Slowenien: Warum ein langweiliger Wahlkampf gut tut

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Gewalt, Armut, politische Dauerkrisen: Seit den Jugoslawien-Kriegen gilt der Westbalkan als Sorgenkind und Pulverfass Europas. Doch das kleine EU-Mitgliedsland Slowenien überrascht alle, die an diese Klischees glauben.

Er asphaltiert die Straßen im orangen Overall, wandert mit seinem Sohn durch Slowenien und sonnt seinen athletischen Körper – mit Delphin-Tattoo am Oberarm – in der Bucht von Piran. In all diesen Posen können seine Anhänger den slowenischen Präsidenten Borut Pahor bewundern, er ist ein Instagram-Star. Mehr als 42.000 Follower in einem Land mit nur zwei Millionen Einwohner: Sogar der britische Guardian stellte fest, dass Donald Trump zwar Twitter beherrschen mag, auf Instagram aber für seinen slowenischen Amtskollegen kein echter Konkurrent sei.          

Auch bei den Präsidentschaftswahlen am kommenden Sonntag scheint der Sozialdemokrat Pahor keine echten Gegner zu haben. Umfragen zufolge wird es vor allem darum gehen, ob er bereits im ersten oder im zweiten Wahlgang wiedergewählt wird. Der Politiker hat Erfahrung mit fast allen wichtigen politischen Ämtern in Slowenien. Dabei scheint seine Stärke nicht so sehr in der klaren politischen Profilierung zu liegen, sondern eher in der Tatsache, dass es zurzeit im kleinen Balkan-Land kaum Themen gibt, die die Menschen besonders aufregen würden – bis auf den Streit mit Kroatien um den genauen Verlauf der Grenze in der Piran-Bucht.

Präsident Pahor auf Instagram: Seite an Seite mit den Straßenarbeitern

Musterschüler aus der Krisenregion   

Die wirtschaftliche Entwicklung ist positiv, vor kurzem wurde die Wachstumsprognose für dieses Jahr auf 4,4, Prozent und für das nächste auf 3,9 Prozent angehoben. In der Digitalisierung liegt Slowenien europaweit auf dem zweiten Platz nach Finnland, der Ausbau des modernen Straßennetzes ist weitgehend abgeschlossen und nun wird auch das Schienennetz in großem Stil erneuert und ausgebaut.

Ein Musterschüler der Euro-Zone war Slowenien schon früher – bis zum Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2010. Das Alpenland zwischen Italien, Österreich und Kroatien galt schon im ehemaligen Jugoslawien als wirtschaftlich am besten entwickelte Republik der Föderation. Von den Unabhängigkeitskriegen der 1990er Jahre weitgehend verschont und wegen seiner ethnischen Homogenität politisch überwiegend stabil, schaffte Slowenien als einziger Nachfolgestaat des früheren sozialistischen Jugoslawiens einen geordneten Übergang zur kapitalistischen Marktwirtschaft. Als “Klassenprimus” und “Musterländle” wurde das kleine Land auf der “Sonnenseite der Alpen” gelobt. Und niemand war überrascht, als es 2004 EU-Mitglied und wenig später auch ein Teil der Euro-Zone wurde.   

Ein Selbstbedienungsladen

In der Zeit unmittelbar nach dem EU-Beitritt erlebte die slowenische Wirtschaft einen Aufschwung, die Bauindustrie boomte, Banken konnten sich auf den internationalen Finanzmärkten zu guten Konditionen Geld leihen, das sie dann großzügig in Form von günstigen Krediten weitergaben. “Die Slowenen haben sehr stark auf Kredit gelebt in den Jahren nach dem EU-Beitritt. Sie haben enorme Schulden im Ausland gemacht und dadurch einen Bauboom im Land finanziert, der dann mit der Finanzkrise abrupt abgebrochen ist”, erläutert Hermine Vidovic vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW).

Ein weiteres Problem sind die engen Verflechtungen politischer und wirtschaftlicher Strukturen in Slowenien. Im Unterschied zu den meisten anderen ehemals sozialistischen Ländern in Europa gab es in Slowenien keine umfangreiche Privatisierung der Wirtschaft. So blieben nach wie vor viele große Firmen und die wichtigsten Banken in staatlichem Besitz. Das lasse den Verdacht zu, “dass Entscheidungen über Kredite häufig nicht aus ökonomischen, sondern aus politischen Gründen gefallen sind”, gibt Vidovic zu bedenken. Und da man “Herr im eigenen Haus” sein wollte, erschwerte man zudem den Zufluss von “fremdem” Kapital, wo es nur möglich war. Dadurch blieben auch ausländische Investitionen aus.  

Harte Sparmaßnahmen 

Als seit 2010 im Rahmen der Finanzkrise das Geld auf dem internationalen Markt immer teurer wurde, kam die Wirtschaft ins Schlingern. Zeitweise sah es so aus, als ob auch Slowenien unter den europäischen Rettungsschirm ESM schlüpfen müsste.

Dazu kam es aber doch nicht: Slowenien nahm die Rettung der Volkswirtschaft und des Finanzsektors in die eigene Hand – mit harten Einschnitten für die Bevölkerung. “Einerseits wurde der Staatshaushalt zusammengestrichen, die Gehälter im öffentlichen Dienst gesenkt und eine ganze Reihe von Spar- und Reformmaßnahmen verabschiedet”, erklärt Vidovic. Andererseits pumpte der Staat mehrere Milliarden Euro in das wankende Finanzsystem des Landes, allein 1,55 Milliarden in die wichtigste Bank “Nova Ljubljanska banka” (NLB), die mehrheitlich in staatlichem Besitz ist. Woher die Milliarden kamen, will die slowenische Regierung bis heute nicht verraten.  

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Slowenien: das Europa-Dorf

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Slowenien: das Europa-Dorf

Ende 2011, mitten in der Krise, musste die damalige Regierung zurücktreten, nachdem ihr das Parlament das Misstrauen ausgesprochen hatte. Der Ministerpräsident, dem man es nicht zutraute, mit der Krise fertig zu werden, hieß Borut Pahor. Bei den nächsten Parlamentswahlen verlor seine Sozialdemokratische Partei zwei Drittel der Sitze. Aber dem ewig lächelnden Pahor schadete das nicht: Nur ein Jahr später gewann er im zweiten Wahlgang die Präsidentschaftswahlen.

Der Präsident mag Instagram   

Seit dieser Zeit hat sich in Slowenien einiges verändert: Die Krise scheint überwunden zu sein, Slowenien wird wieder als “Musterschüler” bezeichnet. “Für die Erholung der slowenischen Wirtschaft war es sehr wichtig, dass man in Absprache mit der EU ein Programm der Privatisierung der 15 großen Firmen, Banken und Infrastrukturobjekte gestartet hat”, sagt Vidovic. Darunter sind etwa die slowenische Telekom, der Hafen Koper oder die Fluggesellschaft Adria Airways. Auch die Großbank NLB soll privatisiert werden. 

Für die Menschen in Slowenien scheint das alles kein Problem zu sein. Die Exporte boomen, die Arbeitslosigkeit wird mit rund 7,5 Prozent in diesem Jahr etwa ein Prozent niedriger sein als im Vorjahr, seit zwei Jahren steigen auch die Reallöhne.

In dieses Bild passt dann auch ein unbeschwerter Präsident, der sich fast täglich auf Instagram inszeniert und bei Staatsbesuchen eine gute Figur abgibt.