Berlin – Riad: Sand im diplomatischen Getriebe

0
271

Die Missstimmung zwischen Deutschland und Saudi-Arabien dauert an. Riad fühlt sich durch Äußerungen aus dem Auswärtigen Amt verunglimpft. Dort beharrt man auf der Kritik. Eine Dauerkrise ist dennoch unwahrscheinlich.

Zwischen Deutschland und Saudi-Arabien knirscht es weiter. Am Wochenende hat Saudi-Arabien kurzfristig die Reise eines hochrangigen Diplomaten nach Berlin abgesagt. Ursprünglich sollte der Sonderbeauftragte für den Jemen mit Vertretern des Auswärtigen Amtes über humanitäre Hilfe für den Staat im Süden der arabischen Halbinsel sprechen. Saudi-Arabien steht an der Spitze einer internationalen Koalition, die seit zweieinhalb Jahren auf Seiten des gestützten jemenitischen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi kämpft.

Auch sonst herrscht zwischen Berlin und Riad derzeit Funkstille. In der vergangenen Woche hatte Saudi-Arabien seinen Botschafter aus Berlin zu “Konsultationen” zurück ins Königreich beordert. Auch soll dem deutschen Botschafter in Saudi-Arabien eine Protestnote überreicht werden. 

Sigmar Gabriel: Spitze ist erreicht

Anlass des saudischen Ärgers sind deutsche Spekulationen um das Schicksal des zurückgetretenen libanesischen MinisterpräsidentenSaad Hariri. Außenminister Sigmar Gabriel hatte vergangene Woche nach einem Treffen mit dem libanesischen Außenminister Gebran Bassil erklärt, Deutschland befürchte nach dem Rücktritt Hariris neue Gewalt im Libanon.

Bild aus entspannteren Tagen: Außenminister Sigmar Gabriel mit seinem saudischen Amtskollegen Abdel bin Ahmed Al-Jubeir in Dschidda, Juli 2017

Gabriel bezeichnete die saudische Politik in der Region als “Abenteurertum”, das Europa nicht mehr sprachlos hinnehmen könne. Nach der humanitären Krise durch den Krieg im Jemen und dem Konflikt mit dem Golfemirat Katar sei mit der Art und Weise, “wie mit dem Libanon umgegangen wird”, nun die Spitze erreicht. Das Königreich weist alle Vorwürfe zurück.

Am Samstag bekräftigte das Auswärtige Amt noch einmal seinen Standpunkt. Sorgen über die Lage im Nahen und Mittleren Osten “offen anzusprechen, ist unter engen internationalen Partnern möglich und selbstverständlich”, erklärte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts. “Wir richten unsere Botschaft an alle Akteure der Region.”

Ärger in Saudi-Arabien

Gleichwohl zeigt man sich Saudi-Arabien weiterhin verärgert. Gabriels Bemerkungen seien “merkwürdig und unangemessen”, erklärte der Vorsitzende des saudischen Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Zuhair al-Harithi gegenüber der DW. Sie entsprächen auch nicht dem offiziellen Standpunkt der deutschen Außenpolitik. Die Beziehungen zwischen Deutschland und Saudi-Arabien seien “historisch”, die gemeinsamen Interessen “sehr groß”. Der deutsche Außenminister sei sich der Geschichte und Tiefe der Beziehungen zwischen beiden Ländern und ihren Führungen nicht bewusst.

Die offizielle saudische Nachrichtenagentur SPA zitierte zudem einen namentlich nicht genannten Mitarbeiter des saudischen Außenministeriums mit den Worten, solche “willkürlichen, auf falschen Informationen ruhenden Äußerungen trügen nicht dazu bei, die Stabilität in der Region zu unterstützen.” Saudi-Arabien sei ein verlässlicher Partner im Kampf gegen Terrorismus und Extremismus. Das Land setze sich zudem für Sicherheit und Stabilität in der Region ein.

“Wir alle sind mit dir”: Plakat mit dem Porträt des libanesischen Premiers Hariri in Beirut

Unbelastete Beziehungen

Die Beziehungen zwischen Saudi Arabien und Deutschland seien in der Vergangenheit kaum belastet gewesen, erklärt demgegenüber der deutsche Nahost-Experte und Journalist Stefan Buchen im Gespräch mit der DW. Als Beispiel für die guten Beziehungen nennt er den einvernehmlichen Umgang beider Länder mit einem Skandal um die Al-Fahd-Akademie in Bonn vor fünfzehn Jahren. Damals hatte dort ein Prediger zum Dschihad gegen “Ungläubige” aufgerufen.

Gabriel Äußerungen seien “nicht ungewöhnlich”, so Buchen weiter. Vielmehr stünden sie “im Einklang” mit der deutschen Außenpolitik. Er erinnert in diesem Zusammenhang an eine im Dezember 2015 bekannt gewordene interne Analyse des Bundesnachrichtendienstes. Die Autoren des Papiers warnten damals vor der destabilisierenden Rolle des Königreichs in der arabischen Welt. “Die bisherige vorsichtige diplomatische Haltung der älteren Führungsmitglieder der Königsfamilie wird durch eine impulsive Interventionspolitik ersetzt”, heißt es in dem Papier. 

Kritisch sah der BND damals vor allem die Rolle des neuen Verteidigungsministers und Sohns von König Salman, des inzwischen zum saudischen Kronprinzen ernannten Mohammed bin Salman. Die wirtschafts- und außenpolitische Machtkonzentration auf den Vize-Kronprinzen “birgt latent die Gefahr, dass er bei dem Versuch, sich zu Lebzeiten seines Vaters in der Thronfolge zu etablieren, überreizt”, heißt es in dem Papier.  

Video ansehen 42:30 Teilen

Machtkampf in Nahost: Droht ein Flächenbrand?

Versenden Facebook Twitter google+ Tumblr VZ Mr. Wong Xing Webnews Yigg Newsvine Digg

Permalink http://p.dw.com/p/2nkdh

Machtkampf in Nahost: Droht ein Flächenbrand?

Schwieriger Kronprinz

Deutschland, so Buchen weiter, versuche angesichts des Konflikts zwischen Saudi-Arabien und dem Iran eine Gratwanderung. Denn beide Länder seien Unruhefaktoren in der Region. “Darum bemüht sich Deutschland um eine ausgeglichenen Position und kritisiert beide Seiten gleichermaßen”, so Buchen gegenüber der DW. “Allerdings kann Berlin vor dem impulsiven und zum Abenteurertum neigenden Verhalten des Kronprinzen die Augen nicht verschließen.” In früheren Jahren habe Deutschland auch den iranischen Präsidenten Ahmadineschad kritisiert, der ebenso umstritten war wie jetzt Mohammed Bin Salman.

Allerdings hätten die deutsch-saudischen Beziehungen ohnehin keinen nennenswerten Einfluss auf den Nahen Osten. “Deutschland ist in der Region kein großer politischer Spieler”, so Buchen.

Die zukünftigen Beziehungen der beiden Länder sieht er nicht sonderlich pessimistisch. “Die Krise geht vorüber. Selbst wenn jetzt Botschafter abgezogen werden, kann man davon ausgehen, dass sie in einigen Tagen wieder zurückgeschickt werden.”