Tausende erinnern in Moskau an Putin-Kritiker Nemzow

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Russland

Tausende erinnern in Moskau an Putin-Kritiker Nemzow

Mit einer Massendemonstration gedenkt die marginalisierte Opposition in Russland des vor einem Jahr ermordeten Kreml-Kritikers Boris Nemzow. Seine Tochter macht Präsident Putin politisch für den Anschlag verantwortlich.

Ein Jahr nach der Ermordung des Regierungskritikers Boris Nemzow sind Tausende Anhänger der russischen Opposition mit einem Gedenkmarsch durch Moskau gezogen.

Medien melden 20.000 Demonstranten

Die Polizei, die mit einem starken Aufgebot im Einsatz war, sprach von 7500 Teilnehmern. Russische Medien und Augenzeugen berichteten hingegen von 20.000 Demonstranten. Einige Oppositionsvertreter schätzten die Zahl der Teilnehmer sogar auf 100.000. In mehr als 50 anderen Städten in Russland und im Ausland wurde ebenfalls des Reformpolitikers gedacht.

Der emordete Opositionspolitiker Boris Nemzow

Der ehemalige stellvertretende Ministerpräsident Nemzow war am 27. Februar 2015 in der Nähe des Kreml in Moskau erschossen worden. Die Ermordung des 55-Jährigen hatte international Entsetzen ausgelöst. Obwohl mehrere Verdächtige aus der russischen Kaukasus-Republik Tschetschenien in Untersuchungshaft sitzen, gelten die Hintergründe als ungeklärt.

“Russland ohne Putin”

“Wir vergessen und vergeben nicht”, riefen die Demonstranten. Einige trugen Plakate mit der Aufschrift: “Ich fürchte mich nicht”. Manche riefen “Russland wird frei sein” und “Russland ohne Putin”. Viele der Teilnehmer äußerten ihren Unmut über eine zunehmend aggressive Stimmung in Russland sowie über wirtschaftliche Probleme und die Einschränkung von Bürgerrechten. Zahlreiche Demonstranten führten russische Fahnen mit, an denen ein Trauerflor hing.

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Boris Nemzow – Tod an der Kremlmauer

Sie wollten damit Vorwürfe der Staatsführung entkräften, die Kritiker als Vaterlandsverräter oder “fünfte Kolonne” abtut. Der frühere Ministerpräsident Michail Kasjanow, der Spitzenkandidat der Opposition für die kommende Parlamentswahl, marschierte an der Spitze des Zuges mit.

Nemzow gehörte unter Präsident Boris Jelzin in den 1990er Jahren zu den jungen, liberalen Reformern und Privatisierern, die in der russischen Bevölkerung aber auch für die massenhafte Verarmung verantwortlich gemacht werden. Als Jelzins-Nachfolger Wladimir Putin eigene Vertraute in die Regierung brachte, wurde Nemzow zu einem der Anführer der zerstrittenen Opposition.

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Am 27. Februar 2015 wurde der russische Oppositionspolitiker und ehemalige Vize-Regierungschef Boris Nemzow in Moskau ermordet. Die Tochter und DW-Journalistin Zhanna Nemzowa kommentiert das Vermächtnis ihres Vaters. (27.02.2016)

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Vorwürfe gegen Putin

Nemzows Tochter Zhanna Nemzowa griff aus Anlass des Jahrestages des Mordes den russischen Präsidenten scharf an: “Putin mache ich politisch für das Attentat verantwortlich», sagte die 31-Jährige Redakteurin der Deutschen Welle, der “Neuen Osnabrücker Zeitung”. “Zum einen, weil der Mord überhaupt passieren konnte, noch dazu an einem der wohl am besten gesicherten Plätze der Welt.” Zudem habe Putin ihren Vater “mit seiner Propaganda-Maschine” öffentlich massiv unter Druck gesetzt. “Und drittens machte der Präsident die Ermittlungen zur Chefsache.”

Putin hatte vor Jahresfrist eine umfassende Aufklärung des Mordes angekündigt. Fünf Tschetschenen wurden als Tatverdächtige festgenommen. Sie wurden wegen Mordes angeklagt und warten derzeit auf ihren Prozess. Die Verdächtigen bestreiten, den Mord begangen zu haben, und behaupten, die Tat unter Folter gestanden zu haben.

Zhanna Nemzowa

Vertreter der Opposition vermuten, dass der Mord von höchster Stelle geplant worden war und verlangen, dass die Auftraggeber vor Gericht gestellt werden. Sie gehen davon aus, dass der Moskau-treue Tschetschenenpräsident Ramsan Kadyrow und der Kreml selbst hinter der Tat stecken. Nemzowa forderte in der “Neuen Osnabrücker Zeitung”, Kadyrow müsse vor Gericht aussagen. Außerdem müsse es eine internationale Kontrolle der Ermittlungen geben. Kadyrow habe wiederholt Oppositionelle wie ihren Vater öffentlich als Volksverräter beschimpft, sagte die in Deutschland lebende Journalistin.

wl/SC (dpa, afp, rtre)