Kommentar: Falsch verstandene Gastfreundschaft

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Iran

Kommentar: Falsch verstandene Gastfreundschaft

Selbst wenn nach dem Wegfall der Sanktionen im Iran lukrative Geschäfte locken, darf die freie Welt den Mullahs nicht zu große Zugeständnisse machen. Und verbiegen darf sie sich schon gar nicht, meint Alexander Freund.

Verpackte antike Statuen in den Kapitolinischen Museen in Rom

Die einen reiben sich verzückt die Hände, die anderen verwundert die Augen: Kaum sind die Sanktionen gegen den Iran gefallen, beginnt der Wettlauf um die lukrativsten Geschäfte. Alle wollen sich ihren Teil vom Kuchen sichern. Kein Wunder, nach jahrzehntelanger Isolation ist der Nachholbedarf im Iran gewaltig. Und das Land bietet nicht nur unfassbare Absatzmöglichkeiten, es ist auch noch reich. Zumindest hat es gewaltige Ölvorkommen und gewisse Kreise verfügen über das nötige Kleingeld. Also pilgern Firmenvertreter, Minister und Staatsoberhäupter aus aller Herren Länder nach Teheran und beschwören den wechselseitigen Nutzen und die traditionell engen Verbindungen. Im Gegenzug reist auch der iranische Präsident durch die Welt und wird hofiert. Eben noch ein Schmuddelkind der internationalen Gemeinschaft, jetzt ein interessanter Handelspartner.

Vorauseilender Gehorsam

Wo auch immer der iranische Präsident derzeit zu Gast ist, wird ihm der rote Teppich ausgerollt. Selbst der Papst empfing Präsident Rohan, auch wenn es da nicht um Geschäfte ging. Störendes bekam der iranische Gast in Rom nicht zu sehen, kein Demonstrant sollte die lukrativen Geschäfte gefährden. In der ewigen Stadt ging die Gastfreundschaft sogar soweit, dass vorsorglich Kunstwerke von Weltrang verhüllt wurden, um dem frommen Mann aus Teheran den Anblick nackter Marmorstatuen zu ersparen. Geht’s noch?

Alexander Freund leitet die Asien-Redaktionen der DW

Diese falsch verstandene Gastfreundschaft ist unnötig und provoziert nur Proteste aus der falschen Ecke. Natürlich zeigt der Gastgeber einem wichtigen Gast lieber die schönen Seiten und sorgt für einen angenehmen Aufenthalt. Und dazu gehört auch, einem strenggläubigen Muslim kein Schweinefleisch oder einen noch so guten Rotwein aufzunötigen. Genauso wie man übrigens keinem gläubigen Hindu Rindfleisch oder einem Vegetarier überhaupt irgendein Fleisch vorsetzt. Aber die Gastfreundschaft sollte Grenzen haben und diese Grenze ist spätestens dann überschritten, wenn man sich nur um des schnöden Mammons willen verbiegt. Wenn also der Gastgeber seinen Wein trinken will, weil ihm das wichtig und nicht verboten ist, dann nimmt ein guter Gast dies hin. Eine Kulturnation wie Italien sollte definitiv keine Statuen verhüllen, nur weil die Nacktheit die religiösen Gefühle eines Staatsgastes verletzen könnte. Zur Not muss der Gast eben einfach wegschauen oder fernbleiben.

Preis der Partnerschaft

Aber hier geht es nicht wirklich um Wein, nackte Statuen oder um das auch im islamischen Raum so wichtige Verhältnis zwischen Gast und Gastgeber. Es geht um den Preis einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Es geht um knallharte Deals, aber eben auch um das eigene Selbstverständnis. Gerade in laizistischen Demokratien, die lange für ihre Werte und die Trennung von Staat und Religion gekämpft haben.

Natürlich kann man auch mit undemokratischen Ländern wie China, Russland, Saudi Arabien oder dem Iran Geschäfte machen, aber nicht zu Lasten der eigenen Identität, der eigenen Werte. Wer eine Partnerschaft will, muss Regeln und Gepflogenheiten berücksichtigen. Diesen Preis müssen beide Partner zu zahlen bereit sein.

Zu einer Partnerschaft gehört aber auch, dass neben den Geschäften auch strittige Themen angesprochen werden. Hier zeigt sich, dass der Iran eben bislang kein Partner, sondern nur ein Markt ist. Das Land hat sich nicht geöffnet, nur für lukrative Geschäfte steht es wieder offen. Der Iran hat sein Atomprogramm nicht aus Einsicht eingestellt, sondern weil der internationale Druck zu groß wurde und die Sanktionen das Land in die Knie zwangen. Die Macht der Mullahs aber in dem selbsternannten “Gottesstaat” ist ungebrochen.

Wandel durch Handel

Verglichen mit Irans geistlichem Oberhaupt Chamenei mag Präsident Rohani das kleinere Übel sein, aber die derzeitige Anbiederung an den Iran ist schon grenzwertig. Denn trotz aller Profitmöglichkeiten sollte nicht vergessen werden, dass sich im Iran in den vergangenen Jahren nichts verbessert hat. Ganz im Gegenteil: Die Repressalien gegen jegliche Form von Opposition werden immer schärfer. Und gleichzeitig forciert der Iran die brutalen Stellvertreterkriege mit Saudi-Arabien um die Vorherrschaft im Nahen Osten.

So verlockend die lukrativen Geschäfte auch sind, unsere Werte wie Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sind allemal wichtiger. Profitieren dürfen nicht nur das Mullah-Regime und besonders geschmeidige Staaten und Firmen. Profitieren muss auch die internationale Staatengemeinschaft und das iranische Volk. Denn das will nicht nur eine verbesserte Versorgungslage, sondern vor allem einen Wandel und eine Öffnung des Landes.

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