Djukanovic: “NATO-Einladung Montenegros positives Signal”

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Djukanovic: “NATO-Einladung Montenegros positives Signal”

In der Frage einer NATO-Mitgliedschaft ist die montenegrinische Gesellschaft gespalten- ähnlich wie einst beim Referendum über die Unabhängigkeit, sagt der Premier Montenegros, Milo Djukanovic.

Proteste gegen die NATO-Mitgliedschaft Montenegros (12.12.2015)

Montenegro will in die Nato. Die Einladung dafür dafür kam Ende 2015. Doch es gibt Hindernisse. Wie ist der Stand der Dinge mit der NATO-Mitgliedschaft Montenegros zurzeit?

Montenegro hat die Einladung Ende letzten Jahres bekommen. Und das ist nicht nur der größte Erfolg für 2015 für unser Land, sondern auch die Krönung all unserer Reformbestrebungen seit unserer Unabhängigkeit 2006. Das ist auch für Montenegro ein historischer Wandel, weil wir ein Teil eines neuen Wertesystems werden, ein Teil der Euro-Atlantischen Gemeinschaft. Aber es ist auch wichtig für die Stabilität und die weitere Entwicklung der Region des westlichen Balkans.

Seit 2008, als Albanien und Kroatien NATO-Mitglieder wurden, gab es keine weiteren Beitritte zum Bündnis. Zudem hatten wir in den vergangenen acht Jahren auch die europäische Wirtschaftskrise. Diese schwierige Situation haben auch die Gegner der EU- und NATO-Erweiterung genutzt. Und sie haben die Gelegenheit genutzt, gewisse Illusionen über gewisse Alternativen in unserer Region zu schüren. Und deswegen glauben wir, dass zum einen die Einladung Montenegros für die NATO-Mitgliedschaft, aber auch unsere weitere EU-Annäherung ein positives Signal für die ganze Region ist.

Nun gibt es im Land und auch international Widerstand – Stichwort Russland. Wie wollen Sie diese Widerstände überwinden?

Die montenegrinische Gesellschaft ist politisch gespalten – das war auch 2006 beim Referendum über die Unabhängigkeit Montenegros der Fall. Diejenigen, die damals mehrheitlich gegen unsere Unabhängigkeit waren, sind auch heute gegen unsere NATO-Mitgliedschaft. Wir haben vor dem Referendum gesagt: Wir möchten unabhängig werden, damit wir gerade diesen Weg der europäischen, der euroatlantischen Integration gehen können. Und unsere Gegner haben gesagt: Nein, Wir möchten das nicht, wir möchten in diesem Balkan bleiben, so wie er ist. Meine Hoffnung war in den letzten zehn Jahren, dass wir vielleicht eine größere Anzahl der Gegner zu uns führen können. Aber leider waren diese Krisenjahre nicht gerade die günstigsten, um diese emanzipatorische Rolle auch zu verwirklichen. Ich glaube, der pro-europäische Kurs in Montenegro ist viel stärker als es der Unabhängigkeitskurs damals war.

Nach der Vertrauensabstimmung im Januar haben Sie der Opposition angeboten, in der Regierung mitzuarbeiten. Wie ist der Stand der Dinge in dieser innenpolitischen Krise?

Milo Djukanovic: “”NATO ist ein großer Erfolg für Montenegro”

Nachdem wir die Einladung für die NATO-Mitgliedschaft Ende letzten Jahres bekommen haben, habe ich vorgeschlagen, wir gehen wählen. Aber die Opposition hat gesagt, dass sie nicht bereit für die Wahlen ist. Sie hatte natürlich ein paar Argumente bereit, indem sie die Legitimität der Regierung infrage stellen wollte. Danach habe ich die Vertrauensfrage im Parlament gestellt. Das Finale dieser Vertrauensfrage war mein Angebot an die Opposition. Ich habe gesagt: Ich teile nicht eure Meinung, dass es bei den bisherigen Wahlen Unregelmäßigkeiten gab. Denn alle bisherigen Wahlen hat sowohl die OSZE als auch der Europarat verfolgt. Aber ich respektiere, dass ihr als unsere Gegner und Opposition diese Zweifel habt. Lasst uns diese Zweifel jetzt vom Tisch bekommen: Kommt jetzt in die Regierung.

Es geht nicht darum, dass mich jemand dazu zwingt. Und das ist auch kein symbolisches Angebot, sondern ich biete ihnen den Posten des stellvertretenden Premiers, des Finanzministers, Innenministers, Landwirtschaftsministers und den des Ministers für Soziales an. Es sind gerade diese Ressorts, weil die Opposition geglaubt hat, dass in diesen Ministerien die Ressourcen sind, mit denen man Wahltäuschung oder Wahlbeeinflussung betreiben kann. Die Opposition war vielleicht ein bisschen überrascht über das Angebot. Und jetzt ist sie immer noch in der Phase, dass sie darüber nachdenkt.

Es gibt auch aus Europa viel Kritik an Montenegro in Bezug etwa auf Rechtsstaatlichkeit, die Medienfreiheit, die Korruptionsvorwürfe. Was unternehmen Sie dagegen?

In Montenegro gibt es natürlich all die Probleme, die Sie in jedem anderen Land finden können, das sich auf diesem Entwicklungsweg befindet – besonders auf dem Balkan. Vielleicht sind einige Probleme bei uns etwas größer als bei anderen – von dort kommt dieser Unterschied zwischen Realität und Wahrnehmung. Das heißt, dass das ganze Bild, die ganze Wahrnehmung, auch die früheren Strukturen von Slobodan Milosevic gebildet haben.

Und diese Argumente nutzen am meisten, sowohl damals, zur Zeit Milosevics, als auch heute, unsere Gegner, die ein anderes Bild von unserem Land schaffen möchten. Um dieses Bild zu verändern, arbeiten wir sehr transparent an der Umsetzung unserer Ziele. Wir haben 22 Verhandlungskapitel eröffnet mit der EU. Und wir machen weiter. Wir haben die Einladung zur NATO-Mitgliedschaft bekommen. Und ich bin fest davon überzeugt, dass wir nicht so schlecht sind, wie Milosevic uns damals und unsere Gegner uns heute darstellen. Wenn wir so schlecht wären, dann hätte uns die EU und auch die NATO nicht so weit gebracht. Und glauben Sie, dass jemand dieses Angebot an die Opposition machen würde, wenn er irgendetwas verstecken möchte?

Das große Thema in der Region ist die Flüchtlingsfrage. Montenegro ist bisher nicht betroffen. Wie bereitet sich Montenegro darauf vor, falls eventuell Flüchtlinge in Ihr Land kommen?

Wir verfolgen sehr aufmerksam, was alles passiert in Bezug auf diese Frage. Und als sehr verantwortliches Kandidatenland auf dem Weg zur EU verfolgen wir auch ganz konkret, was die EU auf diesem Feld vorbereitet. Wir haben alle unsere Strukturen darauf vorbereitet, sollte es zur Veränderung der Hauptroute kommen. Wir sind auch bereit, dieses Thema aufzunehmen. Und wir werden natürlich die Politik verfolgen, die auf der EU-Ebene koordiniert wird – in Zusammenarbeit mit unseren Nachbarländern.

Das Gespräch führte Adelheid Feilcke

Milo Djukanovic ist seit Dezember 2012 der amtierende Ministerpräsident Montenegros. Davor war er Staatspräsident der Republik Montenegro (1998–2002) und mehrfach (1991–1998, 2002–2006 und 2008–2010) Premierminister seines Landes. Außerdem ist er seit 1997 Parteivorsitzender der dauerregierenden Demokratischen Partei der Sozialisten Montenegros.