Kann Dortmund die Bayern entthronen?

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Der FC Bayern München taumelt, wirkt erstmals seit Jahren wieder angreifbar. Just in diesem Moment zeigt sich Borussia Dortmund so stark wie lange nicht. Erlebt die Bundesliga die Rückkehr eines echten Titelrennens?

Auf der Euphorie-Welle: Borussia Dortmund probt den Aufstand gegen Platzhirsch Bayern München.

Und Deutscher Meister wird am Ende immer der FC Bayern München. Dieser Satz ist in den vergangenen Jahren zu einer Gewissheit geworden, niemand hat ihn ernsthaft angezweifelt. Bis jetzt. “Wer wird Deutscher Meister? BVB Borussia. Wer wird deutscher Meister? Borussia BVB”, schallte es nach den letzten Siegen von der Südtribüne. Und das ziemlich laut. In Dortmund glauben sie wieder an sich und daran, dass das Meisterrennen endlich wieder spannend werden könnte. 

Das Erfolgsrezept: “Laufen, laufen, aggressiv sein”

Sieben Spiele, keine Niederlage und erst zwei Gegentore – der BVB, nicht die vermeintlichen Über-Bayern, ist momentan das Maß der Dinge in der Bundesliga. Dementsprechend groß ist die Euphorie rund um den Klub. Und auch Marco Reus, der aktuell noch an einem Kreuzbandriss laboriert, hat sie erfasst: “Borussia Dortmund wird Deutscher Meister”, sagt er mit einem leichten Grinsen auf den Lippen.

“Laufen, laufen, aggressiv sein. Tore schießen, keine Tore bekommen” – so erklärt Nuri Sahin die derzeitige recht einfache BVB-Erfolgsformel in einem Interview mit Sport1. Dass das neue System von Trainer Peter Bosz so schnell von den Spielern umgesetzt wird, damit hatte selbst der Niederländer nicht gerechnet und noch zu Beginn seiner Amtszeit um Geduld gebeten. Doch es funktioniert schneller als erwartet und zwar in teilweise beeindruckender Art und Weise, wie beim 6:1-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach am 6. Spieltag. “Das ist ein kontinuierlicher Prozess. Der wird nie abgeschlossen sein”, sagt Bosz über die Entwicklung seines Teams. Bosz’ Spiel-Idee lässt Erinnerungen an die erfolgreiche Zeit von Jürgen Klopp wach werden. Auch damals war der BVB mit aggressivem Gegenpressing erfolgreich, holte zwei Meistertitel und den DFB-Pokal.

Die Ruhe im Verein ist zurück

Auf dem Platz ist das Team erfolgreich, aber vor allem hinter den Kulissen ist endlich die ersehnte Ruhe eingekehrt, für die die Verantwortlichen lange kämpfen mussten. Erst die vorzeitige und etwas schmutzige Trennung von Thomas Tuchel, bei der sich beide Seiten sicher nicht mit Ruhm bekleckert haben, leitete die Wende ein. Zuvor standen sich zwei große Egos (Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Trainer Thomas Tuchel) immer unversöhnlicher gegenüber. Spätestens seit dem Abgang von Jungstar Ousmane Dembélé, der erst streikte und dann für rund 105 Millionen Euro zum FC Barcelona wechselte, ist der BVB wieder in ruhigem Fahrwasser und blickt auf einen turbulenten Sommer zurück. 

Große Unterstützung für den BVB: Andrey Yarmolenko (l.)

Doch Manager Michael Zorc hat offensichtlich den Durchblick behalten und mit Andrey Yarmolenko den perfekten Ersatz für den abgewanderten Franzosen verpflichtet. “Sowohl auf Vereinsebene als auch in Diensten der ukrainischen Nationalmannschaft steht Yarmolenko für Fußball auf Top-Niveau”, sagt Zorc über den 27-Jährigen. Und viele Fans geben ihm angesichts der zum Teil brillanten Leistungen Yarmolenkos recht.

Mehr Spieler, mehr Qualität

Der Kader ist insgesamt breiter aufgestellt als in der Vergangenheit – Bosz kann so ohne Qualitätsverlust rotieren, was für sein intensives Spiel-System unabdingbar ist. Nicht nur Yarmolenko, sondern auch Neuzugang Maximilian Philipp hat voll eingeschlagen. Der ehemalige Freiburger hat bereits vier Tore erzielt und Innenverteidiger Ömer Toprak (von Bayer Leverkusen) maßgeblich dazu beigetragen, dass Dortmund erst zwei Gegentreffer kassierte. Zudem scheint auch Mario Götze nach langer Krankheit immer besser in Tritt zu kommen.

Heynckes: “Es bringt nichts Ziele auszugeben”

Und die Bayern? Der vermeintliche Titelanwärter ist in den ersten Wochen gehörig ins Straucheln geraten, sogar das Wort ‘Krise’ ist im Umfeld der Münchener zu hören gewesen. Schwankende Leistungen, keine klare Spiel-Idee, eine öffentliche Demontage bei Paris Saint-Germainund bereits fünf Punkte Rückstand auf die Dortmunder haben Trainer Carlo Ancelotti im September den Job gekostet. Mit Nachfolger Jupp Heynckes soll nun alles besser werden. “Ich glaube schon, dass ein Ruck durch die Mannschaft gehen wird”, hofft der 72-Jährige. Das Wichtigste sei aber, “dass die Spieler den Glauben an sich zurückgewinnen. Es liegt sehr viel Arbeit vor uns”, so Heynckes. “Zunächst ist meine Aufgabe, wieder Ordnung zu schaffen.” Aufräumarbeiten in München.

Besser gehts nicht – der FC Bayern gewinnt 2013 das Triple. Davon ist der Rekordmeister 2017 ein gutes Stück entfernt.

Mit dem Erfolgscoach holten die Münchener 2013 das Triple aus Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions League.Über die Ziele seines insgesamt vierten Engagements bei den Bayern wollte der neue alte Trainer noch nicht sprechen, stattdessen lobte er den Rivalen aus Westfalen. “Dortmund ist nach sieben Spieltagen mit fünf Punkten vorne. Wie sie Fußball spielen, da wird es sehr schwierig, von dort wegzuholen. Es bringt nichts, jetzt schon Ziele auszugeben.”

Ein Umbruch zur Unzeit

Der FC Bayern braucht allerdings mehr als einen guten Trainer. Der erfolgsverwöhnte Klub hat in der Vergangenheit den Umbruch verpasst, der Kader der Münchener ist zu alt. Wichtige Säulen wie Franck Ribéry, Jérôme Boateng, Thiago oder Manuel Neuer sind derzeit verletzt oder angeschlagen. Zudem muss Heynckes die taktischen Ideen seines Vorgängers überarbeiten. “Es gibt viele Elemente, die ich der Mannschaft vermitteln muss, auch taktisch gesehen. Ich habe viele Anregungen”, gibt der 72-Jährige zu. Viele “Anregungen” brauchen aber Zeit, doch daran hapert es bei den Münchenern in der aktuellen Situation.

Dortmund braucht Unterstützung

Welche Rolle spielt RB Leipzig im Titelrennen?

Dass die Bayern nicht mehr unschlagbar sind, hat die erst kurze Saison bereits gezeigt. Julian Nagelsmann ärgerte den Rekordmeister am 3. Spieltag, auch Wolfsburg und Hertha konnten überraschend Punkte stibitzen. Vereine wie die TSG, aber auch RB Leipzig könnten zu den entscheidenden Helfern für die Dortmunder werden, denn beide Klubs sind in der Lage das Team von Trainer Heynckes zu besiegen.

Ohne solche “Unterstützung” dürfte der Meister-Traum des BVB nicht realisierbar sein, denn auch bei der Bosz-Elf läuft nicht alles rund. So ist die Defensive anfällig und lässt überdurchschnittlich viele Torschüsse zu – eine Saison ohne Niederlage dürfte also auch für Dortmund nicht machbar sein. Dazu zählten die bisherigen Gegner in der Bundesliga nicht gerade zu den Top-Teams. Gegen namhafte Klubs wie Tottenham oder Real Madrid musste Borussia Dortmund hingegen einiges an Lehrgeld zahlen.

Titelkampf ist kein Duell zwischen BVB und FCB

Dennoch ist die Chance auf den insgesamt neunten Meistertitel in der Vereinsgeschichte des BVB höher als in den vergangenen Jahren. Weil in Dortmund vieles passt und in München einiges noch nicht. Für Peter Bosz ist der Kampf um die Schale aber ohnehin nicht nur eine Frage zwischen den Bayern und dem BVB. “Ich glaube nicht, dass wir nur nach München gucken müssen”, sagte der 53-Jährige im Interview der “BamS”. Auch Hoffenheim mache es sehr gut und Leipzig sei auch immer da. “Da gibt es schon mehrere Vereine.” Ein echtes Titelrennen in der Bundesliga? Die meisten Fans würde es freuen.