Bedrohte Schuppentiere in Vietnam

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Umwelt

Bedrohte Schuppentiere in Vietnam

Sie sind die meistgeschmuggelten Säugetiere der Welt und trotzdem haben viele Menschen noch nie von ihnen gehört. Doch Tierschützer in Vietnam wollen die Schuppentiere retten.

Lucky kriecht langsam aus dem Heu, entrollt seinen geschuppten, sehnigen Körper und dreht dann seinen ledrigen Kopf ein paar Mal hin und her. Nachdem er beschlossen hat, dass es vielleicht besser wäre, doch noch im Bett zu bleiben, lässt er sich entspannt wieder ins Heu zurücksinken. Für ein nachtaktives Schuppentier wie Lucky ist der späte Nachmittag doch noch etwas früh, um aufzustehen.

Das Carnivore and Pangolin Conservation Program will Schuppentiere wieder auswildern

Wie der Name suggeriert hat Lucky in der Tat Glück, denn er lebt zurzeit an einem sicheren Ort: dem Zentrum des Carnivore and Pangolin Conservation Program, außerhalb von Vietnams ältestem Nationalpark, Cuc Phuong.

Die meisten seiner Artgenossen haben nicht so viel Glück. In den letzten Jahren sind die schuppigen Ameisenfresser zu den
meistgeschmuggelten Säugetieren der Welt geworden.

Befeuert durch die Nachfrage nach ihrem Fleisch und ihren Schuppen ist die Zahl der Schuppentiere dramatisch eingebrochen und alle acht Arten gelten der Weltnaturschutzunion IUCN zufolge inzwischen als bedroht.

Das Chinesische- und das Malaiische Schuppentier gelten sogar als vom Aussterben bedroht, das bedeutet, das Risiko, dass sie in unmittelbarer Zukunft in der Natur aussterben werden, ist extrem hoch.

Starke Nachfrage aus China

Heutzutage ist in Vietnam die Wahrscheinlichkeit deutlich höher, ein Schuppentier zu sehen, das in einem Restaurant auf dem Teller liegt oder eingesperrt in einem Auto oder Lastwagen auf dem Weg zur chinesischen Grenze ist, als einem der Tiere in der Wildnis zu begegnen.

Für die wachsende Mittelschicht in beiden Ländern ist das Fleisch der Tiere eine verbotene Delikatesse und ihre Schuppen finden in der traditionellen chinesischen Medizin vielfältige Verwendung.

Vietnams großer Nachbar im Norden ist die größte Gefahr für die Tiere, sowohl in der Region, als auch darüber hinaus.

Douglas Hendrie, ein technischer Berater bei der Naturschutzorganisation Education for Nature-Vietnam (ENV) schätzt, dass etwa 90 Prozent der durch Vietnam geschmuggelten Schuppentiere auf dem Weg nach China sind.

Schmuggel wird nicht hart genug bestraft

Schuppentiere in Gefangenschaft zu halten ist schwierig: Sie zu füttern ist teuer und Zuchtprogramme sind nur bedingt erfolgreich

Die Bekämpfung des Schmuggels der schuppigen Ameisenfresser ist eine Herausforderung. Bei der Verfolgung der Schmuggler gibt es einige Fortschritte auf der “mittleren Ebene”, aber Hendrie ist besorgt, dass die Behörden die Hauptakteure immer noch weitgehend unbehelligt lassen.

Darüber hinaus werden die Bemühungen vor Ort erfolglos bleiben, wenn sich auf regionaler Ebene nichts ändert.

Hendrie beschreibt Laos, das mit Vietnam über eine lange Grenze verbunden ist, als “mehr oder weniger ein Schwarzes Loch der Strafverfolgung.” Und als ob das noch nicht schlimm genug wäre, ist laut einem
neuen Bericht der NGO Traffic auch Myanmar zu einen Hort des illegalen Tierhandels geworden.

“Wenn ich der Gemeinschaft der noch lebenden Schuppentiere in Vietnam, falls es so etwas gibt, einen Rat geben könnte”, scherzt Hendrie, “dann wäre der: Versteckt euch!”

Das Schuppentierprogramm

Da Verstecken nicht immer eine Option ist, kommen nun Naturschützer den Schuppentieren zur Hilfe.

Save Vietnam’s Wildlife (SVW), die Tierschutzorganisation, die das Zentrum betreibt, in dem Lucky lebt, hat ein Programm gestartet, um Schuppentiere wieder auszuwildern, oftmals Tiere, die von den Behörden beschlagnahmt worden sind. Abgesehen von einem ähnlichen Zentrum im angrenzenden Kambodscha ist es das einzige seiner Art in ganz Asien.

Im November tat sich SVW darüber hinaus mit dem World Wildlife Fund (WWF) zusammen, um 24 Tiere auszusetzen, die mit Peilsendern ausgestattet waren.

Nguyen Van Thai, Leiter von SVW sagt, sie seien die erste Organisation in Vietnam, die Schuppentiere auf diese Art auswildere. “Hoffentlich werden wir dadurch mehr über die Tiere lernen, über ihre Lebensräume und ihre Überlebenrate.”

Schuppentiere wieder zurück in die Natur zu bekommen ist wichtig, denn die Gefangenschaft bekommt ihnen nicht gut. Zuchtprogramme waren bisher nur begrenzt erfolgreich und im Zentrum von SVW sind bereits etliche Tiere gestorben.

Veränderte Wahrnehmung, neue Gesetze

Mithilfe von Sendern wollen Tierschützer mehr über den Lebensraum und das Verhalten der Schuppentiere erfahren

Je mehr die Tiere in Vietnam wieder ausgewildert werden, umso mehr hoffen Tierschützer auf einen Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung. Veranstaltungen und Informationskampagnen sollen den Wandel fördern.

Am weltweiten Tag des Schuppentiers, dem 20. Februar, wird SVW ein neues Zentrum eröffnen, das sowohl über die Schönheit von Vietnams Fleischfressern (das Zentrum beheimatet auch bedrohte Zibetkatzenarten) als auch die der Schuppentiere informieren soll, und über die Bedrohung, der sie ausgesetzt sind, aufklären wird.

ENV sagt, dass sich die öffentliche Wahrnehmung in Vietnam wandle — und dank eines wachsenden Netzwerks von lokalen Informanten und einer 24-Stunden-Hotline für Wildtierverbrechen wird es leichter den Schmuggel auf lokaler Ebene zu bekämpfen.

Auch Änderungen im vietnamesischen Recht haben den Tierschutz gestärkt. Dekret 160, ein neues Gesetz, das im Januar 2014 in Kraft trat, hat Schuppentiere von einer “zweitrangigen Spezies zu einer rundum geschützten, bedrohten Art gemacht”, erklärt Hendrie von ENV. Er sagt, daraus resultiere ein deutlicher Rückgang der Straftaten im Zusammenhang mit Schuppentieren während der letzten zwei Jahre.

Nguyen Phuong Dung, Vize-Chef von ENV bestätigt das. “Vor diesem Gesetz wurde ein Schuppentier nach seiner Beschlagnahmung direkt wieder den örtlichen Behörden übergeben”, sagt er.

Aber das führte oft dazu, dass die Schuppentiere weiterverkauft, und so über kurz oder lang getötet wurden.

Nguyen Phuong Dung sagt, dank des neuen Gesetzes landeten sie jetzt eher in Zentren wie dem in Cuc Phuong.

“Das Gesetz hat uns die Munition gegeben, die wir von der Strafverfolgungsseite her brauchen, um vor Ort wirklich etwas zu bewegen”, stimmt Hendrie zu.