuwandeln. Das heißt aber wahrlich nicht, dass die Kämpfe tatsächlich schon beendet sind. Dem stehen ganz viele militärische Interessen entgegen, die sowohl das Regime, wie auch andere regionale Akteure noch umsetzen möchten.

Wladimir Putin möchte “politische Prozesse” einleiten. Was meint er damit?

Zum einen spielt Putin damit auf den “Astana-Prozess” an. Diese Initiative hat er zu Beginn dieses Jahres zusammen mit der Türkei und dem Iran ins Leben gerufen. Aus diesem Prozess sind vier sogenannte “Deeskalationszonen” hervorgegangen. In diesen Gegenden versucht man über Waffenstillstände zwischen Regime und Rebellen die Lage zu beruhigen, verknüpft mit der Hoffnung, diese Waffenstillstände auf das gesamte Land ausweiten zu können.

Mit dem “Kongress der syrischen Völker” möchte er zudem eine Art nationalen Dialog in die Wege leiten. In diesem Format möchte man sowohl Oppositionsgruppen wie regimenahe Gruppen zusammenbringen. Man muss allerdings sagen, dass man von vielen dieser dort aufgeführten Gruppen noch nie etwas gehört hat.

Überraschender Besuch: Syriens Machthaber Assad und Russlands Präsident Putin zu Beginn dieser Woche in Sotschi

Befindet sich Syrien damit auf dem Weg in die Demokratie?

Von Demokratie kann keine Rede sein, Russland versucht allerdings, zur Konfliktregelung größtmögliche Legitimität zu bekommen. Daher sollen bestimmte Verfahren eingehalten werden: Es soll eine Verfassung geben, es soll auch Wahlen geben. Ob diese Wahlen den Maßgaben des UN-Sicherheitsrates entsprechen, ist sehr zweifelhaft. Ich glaube weder, dass es freie und faire Wahlen unter internationaler Beobachtung geben wird, noch dass die syrische Diaspora miteinbezogen wird.

Zur Legitimität des Vorhabens gehört auch die Absprache mit internationalen Partnern. Am Dienstagnachmittag telefoniert Wladimir Putin mit US-Präsident Donald Trump, am Mittwoch trifft er sich mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und dem iranischen Präsidenten Hassan Rohani. Ist Wladimir Putin der neue “Friedensstifter” in der Region?

Ich denke in der Tat, dass sich Wladimir Putin in dieser Situation als Friedensstifter gerieren möchte und tatsächlich dazu beitragen möchte, dass dieser Konflikt jetzt geregelt und befriedet wird. Ich bin allerdings sehr skeptisch, dass ihm dies auch gelingen kann. Die Wahrnehmung bei den Regionalmächten, dass wir uns in der Endphase des Konflikts befinden, hat ganz stark dazu geführt, dass diese versuchen, ihre Interessen auch militärisch durchzusetzen. Ich sehe sogar die Gefahr einer erneuten Eskalation der Gewalt.

Muriel Asseburg: Putin geriert sich als Friedensstifter

Das syrische Regime hat beispielsweise schon angekündigt, dass es Raqqa und die Provinz Idlib zurückerobern möchte. Hinzu kommt die Gefahr einer regionalen Eskalation: Vor allem die Türkei wird versuchen zu verhindern, dass es eine zusammenhängende kurdische Autonomiezone im Norden Syriens geben wird. Auch Israel wird versuchen, seine Interessen durchzusetzen und insbesondere die Präsenz iranischer Stellungen und durch den Iran geführte Milizen – wie beispielsweise die Hisbollah – im Grenzgebiet zu Israel zu verhindern.

Dr. Muriel Asseburg arbeitet für die Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Der Fokus ihrer Arbeit liegt auf dem Nahen und Mittleren Osten.

Das Gespräch führte Daniel Heinrich.