Schwere Aufgaben bei der Tour de France 2018

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Windkanten am Atlantik, das Kopfsteinpflaster von Roubaix, ein Spektakel in Alpe d’Huez und die steilen Rampen der Pyrenäen: Die Strecke der Tour de France 2018 stellt sehr unterschiedliche Anforderungen.

Partyzone: In der “Kurve der Holländer” verengt sich die Straße hinauf nach Alpe d’Huez zu einem schmalen Spalier.

Die Alpen bieten steilere Rampen und längere Anstiege. Und doch fasziniert die Fans, Medien und Tausende Hobbyradsportler kein anderer Berg so sehr wie dieser: der mythische Anstieg hinauf nach Alpe d’Huez. 21 Kehren führen von Bourg d’Oisans hinauf in den Skiort Alpe d’Huez, der “nur” 1860 Meter hoch liegt und doch alle anderen Tour-Berge überrragt. Seit seiner Erstbefahrung anno 1952, als der italienische Großmeister Fausto Coppi dort oben triumphierte bis heute hat die erste Bergankunft der Tour-Geschichte einen besonderen Platz in der Radsportwelt. Und das wird auch 2018 wieder sichtbar werden, wenn auf der 12. Tour-Etappe allein am Schlussanstieg mehr als eine Millionen Menschen erwartet werden.

Nach einem Jahr Auszeit kehrt “der Berg der Holländer”, die diesen Anstieg seit einer Siegesserie in den 70er Jahren am Renntag besonders zahlreich und lautstark bevölkern, zurück in den Streckenplan der 105. Tour de France (7. bis 29. Juli 2018), der am Dienstag veröffentlicht wurde. Doch die 13,8 Kilometer lange Passage in den Skiort, die zum 30. Mal gefahren wird, ist nicht das einzige Highlight der kommende Tour-Ausgabe.

Über Kopfsteinpflaster und Schotter

Die Ehrentrikots der Tour 2017: Simon Yates (bester Jungprofi), Michael Matthews (bester Sprinter), Warren Barguil (bester Bergfahrer), Chris Froome (Sieger).

Es beginnt mit Windkanten-trächtigen Etappen am Atlantik, wo die Tour de France wegen der Fußball-WM in Russland etwas später als sonst startet. Auf der Insel Noirmoutier-en-l’Île in der Vendée beginnt das 3329 lange Rennen quer durch Frankreich, und ein Jahr nach dem rauschenden Auftakt in Düsseldorf haben die deutschen Sprinter um Marcel Kittel und André Greipel erneut zum Auftakt ihre Chance auf Gelb. Erstmals seit 2015 wird zudem wieder ein Mannschaftszeitfahren ausgetragen (in Cholet, 3. Etappe). Von dort aus führt die Strecke in die radsportverrückte Bretagne und weiter durch den Norden Frankreichs zur ersten, möglicherweise entscheidenden Etappe: Am 15. Juli fährt das Tour-Peloton von Arras nach Roubaix teilweise auf Kopfsteinpflaster-Wegen. Titelverteidiger Chris Froome stürzte 2014 auf diesem Terrain und musste aufgeben. 

Froome, der via Smartphone eine Liebeserklärung an die Tour schickte (“Die Tour de France ist die Sache in meinem Leben, die mich jeden morgen Aufstehen lässt. Sie ist das größte Sportereignis der Welt.”), hat Respekt vor der Strecke. “Mit viel Wind und dem Kopfsteinpflaster wird es aber ein sehr nervöses Rennen werden”, sagte der Brite. 

Nach einem Transfer und Ruhetag geht es sofort in den Alpen zur Sache: Drei Etappen im Hochgebirge werden das Gesamtklassement sortieren. Insbesondere der dritte Tag mit der Ankunft in Alpe d’Huez verspricht mit rund 5000 Höhenmetern Spannung. Zudem wird erstmals das Plateau des Glieres erklommen, ein Alpen-Anstieg, dessen letzte zwei Kilometer reine Schotterpiste sind. Nach einem kurzen Abstecher ins Massif centrale in Mende folgt das große Finale im Kampf um Gelb in den Pyrenäen. Spektakulär: die nur 65 km lange Königsetappe in den Pyrenäen von Bagnères-de-Luchon hinauf zum 1069 Meter hohen Col de Portet. Die Tour setzt damit weiter auf den Trend zu kurzen Bergetappen, die sich in jüngster Vergangenheit bei Tour und Vuelta jeweils zu wahren Krimis entwickelten – auch weil sie es dominanten Teams wie Team Sky schwerer machen, die Konkurrenz zu kontrollieren.

Schließt Froome zu den Tour-Rekordhaltern auf?

Das Ziel vor Augen: Das Peloton erreicht am 29. Juli Paris.

Die Entscheidung um den Tour-Sieg fällt wohl am vorletzten Tag mit einem Einzelzeitfahren im französischen Baskenland. Beide Zeitfahren dürften dem britischen Sky-Kapitän Froome entgegenkommen, der mit einem weiteren Tour-Sieg zu den Rekordhaltern Jacques Anquetil, Eddy Merckx und Bernard Hinault aufschließen würde. Doch der Parcours lässt auch mehr Fantasie zu: Der entscheidende Faktor bei Froomes diesjährigem Sieg war sein Team. Durch kürzere Etappen, viele wellige Etappen und das Kopfsteinpflaster könnte die Sky-Dominanz gebrochen werden. Aussichtsreiche Kandidaten sind mit Romain Bardet und Thibaut Pinot auch zwei Franzosen. Dazu gesellen sich die Italiener Vincenzo Nibali und Fabio Aru, der Kolumbianer Nairo Quintana, der Australier Richie Porte sowie – wenn er denn startet – Zeitfahrweltmeister Tom Dumoulin. Fest steht: Angesichts der sehr unterschiedlichen Anforderungen und Terrains kann nur ein kompletter Rennfahrer diese Tour gewinnen. 

Das glaubt auch Tourchef Prudhomme: “Der Sieger braucht im kommenden Jahr vieles. Kondition und Härte auf windigen Flachetappen, Widerstandskraft auf dem Kopfsteinpflaster, Stärke in den Bergen, ein starkes Team im Zeitfahren”, fasst er zusammen und räumt damit überraschend nur wenigen Fahrern Chancen auf den Gesamtsieg ein: “Ich denke, damit wird es auf Froome gegen Tom Dumoulin hinauslaufen.” 

Für die Sprinter bieten sich ein gutes halbes Dutzend Siegchancen – also weniger als schon oft in der Vergangenheit. 2017 dominierte Marcel Kittel mit fünf Etappensiegen die Massenankünfte, nachdem Peter Sagan und Mark Cavendish sich bei einem Crash gegenseitig aus dem Rennen genommen hatten. Der Kampf um das Grüne Trikot der besten Sprinter dürfte spannender werden, da mit Vorjahressieger Michael Matthews ein weiterer Allrounder den Favoriten und Weltmeister Peter Sagan herausfordern wird. Die Tour endet am 29. Juli traditionell mit einer Sprintankunft auf den Champs-Elysées im Herzen von Paris.