Es gibt genug Geld in Jamaika

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Noch immer sind die Unterhändler für die Regierungsbildung in Berlin nicht mit der Sondierung fertig – aber die deutsche Wirtschaft rechnet schon mal vor: Genug Geld für Vorhaben einer Jamaika-Koalition ist da.

Ein wichtiger Verband der deutschen Wirtschaft findet sogar, es stünde doppelt so viel Geld in den öffentlichen Kassen zur Verfügung wie die potentiellen Regierungspartner angeben. Wie aus einer Berechnung des Deutschen Industrie- und Handelskammertag DIHK hervorgeht, könnten Union, FDP und Grüne in den kommenden vier Jahre über zusätzliche Einnahmen von 76 Milliarden Euro verfügen.

Die Parteien hatten den Spielraum auf 35 bis 40 Milliarden Euro beziffert. Zunächst hatten auch die Parteien mit einem größeren Spielraum gerechnet, doch der geschäftsführende Finanzminister Peter Altmeier (CDU) hatte die Erwartungen jüngst deutlich gedämpft.

Dämpfer von Finanzminister Altmeier

Solidarzuschlag, Forschung, Familie

Der DIHK rechnet bis zum Jahr 2021 mit zusätzlichen Steuereinnahmen von 30 Milliarden Euro und mit weiteren Steuermehreinnahmen von zwölf Milliarden Euro wegen eines über den Erwartungen liegenden Anstiegs des Bruttoinlandsprodukts. Hinzu kämen auch Einsparungen und Mehreinnahmen etwa aus geringeren Zinszahlungen und einem höheren Bundesbankgewinn von 16 Milliarden Euro sowie 18 Milliarden Euro bei Rückbuchung der Flüchtlingsrücklage in den normalen Etat.

Vorstellungen zur Verwendung der Mittel hat der DIHK natürlich auch: Der Solidaritätszuschlag der Arbeitnehmer solle um die Hälfte gestrichen werden, das würde 40 Milliarden Euro kosten. Auch müsse die sogenannte kalte Progression weg. Kosten: 24 Milliarden Euro. Die “kalte Progression” entsteht, wenn Lohnerhöhungen nur die Inflation ausgleichen und die Kaufkraft des Arbeitnehmers nicht steigt – oft zahlt er dann überproportional mehr Steuern. Eine Korrektur käme vor allem mittleren Einkommen entgegen.

Börse skeptisch

Des Weiteren solle die Forschung mit zusätzlich sechs Milliarden Euro gefördert werden. Die Wirtschaftsvertreter fordern auch für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz – der auch bei den Jamaika-Unterhändlern diskutiert wird. Die DIHK-Experten beziffern die Kosten auf zehn Milliarden Euro in vier Jahren. Zudem wünschen sie sich mehr Geld für die Digitalisierung der Berufsschulen: insgesamt zwei Milliarden bis 2021.

Die Börse in Frankfurt zeigte sich am Freitag wenig begeistert von der stockenden Sondierung der Parteien in Berlin. Der deutsche Aktienindex Dax gab am Morgen leicht nach. “Sollten hier nicht bald Fortschritte zu erkennen sein, dürfte dies die Stimmung auf dem Börsenparkett belasten”, hatte Analyst Milan Cutkovic vom Broker AxiTrader schon am Donnerstag prognostiziert. Die Gefahr erneuter Rückschläge im deutschen Börsenbarometer besteht unverändert, warnten Marktbeobachter. Analyst Timo Emden von DailyFX Germany schrieb: “Womöglich befindet sich der Dax lediglich in einer kurzen Verschnaufpause.” Zu den Risiken für den deutschen Aktienmarkt zählten auch die laufenden Parteiengespräche über einen Einstieg in die eigentlichen Koalitionsverhandlungen für ein Jamaika-Bündnis.

ar/zdh (dpa, rtr)