Banja – die russische Art der Sauna

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Reise

Banja – die russische Art der Sauna

Der Winter in Moskau ist kalt. Sehr kalt. DW-Reporterin Kerstin Palzer hat sich in einer echten russischen Sauna, einer Banja, aufgewärmt. Drei Stunden für einen Einblick in die russische Seele, bei über 100 Grad.

Wer glaubt, er sei ein erprobter Sauna-Gänger, der sollte unbedingt eine russische Banja ausprobieren. 100 Grad und darüber, das ist ordentlich heiß aus russischer Sicht, alles andere ist ein Kindergeburtstag. Dazukommen die permanenten Aufgüsse; durch die Feuchte wirkt alles noch mal viel heißer. Die Russen lächeln nur milde über die Finnen mit ihren “warmen Hütten”.

Grundregeln für einen Banja-Besuch

In einer Banja hüllt man sich am besten in ein großes Baumwoll- oder Leinentuch und setzt einen dieser legendären Banja-Hüte auf. Diese Kopfbedeckung ist aus Filz, sieht lächerlich aus, nutzt aber viel, denn sie schützt den Kopf vor der großen Hitze. Außer dem Tuch, trägt man in der Banja nichts. Badeanzüge haben beim Schwitzen nichts zu suchen, so die ganz klare Order der Banja-Experten. Und es gilt Geschlechtertrennung. Es gibt eine Frauen-Banja und eine Männer-Banja.

Achtung übrigens, wenn in Russland über dem Ort zum Schwitzen “SAUNA” steht. Dies ist dann oft ein erotisch orientiertes Etablissement und hat mit der klassischen (und völlig unerotischen!) Banja nichts zu tun.

Sie heizt den Banjabesuchern ein – Dampfmeisterin Olga

In jeder Banja gibt es einen Dampfmeister bzw. in der Frauen-Banja natürlich eine Dampfmeisterin. Unsere heißt Olga und läutet energisch an einer Glocke im Vorraum der Banja, sobald sie den Schwitzraum fertig vorbereitet hat. Dann gehen alle Frauen zügig in den Waschbereich, duschen kurz und warten dann – ordentlich aufgereiht – vor der Tür zum Schwitzraum.

Banjas sind traditionell zweistöckig, der Ofen steht unten. Alle Russinnen setzen sich in den oberen Bereich. Das ist schon ein ungewöhnlicher Anblick, wenn eine ganze Gruppe nackter Frauen die Filzhüte tief in die Stirn zieht. Alle sind bis zur Nasenspitze zum Schutz vor der Hitze in Laken eingehüllt. Gerade haben alle noch laut palavert, jetzt sind sie verstummt, sitzen ergeben auf den Holzbänken und warten auf die Hitze. Die große Hitze. Und die kommt. Denn Olga heizt währenddessen den Ofen weiter an.

Hitze für die Gesundheit und Stille für die Seele

Neben mir hängt ein Thermometer. 117 Grad zeigt es. Als ich etwas in Panik gerate, beruhigt mich eine Mitschwitzerin. Das Thermometer sei kaputt sei und es sei “nur” 90 Grad heiß. Kuschelig sozusagen. Als Olga mit einem großen Handtuch die Hitze verwirbelt und sich heiße Schwaden ausbreiten, regen sich Zweifel. Es ist unglaublich heiß. Aber ich bin ich ja auch keine Russin und Banja-Gänge nicht gewohnt. Tamara, die Frau neben mir, geht jede Woche in die Banja. “Atme die heiße Luft durch den Mund ein”, sagt sie. “So bekommst du keinen Husten jetzt im Winter.”

Es herrscht genüssliches Schweigen. Als ich meiner Nachbarin eine Frage zuflüstern will, werde ich von der Dampfmeisterin Olga zurecht gewiesen “Pscht! In der Banja ist es still. Damit die Seele Ruhe finden kann.”

Das Tauchbecken – eine Mutprobe für DW-Reporterin Kerstin Palzer

Nach einigen Minuten im Schwitzraum geht es unter die Dusche und dann – wer sich traut – in das Tauchbecken. Das hat angeblich 4 Grad. Ich wage es. Mein Gefühl beim Eintauchen ist, dass das Wasser eigentlich gefrieren müsste und ich gleich mit.

Coole Banjas in Moskau

Die berühmteste Banja Moskaus ist die Sanduny im Moskauer Zentrum, in der Neglinnaya uliza 14. Diese Banja wurde schon 1808 eröffnet und ist traditionell auch ein Ort für gesellschaftliche Treffen. Im Bereich für die Männer gibt es zusätzlich noch ein spektakuläres Schwimmbad (bei den Frauen gibt es gar keins), einen Friseur, Maniküre und Massage. Hier treffen sich auch Geschäftsleute und Politiker. Allerdings wird der Bereich für die Frauen zur Zeit renoviert.

Mein Tipp wäre die Warschawski Banja im südlichen Moskauer Zentrum in der Warschawskoe Chaussee 34, nur 500 Meter von der Metrostation Nagatinskaya entfernt. Dort kostet der Eintritt für drei Stunden etwa 20 Euro.

Schwitzen und Schwatzen

Zu fast jeder Banja gehört auch ein Restaurant. Hier laufen die Nachrichten-Kanäle des russischen Fernsehens. Hier sitzt man im Bademantel, mit nassen Haaren und geröteter Haut und diskutiert über die wirklich wichtigen Dinge des Lebens: über die Krim, die EU-Sanktionen und die Schulnoten der Kinder. Das ganz normale Leben. Nacktheit schafft Nähe und das gemeinsame Schwitzen verbindet Menschen und wird seit jeher in Russland kultiviert.

Zwischen den Banja-Gängen wird gegessen und getrunken, oft Wodka. Das habe ich persönlich noch nicht erlebt, aber ich war auch immer tagsüber unterwegs. Da trinkt man eher Tee, isst ein Sandwich oder traditionelle russische Speisen wie Blinis (Eierpfannkuchen) mit Kaviar oder Borschtsch (Rote-Beete-Eintopf).

Birkenzweige gehören zur Grundausstattung jeder Banja

Bei meinem zweiten Banja-Gang bietet mir Tamara an, mich mit einem Bündel von zuvor in Wasser eingeweichten Eichen- und Birkenzweigen abzuklopfen. Das ist das legendäre russische “Wenik”-Ritual. Wenik heißt so viel wie Besen. “Ohne Wenik ist es keine richtige Banja!” sagt Tamara ermunternd. Ich stimme zu.

Tamara hat ja gemerkt, dass ich Ausländerin bin und sie haut mir die Zweige mit gebremster Energie auf den Rücken. Das Schlagen mit den Wenik soll die Durchblutung anregen und die Hautporen öffnen. Normalerweise geschieht das am ganzen Körper, ich bekomme die Prozedur nur am Rücken und an den Beinen zu spüren. Nach zwei Minuten bedanke ich mich höflich und verlasse – mit Resten von Blättern auf der Haut – den Schwitzraum.

Mehr als eine Badeanstalt

Banja – das muss man erlebt haben, findet Kerstin Palzer

Etwas später treffe ich Tamara draußen im Waschbereich wieder. “Kommen Sie aus Deutschland?”, fragt sie mich freundlich. Als ich bestätige, guckt sie mich ganz ernst an und sagt: “Wir müssen doch Freunde bleiben, die Russen und die Deutschen. Das ist sehr wichtig”.

Nach etwa drei Stunden verlasse ich die Banja. Dampfmeisterin Olga ruft mir noch das traditionelle “S’ logkim parom!” zu, was wörtlich “mit leichtem Dampf” heißt. Diesen Gruß nach der Banja kennt jeder in Russland. Er bedeutet, dass man nach der Banja irgendwie beschwingt ist, dass das Leben danach besser und befreiter weiter geht.

Der Alltag in Russland ist nicht einfach; Moskau ist faszinierend, aber auch laut und hektisch. Ein Banja-Besuch ist da so etwas wie ein Ausflug in das wahre russische Leben. Und manchmal wird einem zwischen Waschschüsseln und Filzhüten von einer Frau, die einen vorher mit Zweigen abgeklopft hat, auch noch das wirklich Wichtige gesagt.