Das schwarze Gold im Schlussverkauf

0
389

Rohstoffe

Das schwarze Gold im Schlussverkauf

Der Ölpreis erreichte Anfang 2016 ein 12-Jahrestief. Grund ist unter anderem das Öl, mit dem Saudi-Arabien den Weltmarkt überschwemmt – doch Experten glauben, dass der Markt sich nun selbst korrigiert.

Durch das stetig weiterentwickelte Verfahren können Bestände angezapft werden, von denen es vor wenigen Jahren noch geheißen hat, sie seien niemals zugänglich. Das Parkett der New Yorker Rohstoff-Börse NYMEX ist eigentlich gar kein Parkett. Der dunkle PVC-Boden schluckt die wenigen Geräusche in der Halle, die halb leer im Schummerlicht daliegt. Jeffrey Grossman trägt seinen grauen Börsenkittel. Er hockt hinter einem der letzten Stände. Sein Kaffee ist kalt, das Telefon klingelt momentan zu häufig. Er wirft einen Blick auf die leuchtende Anzeige und sinkt wieder in seinen Stuhl zurück. Der Ölpreis fällt nicht mehr, er steigt sogar wieder. Grossman und seine Kollegen sind seit Jahrzehnten im Geschäft und einiges gewöhnt. “Öl war schon immer ein knallhartes Geschäft”, sagt Grossman. Doch dieses Mal sei es anders.

In den ersten Tagen des jungen Jahres 2016 fiel der Preis für Öl zwischenzeitlich auf unter 30 Dollar. Inzwischen wird ein Liter Milch der Klasse Drei an der Rohstoffbörse in Chicago doppelt so teuer gehandelt wie die gleiche Menge Öl. Ein massiver Wertverlust, mit dem so niemand gerechnet hatte. Selbst alte Hasen wie Jeffrey Grossman sind überrascht. “Es ging viel zu schnell und viel zu stark nach unten”, sagt er. Noch kurz vor der Finanzkrise habe man gefürchtet, die Nachfrage würde regelrecht überhitzen, sagt Antoine Halff vom Center on Global Energy Policy an der Columbia University in New York. “Viele stellen sich auf den Krieg um die Ressource ein.”

Video ansehen
01:26

Teilen

Niedriger Ölpreis schürt Ängste (25.01.2016)

Versenden

Facebook

Twitter

google+

Whatsapp

Tumblr

VZ

Mr. Wong

Xing

del.icio.us

Webnews

Yigg

Newsvine

Digg

Permalink http://dw.com/p/1HjL4

Niedriger Ölpreis schürt Ängste (25.01.2016)

Gründe für das Ungleichgewicht

Die Gründe für dieses Ungleichgewicht am Weltmarkt sind vielfältig. Die Nachfrage stagniert, selbst in Schwellenländern wie China. Amerika hat seine Ölmenge dank Fracking steigern können und muss nicht mehr importieren. Der globale Ölkonsum wird dieses Jahr schwächer steigen als in 2015, schätzt die Internationale Energieagentur – um 1,3 Prozent, vergangenes Jahr waren es noch 1,7 Prozent.

Auch der Boom in der Schieferölförderung in den USA spielt eine Rolle. Durch das stetig weiterentwickelte Verfahren können Bestände angezapft werden, von denen es vor wenigen Jahren noch geheißen hat, sie seien niemals zugänglich. Die Gewinnung von Schieferöl durch Fracking ist noch sehr teuer, könnte aber zunehmend günstiger werden. Gleichzeitig wird der Wettbewerb immer härter. “Schieferöl könnte dafür sorgen, dass Amerika wettbewerbsfähig bleibt”, glaubt Mark Mills vom Manhattan Institute.

Die Redaktion empfiehlt

Die Europäische Zentralbank setzt die Politik des billigen Geldes fort. Damit will sie die Inflation auf ein normales Niveau bringen. Bei diesem Ziel gibt es momentan einen Angstgegner: den fallenden Ölpreis. (21.01.2016)

Die Ölpreise bleiben auf niedrigstem Niveau. Die Börse in Tokio schließt Donnerstag wieder im Minus. Auch an der Wall Street waren am Mittwoch die Kurse eingebrochen. Nicht anders vorher in Europa. (21.01.2016)

Der Preisverfall beim Erdöl setzt nun auch den großen Öl-Konzernen zu. Shell will tausende Stellen streichen. Auch Total warnt, der eigene Gewinn sei gesunken. (20.01.2016)

Harter Wettbewerb

Dass der Wettbewerb sich so zugespitzt hat, liegt auch an Saudi Arabien. Die Monarchie beherbergt das zweitgrößte Erdölvorkommen überhaupt und überschwemmt den Weltmarkt zunehmend mit dem Rohstoff. Anfangs, um gegen das Fracking anzukämpfen, nun, um dem Iran den Zutritt zu dem Markt zu erschweren. In diesem Jahr könnte der Iran zwischen 300.000 und 600.000 Barrel täglich auf den Markt strömen lassen.

Mit dem sinkenden Preis schwinden die Margen. Das britische Mineralölunternehmen BP rechnet damit, dass jeder Dollar, um den der Ölpreis sinkt, den Jahresgewinn um 500 Millionen Dollar schmälert. Die Folgen sind Entlassungen. 100.000 bis 250.000 Beschäftigte aus der Ölindustrie sind in den vergangenen 18 Monaten arbeitslos geworden. Vor allem für Staaten wie Texas, Louisiana, North Dakota und Alaska hat der Preisdruck verheerende Folgen. Sie finanzieren sich zu großen Teilen über die Steuereinnahmen aus dem Ölgeschäft.

Ölfeld in Saudi Arabien

Kalkül der Saudis

Aufhalten könnte man den Abwärtstrend durch einen Förderdrosselung. Doch da fehlt vielen der Glaube an Saudi Arabien. Rücksichtslos würden die Saudis ihren Marktanteil gegen dem Iran verteidigen, so denken viele in Amerika und Europa – doch Antoine Halff glaubt nicht, dass hinter dem Verhalten eine politische Strategie steckt. “Ihre Entscheidung, immer mehr Öl zu verkaufen, ist rational”, sagt er. Wenn der Preis sinke, müsse man eine größere Menge verkaufen, um den gleichen Gewinn zu machen. Auch, wenn der Preis dadurch noch stärker fällt. “Was wir gerade sehen, sind das Marktgleichgewicht und der Marktpreis”, sagte auch der Außenminister Saudi Arabiens Adel al-Jubeir in einem Interview mit CNN.

Ob nun politische Taktik oder Marktgleichgewicht – das Ergebnis ist das gleiche. Kleinere Konkurrenten werden aus dem Markt gedrängt. Antoine Halff glaubt, dass sich der Markt so langfristig selbst korrigieren wird. Saudi Arabien leide ebenso unter den niedrigen Preisen wie die anderen OPEC-Staaten. Auch Jeffrey Grossman glaubt, dass der Tiefstand erreicht ist. “Wir haben eine schlechte Nachricht nach der anderen auf den Markt einprasseln sehen”; sagt er. Nun würde es wieder nach oben gehen, zumindest um einige Dollar. Der aktuelle Ölpreis gibt ihm recht – am vergangenen Donnerstag (21.01.2016) stieg er das erste Mal dieses Jahr wieder über die 30-Dollarmarke.