Neues FIFA-Museum: Nabelschau und Multimediaspektakel

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Kultur

Neues FIFA-Museum: Nabelschau und Multimediaspektakel

Die FIFA-Korruptionsaffäre hält Justiz, Presse und Fans in Atem – daran kann auch der neue Präsident Infantino erst mal nichts ändern. Im neuen Museum in Zürich feiert sich die FIFA derweil so, als sei nichts passiert.

Tessinerplatz unweit des noblen Zürichsee: Hier, wenige Gehminuten vom Hotel Baur au Lac entfernt, wo 2015 einige Exekutivmitglieder der FIFA wegen des Verdachts auf Betrug, Erpressung und Geldwäsche festgenommen wurden, steht das neue Museum des Weltfußballverbandes.

“FIFA World Football Museum” kann man auf großen silbernen Lettern lesen: Von außen erscheint das Gebäude wie ein schlichtes Hochhaus. Büros, Mietwohnungen und 3.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche verteilt auf drei Etagen. Ästhetisches Imponiergehabe strahlt das für umgerechnet 128 Millionen Euro umgebaute Haus nicht aus, das seit dem 28 Februar seine Pforten für Besucher geöffnet hat. “Das ist symbolisch zurückhaltend”, resümiert Architekt Sacha Menz. Und Museumsdirektor Stefan Jost ergänzt: “Das Haus hat viele Ecken und Kanten, genauso wie der Fußball!”

Gleichberechtigung durch Farbenlehre

Der sogenannte “Regenbogen”. Im Hintergrund eine 15 Meter hohe Videoinstallation.

Im Erdgeschoss befindet sich auch der sogenannte “Regenbogen”: eine runde Glasvitrine, in der die Trikots aller 209 FIFA-Mitgliedsverbände ausgestellt sind. Säuberlich zusammengefaltet und nach Farben sortiert. Zumindest hier hat noch alles seine Ordnung, erklärt Direktor Jost: “Wir haben uns gefragt: Machen wir es chronologisch, nach der Größe des Verbandes oder der Anzahl der Weltmeistertitel? Nein, wir haben alles farblich geordnet, weil jedes Mitgliedsland eine Stimme hat. Das ist Gleichberechtigung!” Auf der linken Seite im Erdgeschoss beginnt die “Timeline”, eine Zeitleiste mit der Geschichte des Verbandes: von den Anfängen des organisierten Fußballs in England 1863, der FIFA-Gründung 1904 bis zum Ende der Regentschaft von Joseph Blatter 2015. Ja, so kann man es hier tatsächlich nachlesen.

Die Architekten setzen auf edle Materialien, die Ausstellungsmacher auf Videoinstallationen und Multimedia: Aus 67 Beamern und zum Teil riesigen Bildschirmen blinkt und flimmert es permanent. Hier wurde mit Technik nicht gekleckert, sondern geklotzt. Aber der Kommerz, das Feilschen um Fernsehrechte und Joseph Blatters straffe Führung, mit der er die FIFA von einem kränkelnden Unternehmen zu einem weltweit operierenden milliardenschweren Konzern gemacht habe, das wird nicht thematisiert.

Inszenierung bis zur Schmerzgrenze

Von braun bis schwarz-weiß – Bälle in der “Galerie der Fußball Weltmeisterschaft”

Dafür gibt es umso mehr historische Bilder, Poster, Plakate und aufwendige, eigens für das Museum in Auftrag gegebene Videoproduktionen. Dazu kommen 15 interaktive Stationen – zum Beispiel über den Ball. “Wir denken, der Fußball wäre immer schwarz-weiß gewesen – falsch”, erklärt Direktor Jost. “Das kam erst 1970 mit der Satellitentechnik, als die Weltmeisterschaft zum ersten Mal global übertragen wurde. Davor waren die Bälle braun. Viele Menschen hatten aber damals Schwarz-Weiß-Fernseher. Und da sieht man braune Bälle fast gar nicht. Deshalb hat man ihn schwarz weiß gemacht, damit man diesen Ball auf dem Fernseher besser sehen kann.”

Überall wird der Besucher von einem optisch-klanglichen Sperrfeuer aus Tönen, Bildern und Geräuschen begleitet. Stadionatmosphäre wollte man hier inszenieren, sagt Gabriele Karau, verantwortlich für die Ausstellungsgestaltung: “In so einer Präsentationsform, 180-Grad-Leinwand, raumhoch, mit einem ausgeklügelten Soundsystem, gibt es einen emotionalen Impact.”

Herzstück des Museums: Kino mit 180-Grad-Projektion

Alles ist hier Inszenierung – bis zur Schmerzgrenze: Sogar die Verletzungen der Spieler durch ein Foul kann man hören! Wie beim Pendant in Dortmund, wo der DFB kürzlich ebenfalls ein eigenes Museum eröffnet hat, ist die Berliner Projektgesellschaft “Triad” für die Ausstellungskonzeption verantwortlich – eine Kreativagentur für “Themenparks, Messen und Markenwelten”, wie es auf deren Internetseite im schönsten Werbedeutsch heißt.

Aus allen Ecken tönen Geräusche und Videoclips, daneben gibt es eine Menge Artefakte, Kuriositäten und Devotionalien zu bestaunen – 1000 Ausstellungsobjekte, darunter die Gründungsurkunde der FIFA oder die “DeutTürk”-Fahne – Mondsichel und Stern auf schwarz-rot-goldenem Stoff. Während der Fußball WM 2006 in Deutschland hatte ein Hamburger Friseur die Idee zu der Fahne. Die Botschaft: Deutsch-Türken können ihre neue Heimat anfeuern. So geht Fußball: vom Friseursalon ins FIFA-Museum! Außerdem gibt es Panini-Sammelhefte und Briefmarkensammlungen von allen Weltmeisterschaften.

Krise ausgeblendet

Skandalumwittert – Ex-Fifa-Präsident Joseph Blatter

Dass die Verbände FIFA, DFB und andere derzeit ein massives Imageproblem haben, das ihnen die Machenschaften einiger Funktionäre eingebrockt haben, ist der Museumsleitung selbstverständlich nicht entgangen. Dennoch hält man umsonst Ausschau nach Exponaten wie dem FIFA-Geldkoffer Marke “Katar” oder dem Gesprächsprotokoll zwischen Joseph Blatter und Jack Warner, als letzterer die millionenschwere WM-Fernsehrechte für die Karibikregion quasi geschenkt bekommen hatte.

Von der Krise des Weltverbandes, von den Korruptions- und Geldwäschevorwürfen ist im Museum nichts zu sehen – noch nicht, wie Direktor Jost erklärt: “Wir wollen alle Facetten des Fußballs zeigen, auch die dunklen. Aber bei den neueren Entwicklungen brauchen wir noch eine bessere Distanz dazu, um zu sehen, was wirklich geschehen ist.” Vorausschauend bleibt Jost zuversichtlich: “Korrupte Funktionäre können den Fußball nicht kaputt machen!”

Kein traditionelles Museum

Gleichwohl bleibt das FIFA-Museum vor allem eine selbstverliebte Hommage an die vermeintlich goldenen Zeiten des Fußballs – keine nachdenkliche Reflektion, was Sport, Medienkonzentration und Infotainment bewirken. Den Vorwurf, dass sich der Weltfußballverband im FIFA-Museum nur selber feiern würde, weist Direktor Stefan Jost zurück: “Wir zeigen das Resultat der Arbeit der FIFA. Das ist nicht nur die FIFA-Administration, das sind auch die FIFA-Mitgliederverbände, die Freiwilligen draußen, die jeden Tag den Fußball entwickeln. Das wollten wir zeigen und nicht uns selbst glorifizieren.”

Überall Selbstdarstellung, statt Reflektion – hier die “Chronik”, eine Zeitleiste mit der Geschichte des Verbandes

Das FIFA-Museum ist kein traditionelles Museum im Sinne des Ausstellens, Lernens und kritischen Reflektierens. Hier geht es vielmehr um die Erlebniswelt FIFA, um die Emotionalisierung der Fußballgeschichte mit den multimedialen, interaktiven Möglichkeiten unserer Zeit. Auf neue, vielleicht sogar brisante Exponate, darf man in der Nach-Blatter-Ära unter Gianni Infantino gespannt sein.