Mein Deutschland: Veganismus – eine Mode mit hypermoralischem Anspruch

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Auch wenn Veganer nur eine kleine Minderheit bilden, werden sie überall hofiert und berücksichtigt. Weil sie ihre Überzeugung nämlich oft lautstark und von oben herab kundtun, wie Zhang Danhong kritisch beobachtet.

Neulich traf ich einen alten Freund, der ziemlich niedergeschlagen wirkte. Er habe beim Hot-Yoga eine traumhafte Frau kennengelernt, erzählte er. Beim ersten Date in einem Restaurant war es mit der Romantik schnell vorbei: Die Veganerin hatte kein Verständnis dafür, dass er sich beim Bestellen von seinen fleischlichen Gelüsten leiten ließ. Mit einem lauten Schrei “Du Mörder!” rannte sie aus dem Lokal.

Warum sind manche Veganer so aggressiv, frage ich Yoga-Lehrerin Nie Xin. “Sie halten Fleischesser für unrein und grausam”, so ihre Antwort. Nicht nur Fleischesser. “Vegetarier sind genauso Mörder wie alle Unveganer”, sagte der hessische Tierrechtsaktivist Achim Stößer mal im Deutschlandfunk. Unvegane Freunde habe er natürlich nicht, so wie er keine Rassisten als Freunde habe. Beruhige dich mal, hätte ich ihm am liebsten gesagt, Tierliebe rechtfertigt noch lange keinen Menschenhass.

Schön, fit und nicht-vegan: die zertifizierte Yoga-Lehrerin Nie Xin

Menschen wie Achim Stößer ärgern sich tierisch, weil ihre Mitmenschen in ihren Augen moralisch zu weit zurückliegen. Durch Provokation wollen sie die geistigen Neandertaler wachrütteln. Das erinnert mich an die Grünen. Auch sie sorgen sich oft um das moralische Niveau der Deutschen. Mit ihrer Veggie-Day-Initiative im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 wollten sie ein Zeichen gegen den Raubbau an Klima und Natur setzen. Prompt wurden sie bei der Wahl von den Fleischfressern abgestraft.

Die Kaiserin und ihr Veggie-Reich

Unter der Herrschaft von Wu Zetian sollten keine Tiere getötet werden

Das fand ich ungerecht. Die Grünen meinen es doch gut mit uns. Und ein Tag in der Woche ohne Tiere auf der Speisekarte ist mehr als zumutbar. Wu Zetian, die erste und einzige Kaiserin Chinas, hat im siebten Jahrhundert zur Zeit der Tang-Dynastie, gleich JEDEN Tag im Jahr zum Veggie-Day erklärt, weil sie Buddhistin war. Da ja Chinesen angeblich keine Milch vertragen, wurden viele über Nacht zum Veganismus gezwungen. Die Folge war, dass im ganzen Reich der Mitte Depressionen zur neuen Volkskrankheit wurden.

“Ohne tierische Produkte mangelt es dem Menschen am lebenswichtigen Vitamin B12. Das führt zu vielen Krankheiten wie Gedächtnisverlust oder Depression”, sagt Yoga- und Fitness-Trainerin Nie Xin. Darunter würden auch in Deutschland viele Veganer leiden. Die Kosten für die Behandlung tragen alle Versicherten mit.

Wenn Erwachsene Schindluder mit ihrer Gesundheit treiben, ist schlimm genug. Noch unerträglicher wird es, wenn sie ihren Kindern ein veganes Leben verordnen. So habe ich im Freundeskreis von einer Frau gehört, die mit ihrem kleinen Sohn nach Indien ausgewandert ist, um ihr roh-veganes Ideal zu verwirklichen. Für solche Menschen kommen nur Rohkost und Lebensmittel in Frage, die nicht über 45 Grad Celsius erhitzt werden. Die nächste Steigerung sind Frutarier. Sie essen nur Früchte, die von alleine vom Baum fallen. Normale Veganer sind für sie Weicheier mit einem zweifelhaften Moralverständnis.

DW-Redakteurin Zhang Danhong

Mit anderen Worten: Die moralische Leiter ist sehr, sehr hoch. Ganz unten sind hoffnungslose Fälle wie ich, die jedes Jahr eine Runde auf dem Weihnachtsmarkt drehen, um jedes Mal beim Currywurst-und-Pommes-Stand zu landen. Dann kommen die Gelegenheitsvegetarier (nur wenn es die Umstände erlauben) und die Tellerrandvegetarier (Fleisch beiseiteschieben und Gemüse rauspicken), Es folgen die Ovo-Lakto-Vegetarier (Fleisch nein, Eier und Milch ja), Ovo-Vegetarier und Lakto-Vegetarier. Diejenigen, die aus ethischen Gründen auf den Fleischverzehr verzichten, sind höher einzustufen als die, die nur ihrer Gesundheit zuliebe Vegetarier geworden sind. Dasselbe gilt für die Veganer. Frutarier, die durch ihr Essverhalten die Welt retten wollen, haben einen Platz ganz oben verdient. Generell gilt, je höher man die moralische Leiter erklommen hat, desto intoleranter und herablassender schaut man auf die da unten.

Ein Strich durch den Salat

Nie Xin ist weder vegetarisch noch vegan und bildet unter den Yoga-Lehrern hierzulande eine große Ausnahme. Die promovierte Biologin plädiert für eine ausgewogene Ernährung ohne extreme Ausschläge in beide Richtungen. In einem Punkt teilt sie sogar die Meinung der Frutarier, die Veganern Doppelmoral vorwerfen. “Die Veganer bezeichnen uns als Tiermörder. Sie sehen aber nicht, dass auch Pflanzen Lebewesen sind und Gefühle haben”, sagt Nie Xin. Zudem sei ihr Verhalten widersprüchlich: “Sie propagieren die Nähe zur Natur, holen von der Natur aber mehr Pflanzen als die Fleischesser, um ihren Energiebedarf zu decken. Umweltbewusstsein sieht anders aus.”

Zudem bezweifle ich, dass vegane Ernährung unbedingt gesünder ist. Auf meine Frage, wie in veganen Keksen das Fehlen von Milch und Eiern kompensiert wird, antwortete eine Bäckerin grinsend: “Natürlich mit viel mehr Zucker.” Und mit ihrem Fetischismus treiben Veganer die Preise hoch und leisten der Kommerzialisierung der Lebensmittel Vorschub. 

Meine schöne Landsmännin Nie Xin glaubt, dass der Hype um den Veganismus wie jeder Trend kommen und wieder gehen wird. So stagniert die Zahl der Veganer in Deutschland seit drei Jahren bei rund 840.000. Der Fleischbann der chinesischen Kaiserin wurde durch Ausnahmen und Tricksereien ihrer Beamten immer mehr aufgeweicht. Auch die Grünen fassen das Veggie-Thema nach ihrem Wahldebakel von 2013 nicht mehr an. Schließlich haben sie neue Felder entdeckt, auf denen sie ihrer Hypermoral frönen können.

Zhang Danhong ist in Peking geboren und lebt seit über 20 Jahren in Deutschland.

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